Süddeutsche Zeitung

Blutspenden im Landkreis Ebersberg:111 Liter Blut

Die Blutreserven in den Krankenhäusern sind knapp. Zu wenige Menschen spenden ihr Blut, obwohl jeder Dritte mindestens einmal in seinem Leben auf eine Transfusion angewiesen ist. Doch manchmal freilich erleben die Teams der Blutspendetermine auch positive Überraschungen - so wie am vergangenen Freitag in Markt Schwaben.

Von Karlotta Hohmann, Markt Schwaben

Freitag, der 13. Ein Unglücksdatum, wie viele glauben. Doch am jüngst vergangenen Freitag, den 13., konnte zumindest an der Grafen-von-Sempt-Mittelschule in Markt Schwaben von Unglück keine Rede sein. Denn dort fand der erste Termin im Landkreis Ebersberg zur Blutspende im neuen Jahr statt. 242 Spender hatten sich für den Zeitraum von 15.30 bis 20 Uhr angemeldet. Planmäßig war der Blutspendetermin eigentlich nur auf 180 Spender ausgelegt, wurde aber aufgrund der hohen Spendenbereitschaft kurzfristig noch einmal aufgestockt, auch im Personal, wie Patrick Witfeld, Teamleiter beim BRK, erzählt.

Der Wille, Blut zu spenden, ist aber nicht immer so groß. Engpässe in der Versorgung mit Blutkonserven und Blutprodukten sind ein allgegenwärtiges Problem. Täglich werden in Bayern etwa 2000 Blutspenden benötigt, um den Bedarf an Spenderblut zu decken, deutschlandweit sind es 15 000, wie der BRK Blutspendedienst mitteilt. "Die Reserve der Krankenhäuser sollte für fünf Tage reichen", so Witfeld. "Es gibt natürlich Schwankungen von Krankenhaus zu Krankenhaus, aber aktuell halten sie etwa einen Tag lang." Aus dem Blut werden Konserven gewonnen wie Blutplasma, rote Blutkörperchen und Blutplättchen. Dabei sind rote Blutkörperchen nur bis zu 42 Tage, Blutplättchen sogar nur nahezu vier Tage haltbar. Laut Blutspendedienst des DRK werden die Konserven dann unter anderem zu 19 Prozent an Krebserkrankte, zu je 16 Prozent an Personen mit Herzkrankheiten und mit Magen- und Darmkrankheiten sowie zu zwölf Prozent an Unfallpatienten weitergegeben. Jeder dritte Mensch in Deutschland ist einmal in seinem Leben auf eine Blutspende angewiesen, und doch spenden deutschlandweit nur etwa fünf Prozent der Spendenfähigen.

Zu diesen fünf Prozent gehört Victoria Wendt. Sie arbeitet im Controlling-Bereich und spendet heute zum dritten Mal ihr Blut. Der Grund dafür? "Ganz ehrlich? Ich wollte meine Blutgruppe wissen", sagt sie lachend. "Aber jetzt möchte ich dranbleiben. Es dauert nicht lange und ich kann jemandem helfen. Wenn ich was bräuchte, wäre ich auch froh um jede Spende." Nach der Anmeldung füllt Victoria Wendt einen Fragebogen zu Ausschlusskriterien aus, in welchem sie unter anderem ankreuzen muss, ob sie im Ausland war oder in jüngster Zeit unterschiedliche Geschlechtspartner hatte oder Sexarbeiterin ist. Fragen, die eine gewisse Offenheit über das eigene Privatleben anderen gegenüber erfordern.

Im nächsten Schritt steht für Victoria Wendt ein sogenannter Hämoglobin-Test an. Dieser gibt Auskunft über den Eisenwert des Körpers, der bei Frauen den minimalen Grenzwert von 12,5 Gramm pro Deziliter - bei Männern 13,5 Gramm pro Deziliter - nicht unterschreiten darf. Denn durch eine Blutspende verliert der Organismus zwischen 213 und 236 Milligramm Eisen und erholt sich bei einem zu geringen Hämoglobin-Wert weniger schnell. Wendts Eisenwerte sind gut.

In einem ärztlichen Gespräch werden über mögliche Erkrankungen gesprochen - manche machen eine Blutspende nicht möglich

Weiter geht es bei Station Drei mit einer ärztlichen Untersuchung von Dieter Gebel. Er ist Arzt im Ruhestand und war lange Zeit Medizinaldirektor bei der Bundeswehr. Nun geht er mit Victoria Wendt noch einmal genau den Fragebogen durch, misst ihren Blutdruck und die Temperatur auf der Stirn und entscheidet, ob sie für eine Spende zugelassen werden kann, auch wenn sie momentan Medikamente einnimmt. Aber: "Es geht nicht generell darum, ob jemand Medikamente nimmt und deshalb spenden kann oder nicht", erklärt Gebel. Vielmehr müsse man hinterfragen, weshalb sie jemand nehme. So könne jemand, der wegen einer leichten Depression ein Psychopharmakon nimmt, trotzdem spenden - bei schwerwiegenderen Erkrankungen jedoch nicht. Ebenso verhalte es sich mit Aspirin: Nimmt der Spender sie nur wegen Kopfschmerzen oder wegen eines Herzinfarktes? Denn nach einem Herzinfarkt darf kein Blut mehr gespendet werden. Auch wer nach einer Krebserkrankung als geheilt gilt oder Insulin aufgrund einer Zuckererkrankung braucht, kann nicht zu einer Spende zugelassen werden.

Grundsätzlich darf jedoch jeder Mensch mit einem festen deutschen Wohnsitz im Alter von 18 bis einschließlich 72 Jahren Blut spenden, der mindestens 50 Kilo wiegt und sich gesund fühlt — auch in Zeiten von Corona. Vor Ort wird ein ausgefeiltes Hygienekonzept angewandt, um die Sicherheit der Spender und des Personals zu gewährleisten. So ist beispielsweise das Tragen einer medizinischen Maske Pflicht, die Online-Terminreservierungen vermindern die Wartezeit und somit ein erhöhtes Personenaufkommen. Auch Geflüchtete dürfen spenden, wenn sie ihren festen Wohnsitz in Deutschland über ein amtliches Ausweisdokument mit Lichtbild nachweisen können und über ausreichend deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Denn diese braucht es, um alle Fragen bewältigen zu können, die während des ärztlichen Gesprächs aufkommen, das vertraulich unter vier Augen stattfindet.

Nur sechs Minuten und 52 Sekunden dauert die Blutspende von Victoria Wendt

Nach der ärztlichen Untersuchung findet nun die eigentliche Blutspende statt. "Gespendet werden 500 Milliliter Vollblut, also das Blut, das direkt aus der Vene kommt", erklärt Patrick Witfeld vom BRK. "Die Spende dauert in der Regel auch nur fünf bis acht Minuten." Das ist mitunter einer der Aspekte, warum sich Victoria Wendt nach der ersten Blutspende dafür entschieden hatte, weiterhin spenden zu gehen. "Ich dachte beim ersten Mal, dass es viel länger dauern würde." Heute spendet sie am linken Arm. Nach sechs Minuten und 52 Sekunden ist die Blutkonserve auch schon gefüllt, nun muss Victoria Wendt nur noch fünf Minuten liegen bleiben. "Theoretisch fühle ich mich schon bereit, um aufzustehen. Aber wann hat man schon mal fünf Minuten, um einfach nichts zu machen?"

Nach der Spende wird empfohlen, sich noch etwa 20 Minuten vor Ort auszuruhen. Es gibt kostenlose Verpflegung sowie einen abgeschirmten Bereich mit einem Feldbett, falls der Kreislauf doch noch schlappmachen sollte. An der Essensausgabe trifft Victoria Wendt einen alten Bekannten wieder. Karl-Heinz Brandl ist im Sanitätsdienst und hat bereits 45 Mal gespendet. "Mit dem ersten Herzinfarkt war dann Schluss", sagt er. Mit dem Blutspenden angefangen hat Brandl im Jahr 1976. "Ich war als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und damals haben wir fürs Blutspenden einen halben Tag frei bekommen", er lacht. "Da ist die ganze Kompanie natürlich geschlossen mit 180 Mann zum Blutspenden gegangen." Wieder zu Hause hat er dann angefangen, regelmäßig Blut zu spenden.

Regelmäßige Spender erhalten einen kostenlosen Gesundheitscheck

Zum Abschluss darf sich jeder Spender noch ein kleines Geschenk mitnehmen, wie etwa einen Wein oder Marmelade. Regelmäßige Spender wie Victoria Wendt erhalten zudem noch einen kostenlosen "Gesundheitscheck". Vor ihrer Blutspende wurden dafür weitere Blutproben entnommen, die im Labor auf beispielsweise Leber- und Nierenwerte untersucht werden.

Am Ende der Aktion sind es 222 Menschen gewesen, die an diesem ersten Blutspende-Tag im Jahr zu einer Spende zugelassen worden sind. Insgesamt haben sie 111 Liter Blut gespendet und sind somit für so manch einen Empfänger zu Heldinnen und Helden geworden.

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