Vier Paar nackte Füße, zwei in Schuhen, tappen im Rhythmus auf den Boden. Sängerin Kathrin Nagy hat die Augen geschlossen, ist tief in die Musik versunken. Sänger und Gitarrist Val Dasch und Bassist Bo Baumann entlocken den Saiten emotionale Töne. Trompeter Josef Hanslmeier bläst kraftvoll in sein Instrument, Schlagzeuger Max Eder haut ebenso dynamisch auf die Trommeln. Keyboarder Bertram Liebmann wiegt sich lächelnd im Takt. Wenn die Gnadenkapelle spielt, dann tut sie das mit Hingabe.
Nun hat die Band in der Wolfmühle bei Markt Schwaben Premiere gefeiert. Das Anwesen beherbergt einen Hofladen, ein Garten-Café, in der Mühle wird Mehl gemahlen und außerdem bieten die Örtlichkeiten eine wundervolle Kulisse für Veranstaltungen wie an diesem Abend das Konzert der Gnadenkapelle. Die Band spielt in einem Gastraum, der früher einmal ein Kuhstall war. Nachdem das Gewölbe renoviert und umgestaltet wurde, schafft jetzt ein Sammelsurium aus Stühlen, Tischen und Sofas eine gemütliche Atmosphäre wie bei einem Wohnzimmerkonzert. Viel Holz, rotbraune Ziegelsteine, ein Himmel aus runden Bögen. In einer Ecke des Raumes ist die Bühne aufgebaut - darauf alte Teppiche, ein Wirrwarr aus Kabeln und natürlich die Band selbst.
Deren Sängerin Kathrin Nagy ist die Frau für alles in der Wolfmühle. Auch heute schwirrt sie vor dem Auftritt noch durch den Gastraum, um selbstgemachte Hollerküchlein "von der Oma" zu servieren und den zahlreich erschienenen Gästen bei der Platzsuche behilflich zu sein. Denn der Raum ist gut gefüllt. Die Besucher stärken sich vor dem Konzert noch mit deftigen Speisen oder gönnen sich ein Stück Kuchen. Oder sie sitzen im idyllischen Garten und genießen die Abendstunden bis das Konzert beginnt.
Die Gnadenkapelle spielt eine Mischung aus Jazz, Blues und Ska. Die Texte sind bayrisch und decken eine breite Palette an Themen ab: persönliche Erfahrungen, Sozialkritik und immer wieder Beziehungen. Das melancholische "1,2,3-samkeit" etwa handelt vom Auseinanderleben in einer Beziehung, von einer Partnerin "koid wia Eis." "Uns woidns hoin" greift die selbstgefällige Stimmung auf, als Polizisten noch Hassobjekt waren und man sich selbst als unbelehrbar empfand, erläutert Val Dasch, der die meisten Texte der Gnadenkapelle schreibt.
Dabei lässt er sich von persönlichen Erfahrungen - das Lied "Kreissog" entstand beim Brennholzmachen - oder auch seinen Träumen inspirieren. Nachdem ihm eines Nachts Amy Winehouse erschienen war, entstand "1000 Liada". Ein melancholisches, ergreifendes Stück über die vielen Songs, die die berühmte Ausnahmesängerin wegen ihres frühen Todes nicht mehr interpretieren konnte.
Durch ihre ausdrucksstarke Spielweise und die sichtbare Freude an der Musik gelingt es der Band, das Publikum in den Bann zu ziehen. Nagys kraftvolle Stimme ist voller Gefühl. Beim Lied "Wos soi jetzt wern" wird sie besonders emotional, da der Text von ihrem verstorbenen Vater handelt. "I mog di so, i mog di ned verliern", singt sie, den Rücken leicht gekrümmt, die Augen geschlossen. Schmerz und Zuneigung verschmelzen in ihrer tiefen Stimme.
Auch das Gegenteil, die schwungvollen, lustigen Stücke, spielt die Band mit Leidenschaft. Dann tippen Füße auf den Teppich des Bühnenbodens, wiegt Kathrin Nagy ihre Hüften und das Publikum klatscht im Rhythmus mit. Val Dasch hatte eine "Achterbahnfahrt der Stimmung" angekündet. Das Versprechen hält die Band und zeigt, dass sie von traurig bis beschwingt alle Stimmungslagen auf dem Kasten hat. Außerdem besticht der Auftritt mit einfallsreichen Elementen. Hier wird ein wenig gejodelt, da heult die Gitarre, dort endet das Lied "Kreissog" mit Sägegeräuschen vom Band. Im Lied "Schiab o" gibt Josef Hanslmeier einen eindringlichen Sprechgesang zum Besten.
Das Publikum ist begeistert vom Auftritt der Gnadenkapelle, auch nach der zweiten Zugabe klingt der Applaus nur langsam aus. Sängerin Kathrin Nagy wirkt sichtlich gelöst. Während des Konzerts hatte sie mal hier, mal dort gewerkelt. Hatte mit dem Mirko in der Hand Wasserflaschen an die Bandkollegen ausgeteilt, in der Pause beim Bedienen geholfen. Nun sei sie einfach froh, dass alles - vom Konzert bis zur Bewirtung - so gut geklappt habe, sagt die Müllerin. Ein wenig mehr als hundert Gäste seien gekommen, aber viel mehr hätten auch gar keinen Platz gefunden, sagt sie stolz.