Es ist eine Scheune, die ihren Namen verdient hat. Wind pfeift durch Holzwände und bringt Heu zum rascheln. Im Werkzeugraum steht ein gusseiserner Rübenhäcksler, damit der Bauer seinen Tieren die Mahlzeit maulgerecht servieren kann. Fenster braucht so eine Scheune nicht, ein Tor vorne, eins hinten. Im Heu in der Tenne könnte man sich ein romantisches Pärchen vorstellen. Also, für eine Nacht. Nicht für ein halbes Jahr.
Genau das aber stellt sich eine Baubehörde im Landkreis Ebersberg vor: Wie der SZ jetzt bekannt wurde, soll der Eigentümer dieser Scheune dort für sechs Monate wohnen, so die Empfehlung aus dem Landratsamt Ebersberg. An das Piksen der Strohhalme hat sich noch jeder gewöhnt, also penne in der Tenne! Gemeint ist der Markt Schwabener Landwirt Dominik Huber. Er soll 180 Tage in der zugigen Scheune verbringen, um dort anschließend umbauen zu dürfen. Huber muss den Holzschuppen also in seinem jetzigen Zustand nachweislich bewohnen. Im Gegenzug genehmigt die Baubehörde dem 36-Jährigen die "Nutzungsänderung eines landwirtschaftlichen Gebäudes" als Wohnhaus. So steht es im Schreiben des Landratsamts Ebersberg vom 21. April 2017 an den Antragsteller Dominik Huber.
Auf der Jagd:Auge in Auge mit der Beute
"Jedes Viech hat verdient, dass es ganz schnell geht", sagt Emmeran Königer. Um punktgenau zu treffen, verwendet er ein Nachtsichtgerät, was unter Jägern höchst umstritten ist. Zwei Nächte auf Pirsch und Hochsitz.
Ein Treffen in Ried, im Außenbereich von Markt Schwaben, wo zwischen vereinzelten Wohnhäusern und riesigen Feldern die Scheune der Familie Huber steht. Gut 60 Damhirsche weiden in einem Gehege, Jahre hat es gedauert, bis der Zaun fertig wurde, sagt Dominik Huber, der die Tierzucht von seinem Vater übernommen und vergrößert hat. Damit er seine Landwirtschaft betreiben kann, müsse er in Sichtweite wohnen, sagt er. Deswegen der geplante Umzug mit seiner Frau und den beiden Kindern. Der Plan scheiterte als er vor drei Jahren das Schreiben mit dem Aktenzeichen BÜ-2017-972 erhielt.
Huber ist einer von wenigen Damwildbauern auf Markt Schwabener Gebiet. Er will den Betrieb seines Vaters ausbauen. "Ich muss für meine Viecher da sein", sagt er. Etwa weil sich deren Hörner bisweilen im Zaun verhaken. Oder weil mancher Spaziergänger die Tiere mit schimmligem Brot füttert. Die Gemeinde hatte sein Vorhaben noch genehmigt, so Huber, doch das Landratsamt legte ein Veto ein. Der Bauer öffnet das Scheunentürl. Es knarzt und staubt. Kein Wasser, kein Ofen, dafür Holz und Heu. "Hier soll jemand schlafen?"
Vielleicht hilft Humor, um all das hinzunehmen. Oder eine Erklärung vom Landratsamt. Auf Anfrage der SZ gibt Michael Ottl, der Büroleiter des Ebersberger Landrats, eine umfassende Erklärung ab. Die Baubehörde habe im Fall Huber keine andere Wahl gehabt, heißt es dort. "Das Baurecht im Außenbereich ist vom Bundesgesetzgeber leider sehr restriktiv geregelt. Landrat Robert Niedergesäß kritisiert es regelmäßig als zu restriktiv, es lässt kaum bis keine Luft für lebens- und praxisnahe Lösungen vor Ort." Dies sei, so heißt es, "ein großes Problem für viele landwirtschaftliche Betriebe".
Und doch gibt es Projekte, die mit ähnlichen Anträgen erfolgreich waren. Im September 2017 etwa erhielt eine Familie im zehn Kilometer entfernten Hohenlinden eine Sondergenehmigung für ein Haus samt Garage im Außenbereich. Hier verzichtete das Landratsamt auf einen Einspruch. Warum? "Der Fall ist völlig anders gelagert und basiert auf einer völlig anderen baurechtlichen Beurteilung", als nun in Markt Schwaben, heißt es vom Landratsamt. Der Bau des Wohnhauses bei Hohenlinden sei aufgrund einer sogenannten "Außenbereichslückenfüllungssatzung" durch die Gemeinde ermöglicht worden. Für das Vorhaben in Ried gebe es wie in vielen anderen Fällen keine Rechtsgrundlage für eine solche Satzung. "Eine Damwildhaltung begründet rechtlich leider kein Betriebsleiterhaus."
"Kein Bauunternehmen gefunden, das diesen Auftrag annimmt"
Und so handelte die Ebersberger Behörde offenbar im Rahmen begrenzter Möglichkeiten. Das gilt auch für Hubers geplanten Keller. Weil er die Scheune - nachdem er sie bewohnt hat - nur minimal vergrößern darf, ist ein Untergeschoss nötig, etwa um die Heizung unterzubringen. Auch dieses Vorhaben bekam Dominik Huber aus Ebersberg nur quasi genehmigt. Die Bedingung aus der Kreisstadt kam wieder schriftlich: "Wir weisen noch einmal darauf hin, dass zur Errichtung des Kellers das Wegheben des bestehenden Gebäudes (...) nicht zulässig ist." Es werde daher "eine engmaschige Überwachung der Bauarbeiten durch das Landratsamt stattfinden".
Die gesetzestreue unterirdische Idee des Landratsamts fasst Huber so zusammen: Statt wie üblich in einem Stück - eine Art Wanne - müsste er den Keller scheibchenweise unter die Scheune schieben. Theoretisch ist das möglich, nicht aber in diesem Gelände: Die Scheune steht unweit der Anhöhe Wittach. Bei Regen würde das Wasser wohl während und auch nach dem Bau durch die Fugen des Salamikellers drücken. Hubers Recherche-Ergebnis: "Ich habe bis heute kein Bauunternehmen gefunden, das diesen Auftrag annimmt."
35 Jahre lang war die Damwildhaltung der Hubers ein Zuerwerb, Vater Hans Huber hatte stets um die 15 Tiere. Sein Sohn hat neu in die Landwirtschaft intensiviert und den Bestand vervierfacht. Die Tiere werden auf der Weide geschossen, ihr Fleisch als Wildbret regional verkauft. Aktuell wohnt die Familie in Hubers Elternhaus im Ort, zehn Minuten Autofahrt von der Weide. Im Februar kommt das dritte Kind der Hubers zur Welt. "Lange kann ich das nicht mehr so machen", sagt Dominik Huber. Dann bleibe ihm die Wahl: Eine humorlose Klage - oder das piksende Heu.