Süddeutsche Zeitung

Prozess:Markt Schwaben: 12.000 Euro Honorar für den Baumgutachter

Die Gemeinde verklagt eine Firma wegen beschädigter Bäume bei Bauarbeiten auf 75.000 Euro. Die Firma will nicht zahlen - und zweifelt am Gutachten.

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, München

Der Eklat ist mittlerweile sieben Jahre alt. Damals, im Sommer 2012, führten Bauarbeiter einen Auftrag der Gemeinde in der Markt Schwabener Wallbergstraße aus - allerdings nicht so, wie sich die Gemeinde das vorstellte. Zwar errichteten die Bauarbeiter wie bestellt knapp 20 neue Parkplätze. Dabei demolierten sie jedoch zwölf Bäume so stark, dass die Gemeinde das Fällkommando anrücken ließ - und der beauftragten Baufirma eine saftige Rechnung schickte. Weil sich die Firma seither weigert zu zahlen, ging es nun - sieben Jahre später - vor das Münchner Verwaltungsgericht.

Um das vorwegzunehmen: Die Verhandlung am Mittwochvormittag endete ohne Urteil. Dennoch zeichnete sich ab, dass die Baufirma bezahlen muss. Die Frage ist nur: Wie viel? Die Gemeinde als Kläger fordert insgesamt 75 000 Euro von der Firma. Deren Vertreter bezeichnet diese Summe als unverhältnismäßig. Er lehnte bisher jegliche Zahlungen ab.

Wie kam es zu den Schäden? Wie vermeidbar wären sie gewesen? Und wie gravierend waren sie? Der Prozess ließ so manche Frage offen, brachte aber auch pikante Details zu Tage, die wohl auch zum Dilemma beitrugen. Der Ingenieur des Projekts erklärte etwa, dass die Gemeinde seinem Büro seinerzeit einen fehlerhaften Bebauungsplan vorgelegt habe. "Die Bäume waren falsch eingezeichnet", sagte der Ingenieur. So musste sein Büro umplanen - wodurch sie unter anderem einen Parkplatz weniger bauten. Und, so der Ingenieur: Wer bei einem Neubau die Unversehrtheit von Bäumen im Sinn habe, "von dem bekommt man normalerweise seitenweise Papierkram mit Auflagen". Also eine Art projektbezogene Baumschutzverordnung. Die Gemeinde Markt Schwaben hatte dies offenbar nicht explizit erwähnt.

130 Arbeitsstunden für ein Baumgutachten

Umso größer war der Tatendrang nach Bekanntwerden der Schäden: Die Gemeinde beauftragte umgehend einen Baumgutachter, der mit zwei Kollegen anrückte und nach zusammen gerechnet 130 Arbeitsstunden zu dem Schluss kam, dass die Bäume mangels Standfestigkeit gefällt werden müssen. Das Gutachten kostete insgesamt 12 000 Euro und allein dessen Urteil führte dazu, dass die Gemeinde die zwölf Bäume, überwiegend Ahorn, mit Höhen von bis zu 13 Metern ganz entfernen ließ.

Die Baufirma vermutet seither, dass diese Maßnahme zu radikal war. Nach deren Ansicht hätte man die Bäume auch stützen können - und sich den Gutachter sparen sollen. Zudem, so argumentierte der Anwalt der Baufirma, "gab es keine Chance mehr für ein zweites oder drittes Gutachten". Er vermute deshalb, dass man der Gemeinde eine Teilschuld anrechnen müsse.

Bei der Gesamtsumme wiegt am schwersten der Schadensersatzanspruch, den die Gemeinde auf 56 000 Euro beziffert. Hinzu kommen 5000 Euro für die Beseitigung, das Gutachter-Honorar und die Ersatzpflanzung - längst stehen dort neue Bäume. Der Anwalt der Baufirma bot im Gerichtssaal 20 000 Euro an, was bei seinem Kollegen auf dem Klägerstuhl ein kurzes Kopfschütteln auslöste. Auf Empfehlung des Richters - auch, um weitere Gerichtskosten zu vermeiden - zeigten sich Kläger und Beklagte zwar bereit für einen außergerichtlichen Vergleich. Dafür müssten sich aber beide Seiten aufeinander zu bewegen.

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SZ vom 05.09.2019/koei
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