Malerei:Reliefs aus der Tube

Gemälde von Harry Meyer

Keine Foto kann wiedergeben, welch materielle Wucht und Plastizität die Ölgemälde von Harry Meyer entfalten.

(Foto: THomas Fink/oh)

Der Augsburger Künstler Harry Meyer zeigt im Ebersberger Grundbuchamt seine Bilder, die durch den plastischen Farbauftrag beeindrucken

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Künstler nutzen heute gerne die Möglichkeiten der Internet-Galerie, um für ihr Werk zu werben. Und für viele Sammler spielt es keine große Rolle, ob sie Kunst im Original vor sich haben oder auf Fotos. Bei den Gemälden von Harry Meyer sollte man sich nicht mit der Abbildung begnügen. Nicht nur fehlt dem Bild vom Bild die Aura; es ist auch kein Foto, außer vielleicht in 3-D-Technik, imstande, wiederzugeben, welch gebirgige Tektonik und reliefartige Plastizität diese Werke besitzen, welche innere Bewegung die Ölfarben, die er wie Zahnpasta direkt aus der Tube auf den Malgrund drückt, entfalten. Von Sonntag an stellt der Künstler im Grundbuchamt Ebersberg aus. Veranstalter ist der Verein "Sonntagsidee".

Harry Meyer ist 1960 in der Oberpfalz geboren, studierte Architektur, lebt in Augsburg und ist Mitglied der Neuen Gruppe München. Er erhielt mehrere Preise und Stipendien. "Könnten wir uns ganz klein machen und auf der Oberfläche der Bilder herumspazieren, so würden wir auf gewaltige Landschaften stoßen: die Oberflächen gleichen Hügeln, Bergen, Tälern, zerklüfteten Canyons, Wüsten oder Lavaausbrüchen", hieß es einmal treffend in einer Rede von Nils Ohlsen zum Werk Meyers.

Seine Motive kreisen um den eigenen Garten, um Bäume, hügelige Landschaften, auch Kopfreliefs und abstrakte Arbeiten sind dabei. "Ich male Natur", sagt Meyer, eine Natur, die aus allen Poren der Erde quillt. Eine Besonderheit für den Betrachter sind aber nicht nur die Farbklumpen, die aus den Gemälden Reliefs werden lassen; auch die mit der Entfernung vom Bild einhergehende Veränderung ist frappierend. Steht man direkt davor, nimmt man vor allem die dichten und scheinbar chaotischen Wülste und Gräben wahr. Tritt man ein paar Meter zurück, erscheint das Motiv auf einmal klar und geordnet, die klassischen Gesetze der Perspektive und Proportion bleiben gewahrt. Aus dreidimensionalen Farbmassen, die in ihrem trägen Fluss jäh erstarrt zu sein scheinen, werden vertraute Formen - das kahle Geäst, eine Wolkenformation, Felder, Hügel, im Fall der Kopfreliefs Augen, Nase und Mund. Wilde, expressionistisch gesteigerte Farbmischungen und die manchmal wellenartig geführte Bewegung innerhalb der Schichten erinnern zuweilen an van Gogh. "Auf einem dieser großformatigen Bilder sind bestimmt 25 Kilo Ölfarbe", schätzt der Bildhauer Hubert Maier, der die Bilder gehängt hat. Im Atelier Meyers befänden sich Hunderte Tuben, die Farbfirma, mit welcher der Künstler zusammenarbeitet, habe eigens für ihn die Farbe in Kübeln abgefüllt.

Die Titel der Motive drücken aus, was man sieht: Baum, Landschaft, Regen, Sterne, Wald, Vulkan, Rauch. Das größte, in seiner Farbigkeit eindruckvollste Gemälde heißt "Mein Garten". Im Dachgeschoss des Grundbuchamtes mit seinen Balken und skulpturalen Säulen erfahren diese Farben noch eine Steigerung. In ihrer wuchtigen Körperlichkeit scheinen sie das Format sprengen zu wollen.

Zwei ältere, was die Farben betrifft fast "sparsame" Arbeiten des Künstlers dokumentieren die Anfänge und die Entwicklung hin zu jenem Farb- und Materialrausch. All die Brocken und Ballungen, die filigranen Auswüchse und Wurmfortsätze lassen dem Betrachter keine Wahl: Er möchte sie, sofern erlaubt, berühren, ertasten. Doch das geht nur beim Original.

Vernissage der Ausstellung "Malerei" von Harry Meyer ist am Sonntag, 17. April, 11 Uhr, im Grundbuchamt Ebersberg. Der Künstler ist anwesend. Geöffnet ist an den Sonntagen, 17. und 24. April sowie 1. und 8. Mai, jeweils von 11 bis 17 Uhr. Ein Künstlergespräch findet am 24. April, 14 bis 16 Uhr, statt.

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