Kirchseeon:Pub Mahagoni: Das Ende der letzten Dorfkneipe

Kirchseeon: So kennt man Hans Sedlmaier in Kirchseeon, seit 25 Jahren steht er Abend für Abend hinter dem Tresen des Mahagoni. Wenn er gerade nicht in der Küche Schnitzel zubereitet. Doch damit ist jetzt Schluss, voraussichtlich im Sommer will Sedlmaier die letzte Halbe im Lokal zapfen und sich zur Ruhe setzen.

So kennt man Hans Sedlmaier in Kirchseeon, seit 25 Jahren steht er Abend für Abend hinter dem Tresen des Mahagoni. Wenn er gerade nicht in der Küche Schnitzel zubereitet. Doch damit ist jetzt Schluss, voraussichtlich im Sommer will Sedlmaier die letzte Halbe im Lokal zapfen und sich zur Ruhe setzen.

(Foto: Christian Endt)

Vor einem Vierteljahrhundert hat Hans Sedlmaier die Wirtschaft übernommen. Nun gibt er das Lokal auf. Über einen Wirt, der seinen Beruf leidenschaftlich betreibt - und trotzdem neue Wege geht.

Von Korbinian Eisenberger, Kirchseeon

Mahagoni ist mehr als nur ein Name. Für manchen war es der Inbegriff von Feierabend, für andere ein Zufluchtsort und für manche mehr als das. Mahagoni steht für die Identität dieser Kneipe und für den Farbton ihrer Einrichtung. Und für manchen war das Mahagoni ein rotes Tuch.

Es ist einer der letzten Tage, an dem in Bayern die Wirtshäuser offen haben dürfen. Hans Sedlmaier, 59, steht in der Schürze hinter seinem Tresen, klar, mahagonifarben, und schaut so, wie er immer schaut. Die Augen weit auf, die Mundwinkel nach oben. Bereit, die nächste Geschichte zu erzählen.

Die Bar hat er selber gebaut, aus dem Mauerwerk eines alten Bauernhofs, verkleidet in hölzernen Mahagonifarben. "Ich habe jeden Stein von Hand geputzt" sagt er. An diesem Nachmittag Mitte März kann Hans Sedlmaier nur erahnen, dass die Coronakrise auch für sein Lokal die vorzeitige Schließung bedeuten wird. Klar ist nur, dass er im Mahagoni aufhört. Bevor es so weit ist, will er es nach der Krise nochmals aufmachen. Für sein Finale und seinen Abschied.

Über der Bar hängt eine verschnörkelte Uhr, noch zwei Stunden, bis Sedlmaier die Eingangstüren für Gäste aufschließt. Vorher heißt es: Einkaufen beim Großmarkt, Lagerung in der Küche, Salate schnippeln, Fleisch klopfen. "Jägerschnitzel war immer der Renner", sagt er. Nur dass auf der Karte seit kurzem "Gegrilltes Schweinelendchen mit Champignonrahmsoße und Spätzle" steht. Der alte Jagdbegriff, "der kam mir so verstaubt vor", sagt er. Vor fünf Jahren hat er das Lokal generalsaniert, im Februar erneuerte er den Sound seiner Karte - nun beginnt für ihn selbst ein neuer Lebensabschnitt.

"Da Doni vom Mahagoni klopft hundert Schnitzel woach, dazwischen macht er an Pizzadoag"

Am 27. April 1995 hat Sedlmaier das Mahagoni übernommen und zum Hotspot des Kirchseeoner Kneipen- und Nachtlebens entwickelt. Sedlmaier zieht eine Mappe aus dem Regal mit den Biergläsern, wo er Grußschreiben von seinen Gästen gesammelt hat. Einer davon: Günter Valerien aus Oberpframmern, besser bekannt als der "Karaoke King". Der Musiker hat Sedlmaier einen Spitznamen verpasst und ihm ein Lied gewidmet. Refrain: "Da Doni vom Mahagoni klopft hundert Schnitzel woach, dazwischen macht er an Pizzadoag."

Im Mahagoni wurde getanzt, gesungen, gegessen und gezecht. Die einen kamen zu einem herzhaften Abendessen zum günstigen Preis, die anderen für eine durchzechte Nacht. Am Wochenende hat das Mahagoni nicht selten bis fünf Uhr früh geöffnet, "es gibt Stammgäste, die sind seit 25 Jahren hier", sagt Sedlmaier. So mancher verbrachte im Mahagoni gefühlt mehr Zeit als bei sich zuhause. Weil Kneipen dazu verführen, dass man hängen bleibt. Klar verspüre er Wehmut, sagt der Wirt. "Es war ja fast eine Art Zuhause."

Warum hört man dann auf?

Sedlmaier steht am Zapfhahn und füllt ein Bierglas, bis der Schaum überläuft. So kennen ihn viele, denen er hier über die Jahrzehnte einschenkte. Weniger bekannt ist der Hans Sedlmaier, bevor er das Mahagoni übernahm. Er steht nun vor seinem Bestell-Bildschirm und zeigt Bilder von damals. Anfang der 80er Jahre lebte Sedlmaier in Israel und arbeitete als Koch in Haifa. "Im Dan Camel Hotel", sagt er, das bis heute betrieben wird. Er erzählt, wie er mit einer schwedischen UN-Soldatin nach Beirut reiste, und von seiner damaligen Freundin, einer Palästinenserin beim israelischen Militär. "Olivgrüner Minirock, Handtasche und eine Knarre."

Seine Wahrnehmung damals: Palästinenser und Israelis feierten zusammen Feste, "es wurde überall die gleich Musi gespielt". Wichtige Erfahrungen für ihn, sagt Sedlmaier, vor allem als Mensch - aber auch als Gastronom. Er erzählt vom Rabbi Jacob, der das Fleisch vor der Zubereitung zehn Tage in fließendem Wasser koscher wusch. Der Rabbi sei ein talentierter Koch gewesen. "Aber Medium Rare konnte man bei ihm nicht bestellen." Weil der Saft aus dem Fleisch längst davon geflossen war.

"Langeweile ist eine klasse Sache, weil man dann viel mehr von der Zeit hat"

Der Exkurs hilft, um Sedlmaiers Abschied vom Mahagoni zu verstehen. "Es muss nochmal was neues im Leben passieren", sagt er. Seine jüngste Tochter ist 17, bald wird auch sie das Elternhaus verlassen haben. Sedlmaier erzählt, dass er und seine Frau in ein Haus nach Baiern umgezogen sind, mit einem 4000 Quadratmeter großen Garten. Er will dort einen Brunnen bauen - und Unkraut jäten. Garten statt Kneipe also. Wird das Leben dann nicht eher langweiliger? Sedlmaier grinst. "Langeweile ist eine klasse Sache, weil man dann viel mehr von der Zeit hat."

Eine Stunde noch, ehe die ersten Gäste kommen. Zum Beispiel vom Boßelclub Kirchseeon, die eine Glocke am Tresen hängen haben, mit der im Mahagoni die Lokalrunden eingeläutet werden. Die Party fand drinnen statt. War aber auch draußen hörbar. Sedlmaier erzählt von schwierigen Momenten. Etwa wenn sich Anwohner über den Lärm beklagten, und Bußgeldzahlungen drohten. "Für manche war das Mahagoni ein rotes Tuch", sagt er. Hinzu kamen die bürokratischen Pflichten, die zuletzt immer aufwendiger wurden und das Gaststättengewerbe in den vergangen fünf Jahren zunehmend erschwerten. Von sieben Uhr früh bis Mittag sei er mittlerweile mit Papierkram beschäftig, sagt Sedlmaier, erst nachmittags beginnt er mit der Arbeit im Lokal.

Dennoch: Das Mahagoni lief gut. Nicht das im Kreis Ebersberg und ganz Bayern zunehmende Wirtshaussterben ist der Grund, warum Sedlmaier aufhört. Der Druck auf die Gastronomie dürfte aber mit ein Grund sein, warum er noch keinen Nachfolger gefunden hat. Keiner, der übernimmt, wenn er das Mahagoni aufgibt.

Aufgabe? Es ist eher ein: Mission erfüllt, sagt er. Sedlmaier erzählt, dass er schon damals, bei der Eröffnung am 27. April 1995, den Plan gefasst habe: Ein Vierteljahrhundert, dann höre ich auf. Nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen wolle er nochmals drei bis vier Wochen öffnen - und Abschied feiern. Bis zu dem Abend, an dem der Doni vom Mahagoni zum letzten Mal Sprüche klopft - und Schnitzel.

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