Kaninchen? Tauben? Weiße Tiger? Mit denen mögen manche seiner Kollegen ihre Erfolge feiern, Bert Rex braucht sie nicht auf der Bühne. Der Zauberer aus dem Schwarzwald nutzt für seine Tricks und Illusionen etwas, das zwar nicht aufwendig transportiert werden muss, aber im Verhalten deutlich unvorhersehbarer ist: sein Publikum. In Zorneding ist die Rechnung des früheren Mathematik- und Chemielehrers aufgegangen - alle mehr oder weniger freiwilligen Assistentinnen und Assistenten aus dem bis auf den letzten Platz besetzten Gemeindesaal der Christophoruskirche wirken brav mit.
Den einen steht die Begeisterung von Anfang an ins Gesicht geschrieben, bei anderen dauert es ein kleines bisschen länger. Das deckt sich mit den Reaktionen so mancher Zuschauer: Die Herzen der zahlreich vertretenen Kinder erobert der dreifache Vater im Sturm - ihr lautes Lachen schallt von Anfang an durch den Raum. Dasselbe gilt für alle Jugendlichen und Erwachsenen, die dank Sozialisierung mit Stand-Up-Comedy und Poetry-Slams genussvoll im Wortspiel-Feuerwerk baden und die Ironie der immer wieder unterlaufenen Erwartungen genießen können. All jene allerdings, die von einem Abend mit klassischer Zauberei ausgegangen sind, wo wenig gesprochen wird und stattdessen in rasanter Abfolge Gegenstände ihren Aufenthaltsort wechseln, müssen sich erst hineinfinden in diese Show, die vom Spiel mit dem vermeintlichen Scheitern lebt, und bei der sich die Illusion definitiv nicht nur auf die Kunststücke mit Münzen, Karten oder Tüchern beschränkt.
Einen Vorgeschmack erhält man schon bei der Begrüßung der "Zorne-Dinger und Zorne-Dingerinnen" sowie "Dinger von anderswo" durch den Mann im Frack. Mit wehenden Schwalbenschwänzen stürmt er auf die Bühne, wirkt dabei wie der Dirigent, als der er sich in letzter Konsequenz entpuppt, bringt er doch sein Publikum mittels geschickt platzierter Hinweise schnell dazu, in gewünschter Weise zu reagieren: Mit bewunderndem "Aaaaaaaaaaaahh!" und "Oooooh!", bei jeder Ankündigung des indischen Seiltricks, mit Lauten des Bedauerns, sobald dieser ein weiteres Mal scheitert.
Der drahtige Rex ist kein Hüne und vielleicht auf den ersten Blick auch, trotz entsprechender Ankündigung, kein typischer Frauenschwarm. Bemerkenswert unverdrossen gibt er sich aber als solcher - egal, ob er unmotiviert ein "Yeah" einwirft oder beim eleganten Tänzeln mit dem Zauberstock Fred Astaire in seinen besten Zeiten Konkurrenz macht. Das wirkt erst unbeholfen, dann durch die unverhohlene Selbstironie ("Mir war es zu langweilig bei den Hell's Angels") durchaus charmant - und lässt zunächst fast in den Hintergrund geraten, dass das langjährige Mitglied des Magischen Zirkels auch fachlich eine Menge auf dem Kasten hat.
Immer wieder stellt er seine Fingerfertigkeit unter Beweis und lässt die Requisiten vom Publikum checken, das sich aufgrund des großen Zulaufs in so unmittelbarer Nähe zur Bühne befindet, wie man es bei einer Zaubershow eher selten sieht. Da vermehren sich Schaumbälle auf ungeahnte Weise, werden Tücher wie von selbst ver- und entknotet, wechseln Karten unsichtbar den Besitzer.
Zwischendurch deklamiert "König" Rex immer wieder selbst verfasste Gedichte, die zuweilen hart an der Schmerzgrenze entlangschrammen - vom gebürtigen Thüringer ganz offensichtlich ebenso gewollt wie sein Einsatz von Dialekt ("jetzt noch ein Garten-Trick") oder der höchst eigenwillige Gebrauch des Englischen ("many nice too-seers in Angerthing"). Die Zuhörer amüsiert's, selbst wenn es an der einen oder anderen Stelle ein wenig länger dauert, bis der Groschen gefallen ist.
Als dann im zweiten Teil auch die Zauberei noch einmal richtig Fahrt aufnimmt, gibt es kein Halten mehr. Wo bei der wundersamen Wurst-Vermehrung noch vor allem Erheiterung regiert, nötigt die "Boomerang-Karte" den verblüfften Zuschauerinnen und Zuschauern schon mehr Respekt ab, den Rex allerdings bescheiden abwehrt - "bitte staunen Sie nicht aus Höflichkeit!" Garniert mit anerkennenden Pfiffen steigert sich der Applaus dann allerdings ins Frenetische, als der Künstler die Nummer in Slow Motion wiederholt. Zu augenfällig ist auch für jeden Laien, dass in einem Metier, in dem vor allem Geschwindigkeit und Timing zählen, Zauberei in Zeitlupe alles andere als ein Kinderspiel ist, selbst wenn es so leicht aussieht.
Das Sahnehäubchen gegen Ende der Veranstaltung des Vereins "Pro Christophoruskirche e.V." ist das Kunststück der "verschwundenen Boa". Auch in diesem Fall muss der Tierschutzverein nicht eingreifen, es wird kein Lebewesen gequält - in Mitleidenschaft gezogen sind höchstens die Lachmuskeln der Besucherinnen und Besucher. Ihre Autogrammwünsche und Dankesbezeugungen am Ausgang des Saals lassen darauf schließen, dass "Magie auf die harte Tour" keinesfalls zufällig Besucher von Penzberg bis Pöring angelockt hat.