Süddeutsche Zeitung

SPD-Kandidatin für Ebersberg/Erding:"Eigentlich nennen mich alle nur Lena"

Magdalena Wagner wird von 98 Prozent der Delegierten zur SPD-Bundestagskandidatin des Wahlkreises Ebersberg-Erding gewählt. Vorher hält die 29-jährige eine bewegende Rede.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Die drittjüngste im Saal ist an diesem Abend die Protagonistin. Die 29-jährige Magdalena Wagner aus Egmating wird von ihrem Vater und ihrer Schwester Hannah, 25, begleitet. Der jüngste Beobachter im Saal ist ein kleiner Bub, der mit seinen Eltern an einem Dreier-Tisch sitzt. Alle anderen der 45 Delegierten aus den Landkreisen Erding und Ebersberg haben an Einzeltischen Platz genommen, dem hygienischen Gebot nach distanziert. Die Augen sind auf die neue Hoffnungsträgerin gerichtet, die sich von ihrem Stuhl erhebt, die Maske abnimmt und zu einer Rede ansetzt, die vielen Beobachtern in Erinnerung bleiben dürfte.

Später an diesem Freitagabend wird Magdalena Wagner aus Egmating zur Bundestagskandidatin der SPD bestimmt. Bei der Wahl am 26. September bewirbt sie sich damit um ein Mandat im Berliner Parlament. Dass es so kommt - zumal ohne Gegenkandidat -, war seit Monaten bekannt, nun ist es offiziell. 44 Ja-Stimmen, einmal Nein - 98 Prozent. Bei der Nominierungskonferenz im ehemaligen Sparkassensaal geht es nun aber auch darum, welches Signal Kandidatin und Delegierte senden.

Wagner, die unter dem schwarzen Jackett die Farbe ihrer Partei trägt, hält ein flammendes Plädoyer für einen solidarischen Sozialstaat. Die Corona-Krise habe "viele Schwierigkeiten in unserer Gesellschaft noch offensichtlicher gemacht", so Wagner. Während der Pandemie hätten viele ihren Job verloren, die "damit deutlich armutsgefährdeter als zuvor" seien. "Gleichzeitig konnte die Reichsten der Reichen ihr Vermögen noch weiter ausbauen." Wagners Schlussfolgerung: "Eine Vermögenssteuer ist lange überfällig." Für ihre Forderung gibt es im Saal deutlich vernehmbar Beifall.

Wagner widmet sich nun der Situation von Kindern und Jugendlichen. Es brauche Förderangebote "bereits für die Kleinsten", Kinder, Jugendliche und Eltern müssen in der schulischen Laufbahn und auch in den Jahren danach besser unterstützt werden, dafür stehe ihre Partei. "Wir lassen niemanden allein." Ihre Botschaft an den derzeitigen Koalitionspartner - und damit auch an den amtierenden Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz von der CSU: "Dass der große Wurf mit der Union nicht möglich ist, war nicht nur im Bereich der Bildung so."

Der lauteste und längste Zwischenapplaus folgt auf ihren kürzesten Themen-Block: der zunehmende Rassismus in Deutschland. Wagner spricht die Delegierten einmal mehr direkt an. "Genossinnen und Genossen, für mich steht fest: In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Nazis und für Hass", so Wagner. Es sei hingegen "Platz für die, die Hilfe brauchen, und es ist unsere Aufgabe, ihnen Chancen zu schaffen". Wagner spricht eine konkrete Forderung zu den Elendslagern für Flüchtlinge etwa in Griechenland aus. "Die Zustände an den europäischen Außengrenzen beenden und die Lager vor Ort auflösen."

Um kurz nach 19 Uhr endet ihre Ansprache mit einem persönlichen Schlusswort. "Mein Name ist Magdalena Wagner, aber eigentlich nennen mich alle nur Lena." Noch vor fünf Jahren wäre ihr die Aufgabe "viel zu groß vorgekommen". Mit ihrem Engagement bei den Jusos, wo sie seit 2018 Bezirksvorsitzende in Oberbayern ist, "bin ich allerdings gewachsen". 30 Sekunden Beifall, ehe Ulla Dieckmann vom Kreisverband Erding Wagner in der Aussprache "eine tolle Bewerbungsrede" bescheinigt. Die Erdinger SPD-Mitglieder, so Dieckmann, "werden dich voll unterstützen". Georg Nagler, ebenfalls Kreisverband Erding, erklärte sich und die Mitglieder des Ortsvereins aus Moosinning als "beeindruckt" von der neuen Kandidatin. Gertrud Eichinger, auch eine Erdinger Delegierte, spricht von einer "bewegenden Rede".

Es ist ein Abend, an dem die SPD Erding und Ebersberg sich und ihre neue Hoffnungsträgerin feiert. Die Ebersberger Landtagsabgeordnete Doris Rauscher überreicht Wagner symbolisch für beide Landkreise zwei Blumensträuße, die sie zu einem fügen möge. Rauscher erklärt, dass sie in Wagner die richtige Frau für "kluge politische Ideen und Überzeugungskraft" sehe. Schließlich erinnert Rauscher an Ewald Schurer, der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Ebersberg, der 2017 kurz nach seiner Wiederwahl überraschend gestorben war. Die Delegierten gedenken ihm in einer Schweigeminute.

Schurer erreichte das Mandat stets über die bayerische Landesliste. Für Wagner und ihre Mitbewerber Christoph Lochmüller (Grüne), Marc Salih (FDP) und Charlotte Schmid (ÖDP) dürfte das der einzige Weg ins Parlament sein. Die Direktwahl von CSU-Mann Lenz dürfte derzeit als gesichert gelten. Um realistische Chancen zu haben, müsste Wagner auf der Liste unter den Top-14 stehen. "Das wird eher schwierig", sagt sie, nun da ihre Kandidatur feststeht. Von den 18 amtierenden SPD-Abgeordneten aus Bayern "werden zwar einige aufhören", so Wagner. Sie sehe dennoch Kollegen, die weiter vorne landen könnten. Nur soviel: "Ich werde mich nicht damit zufrieden geben, wenn man mich ganz nach hinten schiebt." Am 13. März wird die Landesliste aufgestellt. Sollte ihr der Einzug gelingen, wäre sie - Stand jetzt - auch im Bundestag die drittjüngste im Saal.

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SZ vom 15.02.2021/koei
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