Männertag in Grafing:"Männlichkeit heißt auch, eine Drag Queen sein zu können"

Männertag in Grafing: Ludwig Bitto vom Werbering Grafing ist einer der Organisatoren des Männertags.

Ludwig Bitto vom Werbering Grafing ist einer der Organisatoren des Männertags.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Werbering Grafing lädt ein zum dritten Männertag. Vorsitzender Ludwig Bitto spricht im Interview darüber, was die Besucher erwartet - und was es heute bedeutet, ein Mann zu sein.

Interview von Vera Koschinski, Grafing

Alles, was das Männerherz möglicherweise begehrt, ist am kommenden Samstag, 24. September, in der Grafinger Kirchenstraße geboten. Es ist nämlich wieder "Männertag", zum dritten Mal organisiert der Werbering Grafing dieses Event. Ludwig Bitto betreibt einen Friseursalon in Grafing und ist seit 2021 Vorsitzender des Werberings, der sich als Zusammenschluss verschiedener Unternehmen für den Handel in Grafing engagiert. Im Interview spricht Bitto darüber, wie es zu den Männertagen kam - und was es heute generell bedeutet, ein Mann zu sein.

SZ: Herr Bitto, was ist denn ein "Männertag"?

Ludwig Bitto: Alles, was Männer bewegt und interessiert, wird am "Männertag" auf der Grafinger Kirchenstraße zu finden sein. Ich versuche, mit dem Werbering ein Konzept zu erstellen, um die Gewerbevereine am Stadtleben teilhaben zu lassen und Bürger und Gewerbe aneinander heranzuführen. Dafür gebe ich ein Thema vor und suche nach verschieden Geschäftspartnern zur Umsetzung der Ideen. Es ist das Äquivalent zum "Damentag", nur dass am "Männertag" der Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Männer ausgerichtet ist. Wir haben ja auch ein Kinderprogramm, somit sind Familien ebenfalls willkommen, aber gerade Veranstaltungen wie den Bartwettbewerb würde ich als Interessenschwerpunkt der Männer kategorisieren.

Was erwartet die Besucher an diesem Tag?

Auf dem Programm stehen beispielsweise ein Bartwettbewerb, ein Steak-Tasting oder eine Brauereibesichtigung mitsamt verschiedener Köstlichkeiten zum Essen und Trinken, bei dem der EHC als Verein ausschenkt. Es kommen die Blackbirds aus Rosenheim, die Bartpflegeprodukte herstellen und der ostbayrische Bart- und Schnauzerclub. Es geht um die Dinge, die Männer allgemein interessieren. Wir bieten auch ein Workout-Programm vom Fitnessstudio "Body Investment Campus" an oder laden ein zur Ausstellungsbesichtigung eines Künstlers, der Kunstharztische selbst herstellt. Die Bärenapotheke vom Marktplatz bietet einen Gesundheitscheck speziell für Männer an und die Stadtkapelle musiziert.

Inwiefern müssen Sie das Geschlecht bei der Bedienung Ihrer Kunden berücksichtigen?

Ich glaube, dass in dieser Hinsicht Männer und Frauen sehr verschieden sind. Vor allem im Kaufverhalten, da ein Mann meistens pragmatischer ist. Wenn ein Mann drei Hosen braucht, dann kauft er zwei bis drei Hosen und vielleicht doch noch ein weiteres Oberteil. Wenn ich von Frauen höre, dass sie ein Oberteil brauchen, dann kommen sie mit zwei weiteren Hosen und noch einem Paar Schuhe nach Hause. Auch die Art des Bedienens ist dementsprechend eine andere. Aber trotzdem muss man bei der Gesprächsführung vor allem individuell auf die Kunden eingehen können.

Haben Sie das Gefühl, dass sich innerhalb der letzten Jahrzehnte auch vieles in der Bedienung verändert hat?

Ja, es hat sich auf jeden Fall vieles massiv verändert. Da muss man nur aus dem Fenster schauen. Im Gegensatz zu früher fokussieren sich Männer heute mehr auf sich selbst. Das Äußerliche ist ein viel größerer Faktor, der auch stärker zur Geltung kommt. Wir sind im Prozess der Etablierung einer gleichberechtigten Gesellschaft, wobei uns Widersprüche ständig begegnen. An den Vorzügen der Rollenbilder für das jeweils andere Geschlecht wird dennoch gern festgehalten. Das geht auch über die körperlichen Voraussetzungen hinaus.

Was heißt für Sie Männlichkeit?

In der heutigen Zeit ist Männlichkeit "softer". Früher waren das Tragen eines Dreitagebartes und eine hohe Stimme gegensätzliche Merkmale. In der heutigen Zeit sind die Menschen viel offener gegenüber geschlechterspezifischen Merkmalen, auch in Bezug auf die Sexualität. Vor allem das Internet trägt dazu bei. Heute kann man bestimmte Merkmale gar nicht mehr so einfach in eine Schublade stecken. Bärte sind heute modern, früher ging man Männern mit Bärten und Holzfällerhemd lieber aus dem Weg. Männlichkeit heißt auch, eine Drag Queen sein zu können. Das ist ja auch eine Art, seine Männlichkeit auszudrücken. Personen, die sich in ihrem Geschlecht nicht wohlfühlen, können sich umoperieren lassen, aber Drag Queens möchten das nicht. Sie haben sich somit eine neue Art erfunden, ihre Männlichkeit auszuleben. Männlichkeit festzulegen ist heute deshalb so schwierig, weil die Grenzen der Geschlechter viel verschwommener sind und man sich dem Gegenüber viel offener und toleranter zeigen muss. Das betrifft auch die typischen Rollenbilder von Frau und Mann, beispielsweise wenn es um die Erziehung der Kinder oder das Arbeiten geht. Als ich meine Ausbildung als Friseur begonnen habe, wurde ich auch in eine Klischeeschublade gesteckt. Mir hat damals jeder unterstellt, dass ich schwul sein müsste, weil Leute das einfach annahmen, dass jeder Mann, der eine Ausbildung zum Friseur macht, homosexuell sei. Das trifft auf mich nicht zu. Und auch in dieser Hinsicht sind die Menschen offener geworden.

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