Süddeutsche Zeitung

Longboards:Dreistigkeit siegt

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Viele Jugendliche und Erwachsene nutzen ihre Longboards auch auf der Straße. Ein Trend, der gefährlich ist, aber vor allem auch verboten. Dass bisher keine Unfälle passierten, liegt laut Polizei am umsichtigen Verhalten der Autofahrer

Von Jessica Morof, Ebersberg

Ein kurzer Blick über die linke Schulter; das nahende Auto scheint noch weit genug entfernt. Schnell stößt sich der junge Mann mit dem rechten Fuß zwei Mal vom Boden des Gehwegs ab, stellt sich dann mit beiden Beinen auf sein Board und springt athletisch über den Bordstein auf die Straße am Bahnhofsplatz, um Richtung Wasserburgerstraße zu zischen. Dabei zeigt er, dass er mehr kann, als sich auf vier Rollen nur fortzubewegen: Auf der viel befahrenen Straße vollführt er eine Drehung, einen zweiten Sprung, mehrere Schlenker. Dass das inzwischen nah herangekommene Auto seinetwegen stark abbremsen oder ein gefährliches Überholmanöver in Kauf nehmen muss, scheint den Sportler nicht zu interessieren. Dabei ist, was er tut, ein klares Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung.

Longboards liegen derzeit bei Jugendlichen wie Erwachsenen im Trend. Als Fortbewegungsmittel ebenso wie als Spaßgerät für Sprünge und Tricks. Allerdings gelten die langen Boards mit vier Rädern laut Straßenverkehrsordnung nicht als Verkehrsmittel, sondern lediglich als besondere Fortbewegungsmittel, beziehungsweise als Spiel- und Sportgeräte. Deshalb sind sie für den Straßenverkehr nicht zugelassen, heißt es in der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Landratsamt. Die Nutzer müssen sich wie Fußgänger verhalten, dürfen aber nicht die Fahrbahn benutzen. "Unfälle passieren Gott sei Dank nur selten", sagt Hermann Ziegler, zuständiger Sachbearbeiter. Meist handle es sich um Kleinunfälle auf dem Gehweg, nicht um schwerwiegende Verkehrsunfälle.

Dieser Erfahrung stimmt auch Dirk Anders, Sachbearbeiter Verkehr der Polizeiinspektion Ebersberg zu. Ein wirklicher Unfall im Verkehr sei in der Inspektion noch nicht gemeldet worden. Das liege aber vor allem an dem umsichtigen Verhalten der Autofahrer - weniger an der Fahrweise der Longboarder. "Es fällt uns jeden Tag auf, wir brauchen ja nur aus dem Fenster zu schauen", bestätigt der Beamte den Trend, mit dem Board auf der Straße zu fahren. Denn auf der Doktor-Wintrich-Straße und der Gärtnereistraße fahren viele Jugendliche auf dem Weg zur Realschule mit ihren Boards. Wenn sie dabei Autos blockieren, lassen letztere sich das gefallen. Denn: Wer würde schon auf sein Recht beharren und trotzdem weiterfahren? In Ordnung sei das Verhalten deswegen noch lange nicht, betont Anders. Es setze sich das falsche Verhalten gegenüber der Rechtmäßigkeit durch und es fehle an der Rücksichtnahme gegenüber anderen.

Natürlich würden die Kollegen immer wieder Schüler anhalten, aber die meisten führen am nächsten Tag einfach wieder mit ihren Boards zur Schule - auch wieder auf der Straße. "Da müsste man zu härteren Mitteln greifen", sagt Anders. Beispielsweise, das Board einzubehalten oder Bußgelder zu verteilen. Letzteres ist allerdings erst bei Jugendlichen ab 14 Jahren möglich, da sie erst dann schuldfähig sind. Und gleichzeitig gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Wenn ein Zwölfjähriger nicht belangt wird, bleibt es auch beim 14-Jährigen meist bei einer mündlichen Verwarnung.

Das Phänomen, mit Sportgeräten auf der Straße unterwegs zu sein, kennt Anders bereits zur Genüge. Früher war es das Skateboard, dann kamen die Inlineskates und die Kickboards; jetzt seien es eben die Longboards. In ein paar Jahren wären auch diese vermutlich wieder out und andere Trends kämen nach. Doch das eigentliche Problem liege vielmehr bei der liberalen Haltung der Eltern. Denn diese kaufen ihren Kindern die beliebten Sportgeräte und lassen dann zu, dass sie damit auf der Straße fahren, obwohl das nicht erlaubt ist. Gleiches gelte auch für Mountainbikes oder BMX-Räder, die nicht verkehrstauglich sind. Da helfe auch der Radunterricht in der vierten Klasse nicht auf lange Sicht.

In vielen Fällen sei es vielleicht auch Unwissenheit, was erlaubt ist und was nicht. Denn die wenigsten Verkäufer würden über die Sicherheits- oder Rechtslage aufklären, ist Anders überzeugt. Das Fahren auf der Straße ist jedenfalls tabu. Und wer dazu auch noch Tricks vollführt - ohne Rücksicht auf motorisierte Fahrzeuge -, der kann eben nur hoffen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoll und vor allem aufmerksam sind. Denn: Bei einem Zusammenstoß zwischen Longboarder und Auto hat einer von beiden das deutliche Nachsehen. Rechtlich, aber insbesondere auch physisch.

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Quelle:
SZ vom 22.06.2016
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