Lokaler Einzelhandel:"Jammern holt die Leute auch nicht zurück"

Viele Geschäfte in Ebersberg leiden unter der Konkurrenz von Onlinehändlern. Einige setzen auf gut laufende Web-Shops - was die Frage aufwirft, wie zeitgemäß große Schaufensterläden noch sind

Von Clara Lipkowski, Ebersberg

Wie der Onlinehandel die Ebersberger Geschäfte prägt, zeigt sich am besten im Spielzeuggeschäft "Drachenstube" an der Eberhardstraße. Zwischen Holzfiguren, Kuscheltieren und Babykleidung stapeln sich Pappkartons, zugeklebt und fertig zum Versand. Inhaberin Petra Behounek ist in den Onlinehandel eingestiegen. Aus einem einzigen Grund: "Damit kann ich meinen Laden halten", sagt sie. Behounek verkauft damit auch über die Grenzen Ebersbergs hinweg, inzwischen macht dieser Verkauf 25 Prozent ihres Umsatzes aus, im Dezember lag der Anteil sogar bei 50 Prozent. Gerade am ersten Adventswochenende seien online so viele Bestellungen reingekommen, wie noch nie, sagt sie. Da überlege sie schon, ob es so ein großes Geschäft mit Schaufenstern noch braucht.

Wie sich der Onlinehandel auf ihr Geschäft auswirkt, zeigt sich am Beispiel mit dem Spielzeug-Pferdehof. Ewig hatte sie ihn im Schaufenster stehen, aber nie kam einer und kaufte ihn. Dann bot sie ihn im Internet an; gleich gingen fünf davon weg. Und plötzlich standen die Leute im Laden und wunderten sich, dass er ausverkauft war. Doch Behounek hat keine zwei Lager. Geht eine Bestellung im Internetshop ein, sucht sie die Ware aus dem Sortiment und legt sie zur Seite.

Einzelhandel versus Internethandel

Buchhändler Sebastian Otter hat den Onlinehandel bei seiner Ladeneröffnung 2004 gleich mitgedacht. Heute macht der Verkauf über das Internet etwa acht Prozent seines Gesamtumsatzes aus.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Geschäft auf der anderen Straßenseite winkt Marion Schug ab, wenn sie "eigener Onlineshop" hört. Der Eckladen bietet Damenmode gängiger Marken an, im Netz sind die Waren über Schug aber nicht mehr zu haben. Ihren virtuellen Shop zu aktualisieren und mit Bildergalerien zu pflegen, sei zu aufwendig gewesen, sagt sie. Zwar habe Amazon auch schon angefragt, aber das Angebot war unattraktiv: "Zweistellige Prozentzahlen Provision" habe der Milliardenkonzern verlangt, "da bleibt ja für uns nichts übrig". Das bedeutet auch, dass Kunden, wenn es mal einen Pullover bei Schug nicht in der richtigen Größe gibt, ihn woanders bestellen. Einzelbestellungen kann der Laden nicht anbieten, da machen die Lieferanten nicht mit: "Wir können meist nicht eine Größe einmal nachbestellen, sondern müssen dann acht oder zehn nehmen. Das ist uns aber zu viel."

Ob sie alarmiert ist, angesichts der übermächtigen Konkurrenz, die versandkostenfreie Bestellungen und Gratisrücksendungen anbietet und das Konsumverhalten der Menschen umkrempelt? Sie zuckt mit den Schultern. "Wir leben im 21. Jahrhundert, vieles ändert sich." Für Läden wie ihren sei nicht nur das Internet ausschlaggebend, es komme auch auf die Entwicklung der Innenstadt an, ob es noch andere Läden gebe, ob die S-Bahn regelmäßig fahre und der Ort attraktiv zum Leben sei. Die Existenzberechtigung ihres Ladens sieht sie in der Wohlfühlatmosphäre, dem "Tête-à-tête" mit den Kundinnen. Sie serviert Cappuccino und fragt, wie das Vorstellungsgespräch oder der Urlaub war.

Einzelhandel versus Internethandel

Wenn Kunden bei Petra Behounek online Spielzeug bestellen, sucht sie es aus dem Sortiment. Etwa 50 Prozent des Umsatzes generiert sie zurzeit online.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Konkurrenz bekommen die kleinen Inhaber-geführten Läden in Ebersberg auch von großen Ketten - zum Beispiel einer Drogerie oder einem Schuhgeschäft. Die Spielwarenhändlerin Behounek ärgert das, neben dem Internet habe sie auch noch das Einkaufszentrum "im Nacken". Was die Kunden dort oder online nicht bekämen, verlangten sie dann bei ihr, getreu dem Motto, bei der Fachhändlerin müsse es das doch vorrätig geben.

"Pappenheimer", die ihre Produkte fotografieren und dann doch im Netz kaufen, seien auch ein Problem. Sie damit zu konfrontieren, dass das ihrem Laden schade, wie es nun eine Münchner Buchhändlerin mit Fotoverbotsschildern macht, das will Behounek aber nicht. "In München, wo es anonymer ist, geht das vielleicht, aber nicht im kleinen Ebersberg." Auch die Modeverkäuferin Schug ist dagegen: "Wir wollen unsere Kunden nicht maßregeln." Dem Buchhändler Sebastian Otter wäre so ein Verkäufer "unsympathisch". Davon, seine Fenster zu verhüllen, wie es Einzelhändler am ersten Adventssamstag in Fürth getan haben, hält er nichts. "Ja, die Verödung von Innenstädten ist ein Problem, aber nach außen zu jammern, holt uns die Leute auch nicht zurück."

Die "Konkurrenz Internet" nimmt er gelassen, alles, was er nicht im Laden hat, könne er schnell besorgen und das wüssten die Kunden. Otter hat aber auch gegenüber anderen Geschäften einen Vorteil: die Buchpreisbindung. Literatur im Neuzustand kostet im Internet und im Laden gleich viel. Und er profitiert davon, dass das Buch nach wie vor das Geschenk Nummer eins ist. Online präsent ist er, seit er 2004 seinen Laden eröffnete. Inzwischen macht er acht Prozent Umsatz mit seinem Internetshop. Aber ähnlich wie Schug, fokussiert er sich auf die Persönlichkeit des Ladens. Das Sortiment soll ansprechend aussehen und wer will, kriegt persönliche Empfehlungen vom Experten. Auch die Spielwarenhändlerin Behounek will bei diesem Konzept bleiben, denn unter dem Jahr sänken die Zahlen im Onlineverkauf, sagt sie, das spreche für den Laden.

Der Juwelier Andreas Tarpay in der Valtortagasse wundert sich oft über Internetkaufsünden seiner Kunden. Einem Paar, das Eheringe bestellt und erst zu Hause merkt, dass sie nicht passen, verkauft er dann eben die richtigen. Das Anprobieren und Anfassen der Ware sei eben doch wichtig, sagt er. Durch den Onlinehandel repariert er jetzt öfter online gekaufte Fremdware - eine Serviceleistung, die ihm Geld bringt. Von Juwelieren, die von der virtuellen Konkurrenz in den Ruin getrieben wurden, wisse er nicht, sagt Tarpay, anders als Marion Schug, die aber keine Namen nennt. Selbst einsteigen in den digitalen Handel, will Tarpay vorerst nicht. "Bei Schmuck kann schnell etwas zerkratzen, das macht die Rückgabe schwierig." Er lockt Kunden lieber ganz analog mit Rabattaktionen.

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