Lesung in Ebersberg:Er "hätte mich sonst längst verklagt"

Andreas Föhr Autor

Krimiautor Andreas Föhr schreibt gerne über seine Heimat, den Tegernsee. Heute lebt er bei Wasserburg.

(Foto: Jana Kay/oh)

Die Krimis von Andreas Föhr bestechen durch einen gelungenen Mix aus Authentizität und dichterischer Freiheit. Auch eine Kneipe hat er erfunden - um sich Ärger mit dem Wirt zu ersparen.

Interview von Michaela Pelz

Krimifans lieben Gegensätze und ungleiche Ermittlerpaare. Wie die beiden Endvierziger der Kripo Miesbach "Wallner und Kreuthner", die Jurist und Schriftsteller Andreas Föhr in "Unterm Schinder" zum nunmehr neunten Mal auf Verbrecherjagd schickt. Der ebenso wendungsreiche wie humorvolle Roman landete nach Erscheinen im Juni direkt in den Top Ten der Spiegel-Bestsellerliste. Der Fund einer toten Witwe in einer Kühltruhe schlägt hier den Bogen zu gleich zwei Fällen aus der Vergangenheit, außerdem erwacht ein München wieder zum Leben, in dem halbseidene Autohändler, skrupellose Kredithaie und zum Äußersten bereite Zocker mit Zehntausenden von Mark jonglieren.

SZ: Herr Föhr, gleich zu Anfang von "Unterm Schinder" läuft eine fingierte Verbrecherjagd völlig aus dem Ruder. Im Zentrum: Polizeiobermeister Kreuthner. Nicht das erste Mal, dass "Leichen-Leo" sich in die Bredouille bringt.

Ja, er macht all die Dinge, die ich mich nicht zu tun traue (lacht).

Eine Art Alter Ego also?

In gewisser Weise ja. Man könnte sagen, er ist das schwarze Spiegelbild meiner Seele, während Wallner meinem wahren Charakter näherkommt. Kreuthner hat, was mir völlig abgeht: diese unglaubliche Chuzpe, sich aus Situationen herauszuwinden, zu lügen, und Dinge zu tun, die sich sonst keiner trauen würde. Das macht ihn kantig und auch für viele sympathisch.

Ist er absichtlich so angelegt?

Nein. Kreuthner war eigentlich gar nicht von Anfang an da. Ich brauchte im ersten Roman nur eine Figur, die die Leiche findet. Also habe ich mir überlegt, einen Polizisten zu nehmen, den kann man vielleicht hinterher nochmal gebrauchen. Dann hat er sich verselbständigt und so viele interessante Features entwickelt, dass er zum zweiten Protagonisten wurde. Er ist der, der die größte Entwicklung durchgemacht hat: War er anfangs ungeschickt und ein bisschen tölpelig, macht er inzwischen keine dummen Sachen mehr. Er ist alles andere als blöd, eher ein Draufgänger, der nicht über die Konsequenzen nachdenkt.

Obwohl sie sich so lange kennen und hundertprozentig aufeinander verlassen können, sind Kreuthner und Wallner aber keine besten Kumpel ...

Es ist eher eine über die Jahre entstandene Arbeitsfreundschaft. Die beiden haben schon viel miteinander durchgemacht - auch im aktuellen Buch wird es für beide lebensgefährlich. Das schweißt zusammen. Aber nach dem Dienst zusammen ein Bier trinken gehen würden sie nicht.

Also nicht gemeinsam in einer Spelunke wie der "Mangfallmühle" abhängen ...

Wallner hängt in gar keiner Kneipe ab (lacht), und wenn, dann ganz bestimmt nicht in der Mangfallmühle!

Gibt es die denn wirklich?

Wenn es sie gäbe, hätte mich der Besitzer schon längst verklagt (lacht). Auch sowas wie den Schrottplatz wird es im Mangfalltal nie geben - das ist Wasserschutzgebiet. Ich fand den aber als Ort sehr gut. Das ist meine dichterische Freiheit, die brauche ich. Was hingegen allseits bekannte Dinge wie das "Bräustüberl" oder die Landschaft, im aktuellen Roman also den namensgebenden Berg "Schinder", anbetrifft - das muss alles stimmen.

Wie kam es zu diesem Setting?

Ich habe am Tegernsee meine gesamte Schulzeit verbracht, das ist für mich Heimat. Bevor ich eine Gegend nehme, die ich nur aus dem Reiseführer kenne, siedle ich meine Romane lieber dort an. Man hat so viele Bilder und Anregungen im Kopf.

Sie kennen sich aber auch in München aus, wo Sie lange gelebt haben.

Natürlich hätte ich auch die Großstadt nehmen können, ich wollte meine Geschichten aber bewusst am Land spielen lassen. So eine kleine geschlossene Gesellschaft, wo zwar nicht jeder jeden kennt, aber doch immer irgendwas von irgendwem weiß, hat ihren Reiz.

Wie wäre es dann mal mit einer neuen Reihe, angesiedelt vielleicht zwischen dem Wasserburger Umland, Ihrem aktuellen Wohnort, und Ebersberg?

Das wird nicht stattfinden. Denn als Zugezogener halte ich mich nicht für befugt, über die Wasserburger Gegend und ihre Bewohner zu schreiben. Am Tegernsee bin ich aufgewachsen, und auch wenn ich schon länger nicht mehr da lebe, schreibe ich doch über meine Heimat und habe das Gefühl dazuzugehören. Das ist eben der Unterschied zwischen Heimat und Wahlheimat.

Das Lokalkolorit schlägt sich auch in der Sprache nieder. Es wird bairisch gesprochen.

Ich deute das aber nur an - Texte in phonetischem Bairisch sind selbst für Einheimische schwer leserlich. Allerdings sind bestimmte Formulierungen und der Satzbau so authentisch, dass jemand, der dort wohnt, es auf jeden Fall wiedererkennt.

Wie sieht es mit einer Verfilmung aus?

Es sind immer mal wieder Produzenten dran und versuchen, den Stoff einem Sender zu verkaufen, aber irgendwie soll's nicht sein.

Jedenfalls sind Ihre Bücher extrem beliebt, erkennbar nicht nur an der Platzierung in der Spiegel-Bestsellerliste. Im März hat Fußballer Thomas Müller verkündet, dass er Föhr lese. Zehnkämpfer Niklas Kaul tat 2020 dasselbe...

Und die Skirennläuferin Viktoria Rebensburg sagte mal am Flughafen, auf dem Weg zu Olympia, einen meiner Romane dabeizuhaben. Klar, das freut einen schon, wenn man sieht, dass man als Autor auch von Prominenten registriert wird.

Wie sieht die Interaktion mit den Fans sonst aus?

Ich bin ganz, ganz schlecht, was Social Media anbelangt. Ich habe zum Beispiel früher nie fotografiert, es gibt praktisch keine Fotos von Urlauben, das ist ja aber eine der Grundvoraussetzungen. Mittlerweile bin ich zwar bei Instagram, habe auch Follower, aber noch nie etwas gepostet. Das tue ich bisher nur über Facebook. Manchmal schreiben die Leute auch an den Verlag. Und natürlich gibt es den Austausch bei Lesungen. Keine vertieften Gespräche, aber viele positive Rückmeldungen.

Stichwort Lesung: Was ist in Ebersberg zu erwarten?

Jede Menge Spaß (lacht). Hauptsächlich werde ich aus Kapiteln lesen, in denen Kreuthner irgendwelchen Unsinn macht. Dann gibt es natürlich eine Fragerunde, und ich werde signieren.

Eine letzte Frage: Im Buch geht es auch um Poker - sind Sie ein Zocker?

Nein. Dazu habe ich nicht die Nerven, ich bin für meine Mitspieler wie ein offenes Buch. Grundsätzlich finde es aber sehr faszinierend, habe auch früher öfter mal im Fernsehen Pokerrunden mit Stefan Raab angeschaut. Dabei stand eher Texas Holdem im Mittelpunkt, in der Rückblende in meinem Roman wird ja klassisch Poker mit Karten kaufen gespielt.

Die Szene ist ziemlich aufregend...

Natürlich, denn da geht es ja wirklich um richtig viel und Gewinnen ist existenziell. Dieses Setting ist übrigens gar nicht so unrealistisch. In den frühen 80er, 90er Jahren gab es diese Häuser in den Vorstädten, da wurde erst ein Rundruf gestartet, dann fanden sich Leute aus ganz Deutschland in einem Obermenzinger Einfamilienhaus zusammen und spielten um echt hohe Beträge. Das weiß ich von Leuten, die sich da deutlich besser auskennen als ich.

Andreas Föhr liest "Unterm Schinder" am Freitag, 29. Oktober, um 19.30 Uhr im Kleinen Bürgersaal, Klosterbauhof Ebersberg, der Eintritt kostet acht Euro. Karten gibt es in der Stadtbücherei, es gelten die 3-G-Regeln.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: