Lesepatenschaft in Ebersberg:Lebenslanger Lesespaß

Lesepaten investieren in die Zukunft. Denn die Kinder, die an der Volksschule zusammen mit einem ehrenamtlichen Paten das Lesen üben, werden ihr ganzes Leben lang davon profitieren.

Rita Baedeker

Wer etwas Schönes unternimmt, dem vergeht die Zeit wie im Flug. Pflichttermine hingegen, etwa der Schulunterricht, ziehen sich bisweilen im Kriechtempo dahin. Für denjenigen aber, der gerade etwas Spannendes sieht oder liest, bleibt die Zeit für eine Weile stehen.

Lesepatenschaft in Ebersberg: Die Ebersberger Lesepaten und "ihre" Kinder (von links): Emre, Tom, Benedikt, Darline, Initiatorin Katharina Gstettenbauer, Janis und (stehend) Hans Vollhardt.

Die Ebersberger Lesepaten und "ihre" Kinder (von links): Emre, Tom, Benedikt, Darline, Initiatorin Katharina Gstettenbauer, Janis und (stehend) Hans Vollhardt.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In dem Kinderbuch "Die unheimliche Kuckucksuhr" wird die Zeit sogar zurückgedreht. Janis und Emre, zwölf Jahre alt, und Tom, 13, lesen die Geschichte aus dem beliebten Kinderbuch in Abschnitten laut vor. Lang wird ihnen die Zeit dabei offenbar nicht. Konzentriert schauen sie auf die bedruckten Seiten, bemühen sich, die Sätze richtig zu betonen und deutlich zu artikulieren.

Die drei Buben aus der 6. Klasse der Volksschule Ebersberg sind dabei nicht auf sich allein gestellt, sie müssen sich auch nicht in der Klasse vor allen Mitschülern und der Lehrerin beweisen, sondern sitzen, zusammen mit ihrem Lesepaten, dem ehemaligen Landrat Hans Vollhardt, in einem Lehrerzimmer. Auf dem Tisch stehen Schokotäfelchen, die Atmosphäre ist entspannt.

Lesepaten sind ehrenamtliche Persönlichkeiten, die in die Schule kommen und sich mit einer Gruppe von drei bis vier Kindern sowie passender Lektüre zusammensetzen, den Text erarbeiten, Fragen besprechen, schwierige Wörter erklären, Tipps zur Betonung geben, und ansonsten für eine zwanglose Stimmung sorgen, in der es weder Noten noch Ermahnungen oder Einträge ins Klassenbuch gibt.

Am liebsten, so erklären alle drei unisono, lesen sie zwar Fußballbücher, aber das alle zwei Wochen stattfindende literarische Trio mit Vollhardt wollen sie nicht missen. Emre hat das Buch von der Kuckucksuhr schon zum letzten Geburtstag bekommen. Tom findet die Lektüre entspannender als Unterricht. Ungebräuchliche Begriffe bekommen die Schüler erklärt. Etwa solche Ungetüme wie "Ilsebill" und "Enzyklopädie".

Lesen, das bestreitet heute niemand mehr, gilt als Kernkompetenz jeder Bildung, egal ob einer Schreiner, Friseurin, IT-Spezialist oder Politiker wird. Lesen ist Leben. Und je leichter man sich damit tut, desto besser.

Aus diesem Grund engagiert sich Initiatorin Katharina Gstettenbauer, selbst eine Leseratte, für die Leseförderung. Als sie vom Lesepaten-Projekt an der Münchner Canisius-Schule hörte, beschloss sie, so etwas auch in Ebersberg zu etablieren und sprach einfach viele Bekannte an. Nach dem gelungenen Probelauf im Sommer vergangenen Jahres sind derzeit 28 Lesepaten und -patinnen im Zweiwochen-Rhythmus für die Dritt- und Sechstklässler im Einsatz, darunter die Hausfrau Anke Katzmarzyk, und der Rentner Rudolf Welzmüller.

Gstettenbauer hat selbst einen Enkel an der Schule und ist, so wie auch Angelika Berngerer, im Förderverein aktiv, der das Projekt finanziell und ideell unterstützt. In Rektor Alexander Bär und Konrektorin Margaret Careddu-Bayr hat die Initiative zwei starke Säulen.

Zweimal jährlich organisiert Careddu-Bayr für die Paten, unter denen sich jüngere wie ältere Bürger befinden, Fortbildungen und bietet Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Vor allem die persönliche Beziehung zwischen den Erwachsenen und den Kindern ist es, die motiviert. "Ich hatte zu Beginn ziemliche Manschetten", sagt Hans Vollhardt, "aber zwischen den Kindern und mir ist eine echte persönliche Beziehung entstanden." Auch für ihn sei das sehr bereichernd.

Die Teilnahme ist freiwillig. Etwa 150 Kinder der Schule machen mit, die anderen haben während dieser Zeit normalen Unterricht. Überraschenderweise, so Careddu-Bayr, sei das Interesse der Jungen und Mädchen am Lesen in etwa gleich groß. Erste Erfolge seien bereits spürbar: Lautes Lesen stärke das Selbstbewusstsein der Kinder, Schüler mit Migrationshintergrund profitierten deutlich von dem Projekt. Das Schönste aber, so Gstettenbauer, ist die Freude am Lesen. "Sie währt ein ganzes Leben."

Weitere Lesepaten sind willkommen. Infos bei Katharina Gstettenbauer, Telefon 08092/2889 und gstettenbauer@bayern-mail.de

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