Leihen und tauschen:Der Book-Swap von Poing

Leihen und tauschen: Zwei Jahre lang hat Christine Bloch fast jeden Tag im Literaturhaus nach dem Rechten gesehen, jetzt kümmert sich ein neues Team darum.

Zwei Jahre lang hat Christine Bloch fast jeden Tag im Literaturhaus nach dem Rechten gesehen, jetzt kümmert sich ein neues Team darum.

(Foto: Christian Endt)

Im Literaturhaus kann jeder Bücher nehmen und geben. Da kommt sogar der Bürgermeister

Von Barbara Mooser, Poing

Sie kann einfach nicht anders. Kaum hat sie die Tür zu dem weißgestrichenen kleinen Häuschen geöffnet, schweift ihr Blick umher. Zielstrebig greift sie sich einen schmalen Band und stellt ihn eine Reihe höher, nimmt die neuen Bücher ins Visier, die unter dem Fenster abgestellt worden sind. "Eigentlich geht mich das jetzt ja nichts mehr an. Aber es war eben doch so viel Herzblut dabei", sagt Christine Bloch und lacht entschuldigend. Zwei Jahre lang hat sie sich federführend um das Literaturhaus auf dem Poinger Marktplatz gekümmert, jetzt hat sie diese Aufgabe abgegeben. "Ich muss kürzer treten, aus privaten Gründen", sagt sie. Neben ihrem Beruf als Erzieherin hat sie ohnehin noch genügend Ehrenämter, sie ist unter anderem Tafel-Chefin in Poing und für die SPD im Gemeinderat vertreten.

Das winzige Literaturhaus, das zwischen den Marktbuden stolz mit diesem großen Namen und einem fröhlichen Bücherwurm, der sich über die Tür schlängelt, auf sich aufmerksam macht, wurde im Herbst 2014 anlässlich der "Langen Nacht der Literatur" eröffnet. Und es hat sich als großer Erfolg erwiesen. Die Idee: Jeder kann Bücher mitnehmen, das kostet nichts, und ob man sie später wiederbringt, kann jeder selbst entscheiden. Bestückt werden die Regale ebenfalls von den Poingern, wer Bücher aussortiert, kann sie hier vorbeibringen, damit auch noch andere ihre Freude daran haben.

Es gibt Reiseliteratur, Ratgeber und Kochbücher, zudem auch Werke über die Eisenbahn oder Weihnachten

Immer wieder montags zeigt sich besonders eindrucksvoll, dass das die Poinger für eine gute Idee halten. "Montags ist Chaostag", sagt Christine Bloch. Denn am Wochenende haben die Leute Zeit, ihre Bestände zu lichten oder auch beispielsweise bei Haushaltsauflösungen das Vorhandene durchzusehen. Was dann in den Kisten mit den Neuzugängen landet, ist höchst unterschiedlich. "Da ist auch viel alter Schlonz dabei", sagt sie. Simmel und Konsalik etwa landen zuverlässig immer wieder im Literaturhaus - bloß die Leser reißen sich nicht gerade darum. Ebenso wenig wie um die "Readers Digest"-Auswahlbände mit ihren Kunstledereinbänden. Eine Weile bekommen die Regalhüter Bewährungsfrist, dann werden sie aussortiert und weitergegeben. Einmal, so erinnert sich Christine Bloch, wollte sie ein paar alte Wälzer aus dem Haus entfernen, als sie ein etwa 14-jähriges Mädchen daran hinderte: "Sie sagte, die alten Bücher riechen so gut", erzählt Christine Bloch. Hochwertige Klassiker werden niemals aussortiert, auch schöne Bildbände dürfen lange bleiben.

Am besten geht aber, da ist 58-Jährige ganz ehrlich, Trivialliteratur: "Viele Leute kommen rein und sagen, sie brauchen jetzt Lesestoff für die S-Bahn." Doch es gibt auch Stammkunden, die nach etwas ganz Speziellem suchen: Ein eher schüchterner Herr scanne die Regale regelrecht, um Literatur über Züge und Loks zu finden, erzählt sie. Ein anderer kommt in der Hoffnung, schöne Bände im Kleinformat zu entdecken. Und wieder ein anderer sei ganz glücklich, wenn er weihnachtliche Literatur mit nach Hause nehmen könne - für die Gestaltung der vereinseigenen Weihnachtsfeier. Doch auch Reiseliteratur, Ratgeber und Kochbücher sowie fremdsprachige Literatur ist in den Regalen zu finden. Ein paar Kinderbücher gibt es ebenfalls immer, leider aber wenige und eher betagte Ausgaben, bedauert Bloch.

Offen steht das Literaturhaus durchgehend, Christine Bloch hat bisher fast jeden Tag nach dem Rechten gesehen. Künftig wird sich ein Team aus mehreren Leuten darum kümmern, ein Aufruf im Gemeindeblatt hat schnell gefruchtet. Übrigens: Auch Bürgermeister Albert Hingerl schaut gelegentlich vorbei, er freut sich über den Erfolg und darüber, dass das Haus und sein Inhalt im Großen und Ganzen gut behandelt werden: "Wenn Leute etwas akzeptieren und schätzen, dann schützen sie es auch."

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