Süddeutsche Zeitung

Lebensraum Terrarium:Exotengesellschaft

Im Landkreis Ebersberg werden jede Menge Tiere gehalten, die unter die Bundesartenschutzverordnung fallen. Sie müssen beim Landratsamt registriert und genehmigt sein. Eine angemessene Unterbringung kann dennoch nicht immer sicher gestellt werden

Von Konstantin Schätz

Ganz still sitzen sie da. Die Kombination aus den tiefschwarzen Augen und dem strahlenden Gelb ihrer Haut erinnert an die Farben eines Postautos. Pfeilgiftfrösche sind klein. Sie sind nicht einmal so groß wie ein Teebeutel. Dennoch fällt der Blick sofort auf ihre leuchtende Haut, wenn man in das Terrarium blickt. "Das sind die Phyllobathes Terribilis", erklärt Alexander Röck und öffnet die Scheibe. "Sie sind die giftigsten Frösche der Welt. Ihr Gift kann normalerweise bis zu zehn Menschen töten." Normalerweise. Denn nur wenn sie das "Richtige" zu fressen bekämen, bilde sich das giftige Sekret, erklärt er. Es lege sich dann über die Haut der Tiere wie ein tödlicher Panzer. "Meine Frösche sind völlig ungefährlich", verspricht Röck.

50 Frösche - die meisten davon Pfeilgiftfrösche in verschiedenen Farben - ein paar Gottesanbeterinnen, zwei Chamäleons und ein Aquarium mit Fischen. Der kleine Zoo von Alexander Röck in Eglharting lässt erahnen, was sich in manchen Häusern im Landkreis Ebersberg verbirgt. Schildkröten, Schlangen, Vogelspinnen, Geckos und Eulen. Einige von ihnen mit außergewöhnlichen Namen. Dass es sich bei einer Gelbwangenamazone um einen Papagei, bei einem Bauchflecken-Baumsteiger um einen Frosch und bei einer Gouldamadine um einen australischen Fink handelt, werden nur leidenschaftliche Exoten-Fans wissen.

Von 1083 exotischen Tieren geht das Landratsamt in Ebersberg aus. Die Zahl sei allerdings nur bedingt aussagekräftig, erklärt die Pressereferentin des Landratsamts Evelyn Schwaiger. "Nicht alle Halter informieren uns, wenn beispielsweise ein Tier gestorben ist." Das sollte aber eigentlich geschehen. Unabhängig davon, ob man sich ein neues Tier in der Zoohandlung kauft, sich die Tiere fortpflanzen oder ob eines der Lebewesen stirbt, alles muss dem Landratsamt gemeldet werden. "Es gibt einen sogenannten Herkunftsnachweis", erklärt Alexander Röck. "Das ist quasi wie ein Personalausweis." Damit werde dokumentiert, wo sich das Tier gerade befindet.

Der Reiz des Hobbys liege aber nicht nur in der ungewöhnlichen Haus-Gesellschaft, sondern auch im sozialen Austausch mit anderen Haltern: "Es gibt sogar einen Froschstammtisch", erzählt der 25-Jährige. Er hat Spaß daran, sich mit anderen Pfeilgiftfrosch-Liebhabern auszutauschen: "Man hilft sich gegenseitig. Wenn man zum Beispiel ein gutes Fruchtfliegen-Rezept hat, dann gibt man das weiter." Mehrere Stunden investiere er täglich in seine Tiere und die Zucht der Fruchtfliegen - das Futter der Frösche, erzählt Röck. "Man muss aber irgendwann wissen, wann Schluss ist."

Nicht jeder ist um eine artgerechte Haltung bemüht. Ein berühmtes Beispiel dafür konnte man im Sommer 2008 sehen. Eine Amtstierärztin vom Ebersberger Veterinäramt hatte in einem Wohnhaus an der Wolfsschlucht zahlreiche exotische Tiere gefunden. Den Tieren sei erhebliches Leid durch die Haltung zugefügt worden, hieß es vor Gericht. 162 Reptilien, darunter Giftschlangen, 111 Säugetiere, von Mäusen bis zu Affen, 21 Vögel sowie Hunderte teils giftige Spinnen wurden bei dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin gefunden. Zwölf Personen waren zwei Tage lang damit beschäftigt, den Privatzoo aufzulösen, den sich die Angeklagten angeblich zu Forschungszwecken angeschafft hatten.

Das Halten von exotischen Tieren wird von vielen Menschen kritisiert. Im Jahr 2014 setzte sich der Bundestag mit einer Petition auseinander, die ein "Verbot der Haltung exotischer Tiere als Haustiere" forderte. Insgesamt 722 Menschen hatten die Petition unterschrieben. Der Deutsche Bundestag entschied sich gegen das Verbot. Der Petitionsausschuss argumentierte, dass Einfuhr, Handel und Haltung von Tieren durch artenschutzrechtliche Vorschriften geschützt seien. Auch die Haltungsgrundsätze seien im Tierschutzgesetz festgelegt. "Bei Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften können exotische Tiere auch von Privatpersonen in tierschutzgerechter Weise gehalten werden", so die Erklärung des Petitionsausschusses.

Vorsichtig streckt Alexander Röck seine Hand in das größte seiner Terrarien im Keller. "Ich nenne ihn liebevoll Jabba the Hutt", sagt er und lacht. Es ist ein Korallenfingerlaubfrosch. Durch die runden Augen, die platte Nase und den faltigen Hals erinnert der Frosch an die Figur aus der Science-Fiction-Saga "Star Wars". Auch die Bewegungen lassen sofort an den gemächlichen Schurken denken. Entspannt macht er es sich auf der Hand des 25-Jährigen gemütlich und starrt ins Leere. Um Gefahren scheint sich der Frosch keine Gedanken zu machen. In seinem Terrarium hat er ja auch keine zu befürchten. Denn hier ist er der Herrscher über die Pflanzen. Feinde wie Echsen, Schlangen oder gar Jedi-Ritter, die ihm an den Kragen wollen, hat er hier keine.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2018
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