Drüben in der Hauptstraße wird gearbeitet, Breitbandausbau. Baumaschinen dröhnen und knattern den lieben langen Tag, verbreiten einen infernalischen Lärm. Zum Glück. So hört man den Laubbläser von schräg gegenüber nicht. Wenigstens jetzt im Moment nicht. Scheinbar wird er im Auftrag einer Hausmeisterfirma betrieben, die rund ums Jahr für porentiefe Sauberkeit auf den Wegen am Gebäude sorgen soll, jedes Blättchen beseitigen, kaum, dass es den Weg zu Boden gefunden hat.
Doch warum das alles? Da zieht man in eine Gegend, die vor einigen Jahrzehnten noch Wald war, freut sich über die mächtigen Bäume, die das unentwegte Vorrücken der menschlichen Zivilisation überlebt haben, schwadroniert von der Schönheit der Natur "draußen", jenseits der Stadtgrenzen, dem Benefit für Körper und Seele - und dann das. Der Laubbläser. Das brüllende Blasmonster von schräg gegenüber ist ja nicht das einzige, das in diesen Tagen aus der Garage geholt wird, es gibt viele von ihnen, sie sind - Ironie der Sprache - wie Unkraut.
Nicht nur, dass sie Wolken aus Kohlenmonoxid und Stickstoff ausstoßen, Schimmelpilze zusammen mit dem Laub nach oben wirbeln und dazu noch Pollen, die allzu gerne auch im Herbst ihren Weg in menschliche Lungen finden. Nein, die motorisierten Nervensägen pusten und saugen auf Presslufthammerniveau mit über 100 Dezibel - der Lärm neben der A94 ist ein Dreck dagegen. Jedem, der nicht so einen schönen Ohrenschutz trägt, wie es der weise Laubbläserbenutzer tut, malträtieren sie das Trommelfell, egal ob Mensch oder Tier. Und sie sind überdies einfach eine Natur-Katastrophe.
Sie zerstören natürliche Lebensräume, die von Regenwürmern, Asseln, Springschwänzen und Milben jedenfalls, wie der Bund Naturschutz immer wieder warnt. "Ist nicht schade um das greislige Krabbelzeug", mag manch einer sagen, aber mit den hässlichen Asseln und Milben verschwinden auch die hübschen Schmetterlinge und die possierlichen Meisen, die sich unter anderem von dem Kleinvieh ernähren. Der Boden verliert die kleinen Helfer, die Laub und Pflanzenreste in Humus verwandeln, Vögel und Igel ihre Nahrung und letztere, ebenso wie Spitzmäuse oder Kröten die Möglichkeit, unter einem Laubhaufen in einer Ecke zu überwintern.
Und das alles nur weil, ja, warum eigentlich? Weil es zu anstrengend ist, einfach mal den Rechen in die Hand zu nehmen? Die ein oder andere teure Einheit im Fitness-Studio könnte man so ersetzen. Oder liegt hinter dem klinisch sauberen winterfest gemachten Garten irgendein höherer Sinn? Beim nächsten Sturmtief fallen doch schon wieder die nächsten Blätter auf den Rasen.
Wie ärgerlich. Schnell den Laubbläser angeworfen.