Langsam zum schnellen Internet:Schadensbegrenzung

Glasfaserausbau Zorneding

Bei diesen Kabelsträngen, die auf einer Wiese nördlich der Lindenstraße liegen, herrscht ein ähnliches Durcheinander wie beim Zornedinger Glasfaserausbau im Allgemeinen. Die Kundenberater haben deshalb alle Hände voll zu tun, um die aufgebrachten Bürger zu beruhigen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach einigen Verzögerungen befindet sich der Glasfaserausbau in Zorneding nun im Endspurt. Wie ist die Stimmung im Ort? Ein Nachmittag bei der Kundenberatung

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

14.18 Uhr. Die Finger des Mannes zittern leicht, er spielt mit den Briefumschlägen, die vor ihm auf dem Tisch liegen. Zwar ist sein Glasfaser-Hausanschluss fertig - doch es gibt einen Kabelschaden und er will nun wissen, wann dieser behoben wird. "Das sind Zustände", beklagt der Mann mit den kurzen weißen Haaren. Projektleiter Eduard Hintermeier haut in die Tasten seines Laptops.

Zweimal in der Woche kommen Vertreter der Deutschen Glasfaser (DG) ins Service-Büro am Zornedinger Herzogplatz und versuchen, die Wogen nach dem Unternehmensdesaster zu glätten. Nach langen Verzögerungen im Bau, die das geplante Vorzeige-Projekt für Bayern in einen Super-Gau verwandelten, gibt es damit eine Art Sprechstunde für die Kunden. Die besuchen naturgemäß diejenigen, die ein Problem haben. Für Zorneding stellen sich daher zwei Fragen: Wie ist die Stimmung im Ort beim Ausbau-Endspurt? Und: Kriegt die Glasfaser noch die Kurve?

14.20 Uhr. Hintermeiers Handy vibriert auf dem Tisch, nicht zum letzten Mal an diesem Nachmittag. Eigentlich findet die Sprechstunde donnerstags immer vormittags statt. Doch weil an diesem Donnerstag keiner am Vormittag Zeit hatte, ist die Sprechstunde auf den Nachmittag verschoben. Die Kunden erfahren das erst, als sie am Vormittag vor der Tür stehen und den Zettel sehen, der sie auf den Nachmittag verweist. Sie drehen fluchend ab - und kommen eben am Nachmittag wieder.

So auch der Kunde mit dem Kabelschaden. Projektmanager Hintermeier bekommt tagtäglich Schadensmeldungen wie diese. Dafür ist allerdings nicht die DG, sondern ihr Zornedinger Generalunternehmer zuständig. Das erklärt Hintermeier dem Mann und verspricht ihm einen Rückruf. Der lacht spöttisch, "da bin ich ja gespannt". Hintermeier betont ruhig: "Wenn ich sag, ich ruf zurück, dann ruf ich auch zurück." Im Hintergrund zischt ein Wartender zum anderen: "Standardausrede, dazu sag ich gar nichts mehr."

Der Zynismus sitzt bei vielen Zornedingern tief. Sie wurden Zeuge eines Desasters für das Unternehmen. Nachdem Gemeinde und Firma groß die Werbetrommel für "das Netz der unendlichen Möglichkeiten" gerührt und genügend Zornedinger einen Vertrag unterschrieben hatten, geschah monatelang nichts. Der Ausbau kam schließlich doch in Gang - dann aber wieder zum Erliegen: Die Baufirma und der Subunternehmer hatten sich zerstritten und das letzte Vertrauen vieler in die Firma zerstört. Dieses müssen Vertreter wie Hintermeier nun wiederherstellen. Zwischen ihm und den Kunden liegen Knabbereien und kleine Schokoladentafeln - fast wie ein Friedensangebot.

14.25 Uhr. Die Tür schwingt auf. Ein Mann in Pufferjacke nimmt Platz und deutet auf seinen alten Vertrag. Den sollte die DG eigentlich automatisch gekündigt haben, doch irgendwas ist schiefgelaufen. Er wird nicht der einzige Kunde bleiben, der ein Vertragsanliegen hat. Hintermeier, eigentlich nur für technische Themen zuständig, bleibt dann nur, sich eine Notiz zu machen, einen Rückruf zu versprechen auf die Montags-Sprechstunde zu verweisen.

Die häufigste Frage an diesem Nachmittag: Wann bekomme ich endlich meinen Anschluss? Das will auch Michael Kirchner wissen, der sich jetzt an den Tisch gesetzt hat. Sein aktueller Vertrag geht bis Juni, der 65-Jährige ist nervös. Hintermeier tippt dessen Daten ins System und sagt: "Ich wage zu behaupten, innerhalb der nächsten vier Wochen." Auch seine Sorge, ohne Internet dazustehen, versucht er ihm zu nehmen: "Wir können den alten Vertrag jederzeit verlängern." Michael Kirchner wirkt nur mäßigt befriedigt, zischt beim Aufbruch noch: "Was für ein Saftladen."

Zufriedener dürften die 800 Zornedinger Kunden sein, die die DG mittlerweile nach eigenen Angaben ans Netz gebracht hat. Von ihnen kommen täglich zehn bis fünfzehn weitere dazu; zudem entschließen sich täglich drei bis fünf Kunden, doch noch bei der DG zu unterschreiben. Diese muss noch einen letzten Kilometer für die Tiefbautrasse buddeln lassen, bis Anfang Mai soll auch der Grundstock für das Glasfaser-Netzwerk abgeschlossen sein. Danach sollen die Bürgersteige wieder hergestellt werden - das Ende ist also langsam absehbar.

Je länger sich der Bau hingezogen hat, desto mehr Frust hat sich aufgestaut. Das wird auch an diesem Donnerstag offensichtlich. Einer beschwert sich über den adhoc-Ausbau, bei der Hausbegehungen nur noch vage angekündigt werden: "Wir stehen nicht Gewehr bei Fuß und warten, bis jemand vor der Tür steht." Ein anderer kommentiert das Lieferdatum seines Routers mit den Worten: "Der kommt sowieso später." Ein Dritter schimpft über "Käseaussagen von der Hotline", ein Vierter über ein Loch im Asphalt, das die DG vor seiner Haustür hinterlassen habe. Dazwischen klingelt immer wieder Hintermeiers Handy, aber auch das bringt ihn nicht aus der Ruhe.

Wieso auch: Der Zornedinger Frust hat bereits längst bis weit über die Gemeinde hinaus gestreut. In mehreren Gemeinden hielten sich die Kunden zurück, musste die sogenannte "Nachfragebündelung" verlängert werden. In Forstinning reichte es trotzdem nicht für die 40-Prozent-Hürde; hier zog sich die DG zurück. Ausgebaut wird hingegen in Oberpframmern, Glonn, Egmating, Aßling, Moosach, Bruck und Anzing. Hier hat man aus einem Fehler gelernt: Wie Hintermeier berichtet, beauftragt die DG seit dem Zornedinger Desaster nur noch "All-inclusive-Firmen", die eigene Gerätschaften und Arbeiter direkt selber mit zur Baustelle bringen und nicht noch zukaufen müssen. Dass eine untergeordnete Firma noch einmal die Schaufeln niederlegt, die DG ihre Kunden hinhalten muss, das will hier keiner der Beteiligten noch einmal erleben.

Fragen zu Bauangelegenheiten werden donnerstags von 11.30 bis 13.30 Uhr beantwortet; Fragen zu Vertragsangelegenheiten montags von 13 bis 16 Uhr. Die Sprechstunden finden im Service-Büro am Herzogplatz 19 statt.

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