Lange Nacht der Bildung:Rehragout auf Arabisch

Lange Nacht der Bildung: Die Unterbiberger Hofmusik begeistert auf Schloss Zinneberg: Franz Josef und Irene Himpsl mit den Söhnen Xaver, Ludwig und Franz sowie Orientmusiker Şeref Dalyanoğlu beeindruckten mit ihrer Mischung aus bayerischer und türkischer Volksmusik.

Die Unterbiberger Hofmusik begeistert auf Schloss Zinneberg: Franz Josef und Irene Himpsl mit den Söhnen Xaver, Ludwig und Franz sowie Orientmusiker Şeref Dalyanoğlu beeindruckten mit ihrer Mischung aus bayerischer und türkischer Volksmusik.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Lange Nacht der Bildung steht ganz im Sinne der scheinbar unmöglichen Zusammenführung: Kinder erleben Klassik, Erwachsene Physik gepaart mit Humor. Und die Unterbiberger Hofmusik spielt türkische Volksmusik

Von Johannes Hirschlach, Grafing/Glonn

Cornelia Fuchs' Finger fliegen über die Klaviatur. Der Kaiser-Walzer von Johann Strauss, eine Bourrée von Johann Sebastian Bach, die Komponisten Kabalewski und Händel: Die Frau mit den schulterlangen braunen Haaren hat sie alle in petto. Lebendig präsentiert sie die Stücke auf dem Flügel in der Stadtbücherei in Grafing. Das Publikum lauscht andächtig und konzentriert - und es ist dennoch nicht so wie es scheint.

Lange Nacht der Bildung: Cornelia Fuchs in der Grafinger Stadtbücherei.

Cornelia Fuchs in der Grafinger Stadtbücherei.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Anstelle erwachsener Klassikliebhaber sitzen zehn Kleinkinder auf den Stühlen vor dem Podium und folgen gebannt jeder Tonfolge, die Fuchs auf dem Flügel zaubert. Das hat mit der Art des Vortrags der Ebersberger Musiklehrerin zu tun: "Kinder hören eigentlich keine klassische Musik", sagt Fuchs, darum habe sie sich einen kreativen Kniff ausgedacht: "Ich verpacke klassische Stücke in Kindergeschichten."

So beginnt die vom Kreisbildungswerk Ebersberg inzwischen zum vierten Mal veranstaltete Lange Nacht der Bildung mit einer erstaunlichen Verknüpfung: Fuchs verwebt Kinder-Prosa mit anspruchsvollen Arrangements großer Komponisten zu einem für die Kleinen erlebnisreichen Spektakel.

Lange Nacht der Bildung: Physiker Matthias Mader beim Science Slam im Turmstüberl.

Physiker Matthias Mader beim Science Slam im Turmstüberl.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Auf einer Staffelei hat sie die einzelnen Zeichnungen aus dem Buch dabei, den Text hat sie im Kopf. Wenn in der Geschichte ein Clown in Melancholie verfällt, begleitet eine traurige Melodie von Schostakowitsch die Stimmung, wenn Angst eine Horde Tiere befällt, trillert Fuchs zwischen den Tasten, sodass unweigerlich beklemmende Spannung entsteht. Die Synthese, die Verschmelzung zweier Elemente zu etwas Neuem, funktioniert: Die Kinder können von dem musikalischen "Hörbuch" gar nicht genug bekommen.

Eine Kombination zweier Komponenten beherrscht auch der Naturwissenschaftler Georg Eggers an diesem Abend. Zusammen mit zwei Kollegen, dem Altphilologen Stefan Merkle und dem Physiker Matthias Mader, präsentiert Eggers im Turmstüberl einen Science Slam. Das ungewöhnliche Hybrid aus Poetry Slam und Forschung läuft als Wettstreit ab: Jeder der drei Teilnehmer hält einen Vortrag über ein wissenschaftliches Thema. Unterhaltsam darf der Auftritt dennoch sein, denn am Ende wird per Applaus vom Publikum ein Sieger gekürt. Und so referieren Mader über Nanoteilchen, Merkle über das sagenhafte Atlantis und Eggers über Schall, wobei die Ausführungen dem Stil einer Comedynummer gleichkommen. Die Dozenten tigern über die Bühne, gestikulieren und reißen Zoten. "Der Humor soll die Leute wach halten", sagt Eggers über das ungewöhnliche Konzept der Wissensvermittlung. An der Effizienz besteht kein Zweifel, das Publikum johlt vor Lachen.

Zünftiges Bairisch trifft traditionell Türkisches

Nach dem Programmauftakt in Grafing beginnt die eigentliche Nacht der Bildung auf Schloss Zinneberg bei Glonn. Dutzende Workshops erwarten die Besucher, die zu Hunderten in das alte Gemäuer strömen. Und auch hier findet eine Synthese statt: Die Unterbiberger Hofmusik vereinigt zünftig bayerische mit traditioneller türkischer Volksmusik. In einem Konzert und zwei Workshops vermittelt die Truppe - bestehend aus Franz Josef und Irene Himpsl, den Söhnen Xaver, Ludwig und Franz sowie Orientmusiker Şeref Dalyanoğlu - einen Teil ihres Könnens an die Gäste auf dem Schloss.

"Man kann sich kaum vorstellen, dass so etwas zusammenpasst", ist zunächst aus der Zuhörerschaft zu vernehmen. Doch Skepsis weicht sogleich Begeisterung, als die Hofmusiker mit ihrer Aufführung beginnen. Tuba, Trompete, Akkordeon, Trommel und Oud, eine orientalische Laute, harmonisieren unerwartet prächtig miteinander. Wenn die Gruppe den Wiesn-Hit "Rehragout" mit arabischem Groove kombiniert, kann kaum einer der Zuhörer die Füße stillhalten. Und auch mit dem Choral "Innsbruck, ich muss dich lassen" von Heinrich Isaac und einem türkischen Volkslied prallen zwei Welten aufeinander. Doch greifen beide Stücke Takt für Takt ineinander, bis sie untrennbar erscheinen - nur um sich langsam wieder aus der Umarmung zu lösen und im pathetischen Choral ausklingen. Ein musikalisches Experiment, das sich den frenetischen Applaus der Menge redlich verdient hat.

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