Landleben:"Auf einem Hof zu leben und zu arbeiten ist ein großes Stück Lebensqualität"

Das Leben von Bäuerinnen im Landkreis Ebersberg hat wenig mit den Klischees vom lustigen Landleben zu tun. Doch trotz der vielen Arbeit ist die Zufriedenheit hoch, das zeigt auch eine aktuelle Studie

Von Aurelia Hennes

Katharina Wachinger - Landwirtin

Die Plieninger Bio-Bäuerin Katharina Wachinger übernimmt viele organisatorische Aufgaben, um ihrem Ehemann bestmöglich "den Rücken freizuhalten", wie sie es nennt. Sie packt aber auch da an, wo es gerade nötig ist.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kühe melken, Gemüse ernten und Hühner füttern: So idyllisch stellen sich viele das Leben einer Bäuerin vor. Dass weitaus mehr als das hinter dem Alltag einer Landfrau steckt, beweist die aktuelle bayerische Bäuerinnenstudie, die nun veröffentlicht wurde. Insgesamt haben mehr als 2000 Bäuerinnen aus Bayern im Zeitraum zwischen Juli und November 2019 online an der Studie teilgenommen. Darin haben sie Auskunft darüber gegeben, wie zufrieden sie mit ihrer aktuellen Lebens- und Arbeitssituation sind und ihre Leistungen im Betrieb und der Gesellschaft bewertet. Damit soll verdeutlicht werden, dass die Bäuerinnen, die unter anderem vielfältige Aufgaben auf den Höfen, in den Familien und in den Haushalten übernehmen, als eine tragende Säule des landwirtschaftlichen Betriebs zu sehen sind.

Angestoßen wurde die Studie vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und wurde mit der Unterstützung der Technischen Universität München durchgeführt. Anfang März präsentierte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) schließlich die Ergebnisse und erklärte: "Die Frauen sind die Schlüsselfiguren an den Höfen. Ihre Bedeutung kann nicht hoch genug geschätzt werden."

Bäuerin oder Landwirtin - da gibt es einen Unterschied

Bereits die Abfrage der demografischen Daten ergab interessante Ergebnisse: Die Hälfte der befragten Bäuerinnen leitet zusammen mit dem Partner den Betrieb, wohingegen lediglich acht Prozent eigenverantwortliche Betriebsleiterinnen sind. Katharina Wachinger vom Biohof Wachinger in Pliening erklärt dazu, eine Bäuerin müsse begrifflich klar von einer Landwirtin differenziert werden. Letztere hat eine Berufsausbildung zur Landwirtin absolviert oder Agrarwissenschaften studiert. Bäuerinnen hingegen wurden in den meisten Fällen in einem anderen Berufsfeld ausgebildet und sind über Umwege oder durch Heirat mit einem Landwirt in einem landwirtschaftlichen Betrieb gelandet.

Das beweist auch die Studie: Mehr als die Hälfte der befragten Bäuerinnen, 60 Prozent, wurden in einem anderen Bereich wie zum Beispiel in Wirtschaft und Recht oder Soziales und Gesundheit ausgebildet. So ist es auch bei Katharina Wachinger der Fall: Sie ist ursprünglich eine ausgebildete Sozialpädagogin. Wie aber 80 Prozent der Versuchsteilnehmerinnen hatte auch sie von Kind auf einen engen Bezug zur Landwirtschaft und ist selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen.

Landleben: "Auf einem Hof zu leben und zu arbeiten ist ein großes Stück Lebensqualität", sagt Kreisbäuerin Barbara Kronester.

"Auf einem Hof zu leben und zu arbeiten ist ein großes Stück Lebensqualität", sagt Kreisbäuerin Barbara Kronester.

(Foto: Christian Endt)

Die meisten sind zufrieden mit ihrer Situation

Das wichtigste Ergebnis der Studie ist allerdings, dass die meisten Bäuerinnen glücklich mit ihrer Arbeits- und Lebenssituation sind: So gaben 67 Prozent der Befragten an, dass sie mit ihrem Leben zufrieden sind und wichtige Lebensziele erreicht haben. Das kann Barbara Kronester, Kreisbäuerin des Landkreises Ebersberg, bekräftigen: "Auf einem Hof zu leben und zu arbeiten ist ein großes Stück Lebensqualität." Sie hebt die Beständigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs besonders in Zeiten der Pandemie hervor: "Die Bauernfamilien haben eine starke Resilienz. Der Tagesablauf bleibt immer gleich, egal was in der Welt passiert: Die Tiere müssen in der Früh gefüttert werden."

Natürlich müsse man für diese Arbeit auch geschaffen sein und es mögen, an einen festen Jahreskreislauf gebunden zu sein, so Kronester. "Bäuerin zu sein ist kein Beruf, sondern ein Lebensstil", sagt auch Katharina Wachinger. Wie zwei Drittel der Befragten schätzt auch sie die Naturverbundenheit und die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor allem die ständige Präsenz für ihre Kinder empfindet sie als vierfache Mutter als großen Vorteil. Ihr Nachwuchs erfährt hautnah, was die Eltern den ganzen Tag erledigen, auch das sei ihrer Meinung nach sehr wertvoll: "Die Kinder erleben mit uns tagtäglich den Rhythmus der Natur und der Tiere." Ein weiterer Faktor, der die Zufriedenheit der Bäuerinnen positiv beeinflusst, ist das eigenverantwortliche Arbeiten. Mehr als 40 Prozent der Bäuerin loben ihre Selbstständigkeit. "Der eigene Chef zu sein", das ist es, was auch Wachinger gefällt.

Viel Arbeit, wenig Freizeit: Das bringt der Beruf mit sich

Trotzdem wurden bei dem Traumberuf einige Einschränkungen festgestellt: Bäuerin zu sein bedeutet auch, viele Arbeitsstunden und wenig Freizeit zu haben. Demnach wünschen sich 817 der befragten Bäuerinnen mehr Freizeit mit der Familie und für die eigenen Interessen. Unabhängig von dem Produktionsschwerpunkt wurde herausgefunden, dass für die Frauen auf allen Formen von landwirtschaftlichen Betrieben vielgestaltige Aufgaben anfallen, die weit über die klassischen hauswirtschaftlichen und familienbezogenen Tätigkeiten hinausgehen. Dazu zählen beispielsweise administrative Pflichten in der Buchhaltung, Schriftverkehr und den Bankgeschäften, hierfür sind knapp 40 Prozent der Befragten hauptsächlich verantwortlich sind.

Durch das Erledigen von organisatorischen Aufgaben versucht Katharina Wachinger ihrem Ehemann bestmöglich "den Rücken freizuhalten", wie sie es nennt. "Die Hausmeisterarbeiten bleiben meistens bei der Bäuerin hängen", weswegen sie neben der Versorgung ihrer Kinder sowie einer Auszubildenden und einer Jugendlichen, die ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr an dem Naturlandbetrieb absolviert, sich um die Instandhaltung der Außenanlagen kümmert. In den Schulferien und am Wochenende packt sie außerdem im Stall bei den Milchkühen mit an. Ähnlich handhabt es Franziska Kendlinger vom Huberhof in Wiesham bei Grafing: Sie versorgt die Hühner, wohnt der Visite des Tierarztes bei, übernimmt aber auch Büroarbeiten. Grundsätzlich teilt sie sich die Arbeit mit ihrem Ehemann gleichberechtigt auf, sodass beide mit den verschiedenen Tätigkeiten, die sich auf dem Hof ergeben, in Berührung kommen. "Nur Bulldog fahre ich nicht, das mag ich nicht", erzählt sie lachend.

27 Prozent waren noch nie im Urlaub, seit sie Bäuerin sind

Durch die partnerschaftliche Aufgabenteilung und Übernehmen von großer Verantwortung leisten die Bäuerinnen einen wesentlichen Beitrag zum Einkommen des Betriebs. Das schlägt sich in der Studie nieder: Knapp 90 Prozent der Frauen schätzen ihre Bedeutung für den landwirtschaftlichen Betrieb als groß ein. Trotz der hohen Arbeitsbelastung sind dennoch zwei Drittel der Bäuerinnen ehrenamtlich aktiv. "Wenig Freizeit zu haben, ist das generelle Leid der Selbstständigen", reflektiert Wachinger. Deswegen versucht sie, ihre Interessen in den Arbeitsalltag einzuflechten und sich so ihren Ausgleich zu schaffen. Im Allgemeinen folgt sie der Devise, die sie von ihrer Mutter verinnerlicht hat: "Zeit hat man nicht, die nimmt man sich." Trotzdem räumt sie ein, dass aufgrund der ganzjährigen Versorgung der Milchkühe die Möglichkeiten für Ausflüge und Urlaube mit ihren Kindern selten gegeben sind. Lediglich 28 Prozent der Bäuerinnen teilten mit, jährlich Urlaub zu machen wohingegen fast ebenso viele, 27 Prozent, angaben, noch nie Urlaub gemacht zu haben, seit sie Bäuerin sind. Die Hauptgründe dafür seien mangelnde Ersatzkräfte oder zu wenig Zeit.

Des Weiteren bemängeln die befragten Landfrauen ihr Ansehen in der Öffentlichkeit und wünschen sich mehr Anerkennung von den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie deren Aufklärung. So weiß Barbara Kronester zu berichten, dass die Wertschätzung den landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber nach ihrem Empfinden in den letzten Jahren deutlich gesunken ist: "Man hat das Gefühl, dass unsere harte Arbeit - und zwar 365 Tage im Jahr - von der restlichen Gesellschaft nicht geschätzt wird." Gleichzeitig betont Katharina Wachinger die wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Komponente und fordert: "Es muss ein Bewusstsein dafür angestoßen werden, welche zentrale Rolle die Landwirtschaft für die Bevölkerung einnimmt."

Barbara Kronester stimmt zu, dass die Ergebnisse der Studie sich mit dem Stimmungsbild der Ebersberger Bäuerinnen deckt, und erklärt: "Ich bin von den Ergebnissen nicht überrascht, sie sind im Grunde nichts Neues." Auf Grundlage der Erkenntnisse aus der Studie soll nun mit den Bäuerinnen über die weitere Entwicklung der Arbeits- und Lebenssituation diskutiert werden. Aus diesem Grund will man in diesem Jahr ein Landfrauen-Forum etablieren, in dem Themen wie Bildungsangebote für Berufseinsteigerinnen, Beratungsmöglichkeiten für Diversifizierungsbetriebe diskutiert, aber auch der Zusammenhalt der Bäuerinnen gestärkt werden sollen. Das Ziel ist es, die Lebens- und Arbeitssituation der Frauen weiter zu verbessern. Ministerin Michaela Kaniber resümiert: "Die Frauen haben großes Zukunftspotenzial, denn sie sind hoch motiviert, gut ausgebildet und verantwortungsbewusst. Diesen Schatz müssen wir pflegen."

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