Landtagswahl 2018:Wenn Inklusion am Bahnsteig aufhört

Landtagswahl 2018: "Bescheuert" sei es, einen barrierefreien Bahnhof zu bauen, ohne dann die passenden Züge daran vorbeizuschicken, so Anton Hofreiter (Grüne).

"Bescheuert" sei es, einen barrierefreien Bahnhof zu bauen, ohne dann die passenden Züge daran vorbeizuschicken, so Anton Hofreiter (Grüne).

(Foto: Theresa Parstorfer/OH)

Anton Hofreiter (Grüne) spricht am Steinhöringer Bahnhof mit Rollstuhlfahrern. Ihr Problem: Sie kommen nicht in die Züge.

Von Theresa Parstorfer, Steinhöring

Warten muss am Montagnachmittag am Steinhöringer Bahnhof niemand. Sowohl der Zug Richtung Ebersberg, als auch der Richtung Wasserburg rollt auf die Minute pünktlich ein und letzterer entlässt nicht nur ein paar Schüler in die pralle Sonne, sondern auch Anton Hofreiter (Grüne). Eine kleine Menschenansammlung neben den Gleisen empfängt den Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag. Er besucht Steinhöring, um sich mit Bewohnern des Einrichtungsverbundes zu treffen. Denn diese sind nicht glücklich. Und Schuld daran ist eben dieser Bahnhof, der seit wenigen Jahren den lang ersehnten Stundentakt zwischen Wasserburg und München ermöglicht.

Was die aufwendig barrierefrei gestaltete Zugstation skurrilerweise nicht ermöglicht, ist Inklusion. Sagt David Kruzolka, Vorsitzender des Bewohnerbeirates im Einrichtungsverbund. Er sitzt in seinem elektrischen Rollstuhl unter einem der grünen Schirme, Hofreiter ihm gegenüber auf einem Klappstuhl, und erzählt, wie er nach der Einweihung der Gleise versucht habe, in den Zug zu kommen. Bei einem Versuch ist es geblieben. "Nach wie vor ist keiner unserer Rollstuhlfahrer in Steinhöring eingestiegen", bestätigt Gertrud Hanslmeier-Prockl, Leiterin des Einrichtungsverbunds. Grund dafür ist die Tatsache, dass die auf der Strecke verkehrenden Züge selbst nicht für barrierefreies Ein- und Aussteigen ausgestattet sind.

Absehbar war das bereits mit dem Bau des Umstellgleises, denn angeblich sei zwar genug Geld dafür vorhanden gewesen, nicht aber für die passenden Züge, hieß es damals. "Uns wurde gesagt, die richtigen Züge würden irgendwann in einem zweiten Schritt kommen", sagt Hanslmeier-Prockl. Irgendwann war wohl noch nicht.

Dass es sich keineswegs um "eine Frage des Geldes, sondern eine des Willens handelt", sagt Anton Hofreiter, nachdem er sich die Beschwerden angehört hat. Denn im bayerischen Verkehrsministerium werde entschieden, welche Züge angeschafft werden. Und dafür stünde auch genügend Geld zur Verfügung. 1,1 Milliarden Euro bekomme der Freistaat jährlich genau für diesen Zweck vom Bund gestellt.

Allerdings stecke man dieses Geld wohl lieber in das Münchner Großprojekt zweite Stammstrecke, so Hofreiter. Die Situation, dass Steinhöring sich zwar stolz eines barrierefreien Bahnhofes rühmen dürfe, ein Rollstuhlfahrer aber de facto in einer Gemeinde, wo der Bedarf besonders groß ist, nicht in den Zug kommt, und darüber hinaus von Wasserburg bis zum Ostbahnhof durchfahren müsste, weil die Bahnhöfe auf der Strecke nicht barrierefrei sind - das nennt Hofreiter frei heraus einen "Schildbürgerstreich". Alle Anwesenden, von Bürgermeister Alois Hofstetter (CSU), der Zweiten Bürgermeisterin Martina Lietsch (SPD), bis zu Ebersbergs Landtagskandidaten für die Grünen, Thomas von Sarnowski, der leicht verspätet mit dem Rad angesaust kam, können ihm nur beipflichten. Hofreiters Empfehlung: politischen Druck ausüben und sich nicht vertrösten lassen. "Am besten Frau Aigner einladen. Die ist doch Verkehrsministerin in Bayern, oder?", sagt Hofreiter. Einiges Gelächter erntet er dafür, begleitet von dankbarem Nicken.

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