Kultur im Landkreis:Oma Edith schreibt ein Märchenbuch

Kultur im Landkreis: Edith Loher aus Landsham hat mit 80 ihr erstes Buch veröffentlicht. Diese Zeichnung kommt in eines der nächsten Bücher: "Pepe auf Weltreise".

Edith Loher aus Landsham hat mit 80 ihr erstes Buch veröffentlicht. Diese Zeichnung kommt in eines der nächsten Bücher: "Pepe auf Weltreise".

(Foto: M. Pelz)

Die 80-jährige Edith Loher ist an Parkinson erkrankt und vergisst ihre Schmerzen, indem sie schreibt und zeichnet. Vorzugsweise nachts. Nun ist das erste Werk erschienen.

Von Michaela Pelz, Pliening

"Der Garten aber liegt wieder stumm im Winterschlaf .. und träumt von Blumen, Vögeln, Hummeln, Bienen und... von Emil und Lilibeth." So endet es, das allererste Märchen von Edith Loher. Die 80-Jährige aus Landsham hat es vor rund zwei Jahren für ihr Lieblingsnachbarskind verfasst. Als Geburtstagsgeschenk. Von Stunde an will die Vierjährige nicht mehr ins Bett, ohne vorher vom kleinen Baumgeist und der Blumenfee zu hören.

Doch der "Zaubergarten" ist nur der Anfang. Nacht um Nacht, von eins bis drei, füllen sich die großen Skizzenbücher, die aus einer Druckerei-Auflösung stammen. Erst gestaltet Loher sorgfältig den Rahmen, dann kommen die Bilder, am Ende folgen die zauberhaften Geschichten. Die erste Version schreibt sie stets mit der Hand, tippt sie dann im Zwei-Finger-System ab. Auch die Illustrationen werden vor dem Satz ein zweites Mal angefertigt.

Kultur im Landkreis: Die Reihenfolge ist festgelegt: Erst kommt der Rahmen, dann die Illustration, am Ende folgt der Text.

Die Reihenfolge ist festgelegt: Erst kommt der Rahmen, dann die Illustration, am Ende folgt der Text.

(Foto: M. Pelz)

Mit großer Begeisterung erzählt die lebhafte alte Dame mit dem sorgfältig ondulierten Haar davon, als man sie an einem späten Vormittag trifft. Doch sie kann solche Termine nur absolvieren, wenn sie vorher starke Medikamente genommen hat. Denn Edith Loher leidet unter Parkinson. Die Tätigkeit als Autorin ist nicht nur ein Hobby, es ist auch ihre Therapie, wie sie erklärt. "Der Doktor hat gesagt: Schreiben, schreiben, schreiben und malen Sie. Das ist das beste Training für Ihre Hände."

Äußerlich sieht man der gebürtigen Münchnerin fast nicht an, was sie da plagt; es ist vor allem ein innerer Tremor, eine innere Unruhe. Das Zittern der Hände bemerkt man erst beim genauen Hinschauen. Es hat dazu geführt, dass die Zeit der Aquarellmalerei vorbei ist, von der die zahlreichen Gemälde im Wohnzimmer zeugen. Als Vorlage des allerersten diente eine Postkarte, die "bei der Oma über dem Sofa hing". Eine weitere Version davon, im Format 100 x 60 Zentimeter, hat sie 2013 ihrem Arzt geschenkt. Für sein Wartezimmer.

Kultur im Landkreis: Das allererste Aquarell - es hängt in Edith Lohers Wohnzimmer - hat sie abgemalt von einer Postkarte, die bei der Oma über dem Sofa hing.

Das allererste Aquarell - es hängt in Edith Lohers Wohnzimmer - hat sie abgemalt von einer Postkarte, die bei der Oma über dem Sofa hing.

(Foto: M. Pelz)

Mittlerweile arbeitet Loher mit Buntstift. Von der Krankheit, unter der sie seit 20 Jahren leidet, lässt sie sich nicht ausbremsen ("ich war immer schon ein fröhlicher Mensch"), sondern beißt die Zähne zusammen und macht weiter. "Beim Zeichnen und Ausdenken von Geschichten hab ich keinen Hunger, keinen Durst und mir tut nichts weh. Dann vergesse ich das Zittern und das Mich-nicht-bewegen-können", ergänzt sie mit ihrer angenehmen Stimme.

Man merkt, dass diese Frau keine Scheu beim Umgang mit Fremden hat, sondern ihr das Gespräch Spaß macht. Kein Wunder, fuhr sie doch, wie auch ihr Ehemann, im Lauf ihres arbeitsamen Lebens neben vielen anderen Tätigkeiten 27 Jahre Taxi. Und nun kann die Landshamerin der Liste ihrer Berufe noch zwei weitere hinzufügen: Verfasserin und Illustratorin. Doch wie ergab sich das?

Kultur im Landkreis: Nachbar Steffen Hampl (Journalist und Sprecher) hat Edith Loher bei der Buchproduktion unterstützt.

Nachbar Steffen Hampl (Journalist und Sprecher) hat Edith Loher bei der Buchproduktion unterstützt.

(Foto: M. Pelz)

Hier kommt der zurückhaltende Mann ins Spiel, der während der sprudelnden Erzählung der Autorin leise lächelnd auf dem Sofa gesessen hat. Steffen Hampl ist ein Nachbar von Loher. Als diese bei einem Gespräch erwähnt, dass sie Märchen schreibt, lässt sich der Journalist eines der Skizzenbücher zeigen und weiß sofort: Das muss gedruckt werden! Gemeinsam mit seiner Frau entwickelt er die Idee, kümmert sich um das Layout und gibt eine erste Auflage von 100 Stück in Auftrag. In einer Berliner Druckerei.

Das hat seinen Preis - fast 30 Euro kostet ein Exemplar. "Es war die in Deutschland vom Preis-Leistungsverhältnis her beste, die unseren Qualitäts- und Preisansprüchen genügte", führt der gebürtige Dresdner aus. Alle von Autorin und Hersteller gewünschten Kriterien könne man dort auch bei Kleinstauflagen zu einem bezahlbaren Preis erhalten. Worauf er sich bezieht sind Format, Papier und die hochwertige Verarbeitung.

Kultur im Landkreis: So sieht es aus, das komplett selbst gestaltete Cover des Buches.

So sieht es aus, das komplett selbst gestaltete Cover des Buches.

(Foto: privat)

Auch über die Schrift hat man sich viele Gedanken gemacht. Am Ende ist es die so genannte Andika geworden. Speziell für Leseanfänger entwickelt, sind die Buchstaben so klar und einfach zu erkennen, dass sie sich auch für Menschen mit Legasthenie eignet. "Und für die, die nicht gut sehen!" ergänzt die Autorin mit einem Augenzwinkern.

Dass es interessierte Abnehmer geben würde, war schon vorher klar. "Alle, denen Frau Loher bei einem Auftritt während des Plieninger Weihnachtsmarkts vorgelesen hat, hat sie schwer beeindruckt. Die Kinder waren mucksmäuschenstill und selbst die Erwachsenen saßen ganz versunken auf diesen Stühlchen im Kindergarten", erinnert sich Hampl. Auch sonst hätten Menschen oft nach dem ersten skeptischen Blättern im Buch plötzlich ein Lächeln im Gesicht, das zeigt, dass sie "dem Zauber dieser Mischung aus Schalk, aber auch Ernsthaftigkeit" erlegen seien. "Für Kinder sind es schöne Reisen ins Reich der Fantasie, Erwachsene fühlen sich zurückerinnert an die eigene Kindheit."

Kultur im Landkreis: Manchmal liest Edith Loher auch aus ihren Geschichten vor, etwa beim Plieninger Weihnachtsmarkt. Kinder wie Erwachsene waren begeistert.

Manchmal liest Edith Loher auch aus ihren Geschichten vor, etwa beim Plieninger Weihnachtsmarkt. Kinder wie Erwachsene waren begeistert.

(Foto: privat)

Vor allem, wenn sie auf dem Land aufgewachsen sind. So wie Loher, 1942 geboren und nach der Geburt des Bruders mit der Familie nach Miesbach evakuiert. 14 Jahre blieb sie auf dem Bauernhof. Aus dieser Erfahrung speisen sich viele der Geschichten von Tieren und Kindern, die frei und ungebunden durch Felder, Wälder und Wiesen stromern dürfen. "Meine Kindheit war wunderschön und ich habe eine besondere Beziehung zu Tieren. Die spüren das, haben keine Angst und lassen sich von mir anfassen. Kühe kenne ich von oben, unten, hinten und vorn", sagt die Märchen-Oma und lacht.

Und auch wenn all ihre Geschichten ein gutes Ende haben, bleibt doch die Wirklichkeit deswegen nicht außen vor. So spielt in "Fibsi, das Glückshündchen", Corona eine Rolle und in "Lauras Lehrerin" gibt eine sprechende Amsel einem kleinen Mädchen den Hinweis, das Smartphone zur Seite zu legen und stattdessen auf die Natur zu achten.

Die war Loher immer schon immens wichtig. Mit Ehemann, Tochter und einem kleinen Zelt hat sie mehr als 25 Länder bereist, im Morgengrauen wurde so manchen Berggipfel bestiegen. Weil das nun leider alles passé ist, lässt die Seniorin ihre Fantasie schweifen und entdeckt die Welt per iPad. Vor zwei Jahren hat sie sich das Gerät zugelegt, nun leistet es ihr gute Dienste bei der Recherche für ihre neuen Geschichten. Denn davon hat sie noch jede Menge in petto. Zum Beispiel hat sie sich für "Pepe auf Weltreise" Ziele von Argentinien bis zur Antarktis herausgesucht.

Ans aufhören denkt die 80-Jährige noch lange nicht. Acht weitere Bücher hat sie schon gefüllt. Steffen Hampl unterstützt sie auch weiterhin - geplant ist, dass der gelernte Sprecher und Schauspieler nach und nach eine Audiofassung einliest, eine erste Hörprobe gibt es bereits. Und die eigene Familie mit Tochter und Enkel ist ohnehin hellauf begeistert. Der wahrscheinlich größte Fan aber ist Edith Lohers stolzer Ehemann. Bei jedem Wort, jedem Blick spürt man, wie innig sich das seit mehr als 60 Jahren verheiratete Paar zugetan ist. Und wer weiß, vielleicht verfasst Oma Edith ja nach den Märchen auch einmal eine Liebesgeschichte ...

Hörprobe, weitere Informationen und Bezugsquelle unter: https://www.youtube.com/@OmaEdithsMaerchen/videos

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