Süddeutsche Zeitung

Landratswahl:Vier Strategien gegen den Flächenfraß

Am 14. April wird ein neuer Landrat gewählt. Die SZ stellt die Position der Kandidaten zu wichtigen Themen vor - formuliert haben die Fragen Fachleute aus dem Landkreis.

Am 14. April wird gewählt: Etwa 100000 Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis dürfen entscheiden, wer die Nachfolge des erkrankten Landrats Gottlieb Fauth (CSU) antreten soll. Dabei haben sie die Wahl zwischen vier Bewerbern: Reinhard Oellerer von den Grünen, Ernst Böhm von der SPD, Robert Niedergesäß von der CSU und Toni Ried von den Freien Wählern. Eine Gelegenheit, alle diese Kandidaten näher kennenzulernen gibt es beim SZ-Forum am Dienstag, 2. April, von 19.30 Uhr an im Alten Kino Ebersberg. Die Position der Kandidaten zu wichtigen Themen im Landkreis will die SZ ihren Lesern aber bereits jetzt vorstellen - und hat Fachleute aus dem Landkreis gebeten, Fragen an die Landratskandidaten zu formulieren. Die Antworten werden in lockerer Folge veröffentlicht.

Franz Lenz, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands: Wie wollen der neue Landrat und sein Team dem massiven Flächenverbrauch im Landkreis Herr werden? Der Landkreis Ebersberg gehört zu den Landkreisen mit dem größten Flächenverbrauch in ganz Bayern. Die versiegelten Flächen sind für immer verloren für die Landwirtschaft, was bereits jetzt zunehmend Probleme bereitet. Hinzu kommt die Beeinträchtigung durch die Nutzung der Flächen, beispielsweise durch Straßenverkehr oder immer neue Siedlungen und damit einhergehende Probleme wie Lärm und Staubentwicklung.

Der große Flächenverbrauch ist eines der Probleme, denen ich meine ganze Aufmerksamkeit widmen werde. Die Ursachen sind vielfältig: der Siedlungsdruck, die Ausweisung großer Gewerbegebiete, der Bau von Umgehungsstraßen. Gleichzeitig werden die vorhandenen Flächen nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion sondern auch für bioenergetische Zwecke genutzt. Wie kann man das ändern? Gewerbeflächen mitten in der Landschaft dürfen nicht genehmigt werden. Die Vorgaben des Landesentwicklungsplans für Einzelhandelsflächen müssen strenger werden. Biogasanlagen müssen mit einem höheren Anteil an Reststoffen betrieben werden. Die Ausweisung von neuen Wohngebieten muss maßvoll erfolgen. Weiträumige Umgehungsstraßen lehne ich ab. Der öffentliche Verkehr hat Vorrang. Mein Ziel ist es, mich mit den für die Ortsplanung zuständigen Bürgermeistern und Räten auf eine Begrenzung des Flächenverbrauchs und auf eine interkommunale Abstimmung der Flächennutzungspläne zu verständigen.

1) Soweit ich sehe, sind ursächlich für den Flächenverbrauch folgende Tendenzen: a) Siedlungsdruck: Beim Bauen gilt: Höhe vor Breite - Innenstädte und Dorfkerne stärken. Der Ansiedelung von Einkaufszentren auf der grünen Wiese stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. b) Straßenbau: Auch neue Straßentrassen begeistern mich nicht. Besser ist, bestehende aus- oder umzubauen. c) Gewerbe, Industrie und industrielle Landwirtschaft: Viele und gute neue Arbeitsplätze rechtfertigen in der Regel einen zusätzlichen Flächenbedarf. 2) Will man die Entwicklung vom Großraum München nicht nachhaltig behindern (Dampfkessel), so wird man den Flächenverbrauch im Norden des Landkreises nicht gänzlich verteufeln dürfen. Die Flächen sind sehr wertvoll - in jeder Hinsicht. Mein Augenmerk wird sich darauf richten, durch die Entwicklung der Flächen für das Gemeinwohl mehr Vorteile zu erzielen als Nachteile in Kauf genommen werden müssen.

Ein schwieriger Spagat! Wir sind ein Zuzugslandkreis in einem expandierenden und wirtschaftsstarken Raum; das Thema Infrastruktur spielt eine wichtige Rolle. Grundsätzlich liegt die Planungshoheit bei den Gemeinden, der Landkreis hat nur wenig Einflussmöglichkeiten. Der Ausbau von leer stehenden landwirtschaftlichen Gebäuden muss z.B. erleichtert werden. Es kann nicht sein, dass neue Baugebiete ausgewiesen werden und in den Dörfern große leer stehende Gebäude ungenutzt verfallen. Als Landrat möchte ich darauf hinwirken, dass der Gestaltungsspielraum bei den Ausgleichsflächen genutzt wird und möglichst wenig landwirtschaftliche Flächen aus der Produktion genommen werden. Eingriffe sollen vermehrt durch einen finanziellen Ausgleich für Naturschutzkonzepte kompensiert werden. Flächen zur Erzeugung regenerativer Energien sollen grundsätzlich von der Pflicht zur Gestellung von Ausgleichsflächen ausgenommen werden, da sie bereits in sich ein ökologischer Ausgleich sind.

Wir müssen den Landkreis vor weiterem unverantwortlichen Flächenverbrauch schützen. Eine meiner ersten Maßnahmen als Landrat wäre die Einberufung einer Landkreis-Konferenz genau zu diesem Thema. Einladen würde ich die Bürgermeister unter Einbeziehung des regionalen Planungsverbandes. Diese Versammlung hätte den Sinn, die Flächennutzungspläne der Gemeinden und sämtliche Vorgaben der übrigen Bauleitplanung gegenüber zu stellen. Auf dieser Grundlage soll eine öffentlich geführte Auseinandersetzung stattfinden mit dem Ziel, die Zukunft unserer Heimat zu definieren und zu bewahren. Konsequent setze ich mich für die Beschränkung überdimensionierter Planungen ein. Eine weitere rasante Verdichtung hätte auch eine sprunghafte Verkehrsentwicklung zur Folge. Die Regionalität unserer Landwirtschaft wird in einigen Jahren immer wichtiger werden. Daher würde ich auch die Strukturen des Landratsamtes einsetzen, um die Regionalvermarktung nach allen Kräften zu unterstützen.

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Quelle:
SZ vom 16.02.2013
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