Im Kreistag EbersbergLandratsamt unter Beschuss

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Das Ebersberger Landratsamt um Behördenchef Robert Niedergesäß musste zuletzt viel Kritik einstecken. Vor allem die Grünen im Kreistag legen immer wieder ihre Finger in die Wunden.
Das Ebersberger Landratsamt um Behördenchef Robert Niedergesäß musste zuletzt viel Kritik einstecken. Vor allem die Grünen im Kreistag legen immer wieder ihre Finger in die Wunden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In den vergangenen Wochen haben die Grünen gleich zwei Vorfälle ausgegraben, bei denen Landrat Robert Niedergesäß und dessen Verwaltung nicht gut wegkommen. Der Behördenchef spricht von Wahlkampftaktik, die Ökopartei bestreitet das – und bekommt überraschende Unterstützung.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Als Erstes war da diese Sache mit der Schulungssoftware. Ohne dafür die Zustimmung des Kreistags zu haben, hat die Verwaltung im Ebersberger Landratsamt über mehrere Jahre hinweg eine Millionensumme für ein Programm ausgegeben, das von den Mitarbeitern letztlich gar nicht wirklich verwendet worden ist. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) musste einen „Fehler“ eingestehen und sah sich zu einer Entschuldigung genötigt. Aufgedeckt hatte diesen durchaus bemerkenswerten Fall von Steuergeldverschwendung die Fraktion der Grünen im Kreistag, die Anfang März einen entsprechenden Fragenkatalog am Landratsamt einreichte. Nun hat die Behörde erneut Post von der Ökopartei bekommen – und wieder geht es um vermeintliche Versäumnisse von Verwaltung und Landrat.

Diesmal sind die Anliegen der Grünen allerdings nicht als Fragen, sondern als Feststellungen formuliert. Es geht um die Vorgänge rund um das sogenannte Public-Private-Partnership-Modell (PPP), mit dem der Landkreis den Bau des Gymnasiums in Kirchseeon finanziert hat. Eigentlich sind solche Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft keine Seltenheit, in dem Fall lief jedoch nicht alles rund. Weil der Landkreis den Projektvertrag vorzeitig kündigte und schließlich auch die Zahlung der Tilgungsraten einstellte, kam es zu einem Rechtsstreit, den das Landratsamt letztlich verloren hat. Auf den dadurch entstandenen Prozess- und Anwaltskosten – eine Summe von mehreren hunderttausend Euro – wird die Behörde deshalb wohl sitzen bleiben.

Die Grünen sehen Landrat Robert Niedergesäß persönlich in der Verantwortung

All das ist zwar bereits bekannt, dennoch fordern die Grünen nun, der Kreis- und Strategieausschuss möge die damaligen Vorgänge durch einen Beschluss offiziell dokumentieren. In dem Schreiben, das die Partei dazu beim Landratsamt eingereicht hat, kommt vor allem einer nicht sonderlich gut weg: Landrat Robert Niedergesäß. Dieser soll gegen die Geschäftsordnung des Kreistags verstoßen haben, „indem er einen Rechtsstreit riskiert und über drei Instanzen fortgeführt hat, der seinen Verfügungsrahmen erkennbar überschritt“, wie es im Antrag heißt. Der Landrat habe seinen ursprünglichen Fehler auch dann nicht wettzumachen versucht, als dies im Urteil des Landgerichts moniert worden sei. Den Grünen zufolge haben die Richter damals festgestellt, dass bei einer Kündigung des Projektvertrages der Kreistag hätte eingebunden werden müssen. Das sei jedoch nicht geschehen.

Diesen Fehler räumt das Landratsamt in einer Stellungnahme auch ein – und erklärt das Versäumnis mit den „Wirren der Corona-Pandemie“, die die Mitarbeiter damals auf Trab gehalten habe. „Die Verwaltung war in dieser Zeit mit Krisenmanagement voll und ganz gefordert, so dass die reguläre Arbeit leider vernachlässigt werden musste“, schreibt die Behörde. Selbst dem Landrat sei das entsprechende Urteil damals nicht vorgelegt worden, sonst hätte dieser unmittelbar Konsequenzen daraus gezogen. Davon abgesehen seien die Mitglieder des Kreistags aber regelmäßig über den Fortgang des Verfahrens informiert worden. Auch mit den Kosten des Rechtsstreits, die man durch Verhandlungen mit der Versicherung von ursprünglich 420 000 Euro auf inzwischen 350 000 Euro reduzieren konnte, sei man stets transparent umgegangen.

Landrat Robert Niedergesäß hält den neuerlichen Antrag der Grünen für Wahlkampftaktik.
Landrat Robert Niedergesäß hält den neuerlichen Antrag der Grünen für Wahlkampftaktik. (Foto: Christian Endt)

Dass die Grünen das Thema nun erneut aufgreifen, ärgert deshalb den Landrat. Dies „mag auch dem beginnenden Kommunalwahlkampf geschuldet sein – ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, lässt sich Robert Niedergesäß in der Stellungnahme seiner Behörde zitieren. Er jedenfalls bedauere es persönlich sehr, „dass die bisher menschlich sowie sachlich konstruktive und angenehme Zusammenarbeit zum Wohle des Landkreises nun wohl aus parteipolitischen Gründen in eine offene und persönliche Konfrontation münden soll“.

Ein Antrag als Wahlkampfauftakt? Diesen Vorwurf weisen die Grünen entschieden zurück. Der Kreistag sei dazu da, die Verwaltung zu kontrollieren, sagt der stellvertretende Fraktionssprecher Benedikt Mayer auf Nachfrage der SZ. Den Vorwurf des Landrates will er deshalb so nicht stehen lassen. „Wenn wir nichts machen, dann sind wir Penner. Wenn wir etwas machen, dann soll es Wahlkampf sein“, sagt Mayer. Der Antrag sei keineswegs dazu gedacht, den Landrat und die Verwaltung bloßzustellen. Vielmehr gehe es darum, zu prüfen, ob bei den Vorgängen rund um das PPP-Modell womöglich etwaige Rechtsverletzungen vorliegen. Genau das fordern die Grünen nämlich in ihrem Schreiben: „Aufgrund dieses kritikwürdigen und geschäftsordnungswidrigen Verhaltens kann der Verwaltung für das Haushaltsjahr 2020 keine Entlastung erteilt werden“, stellen die Grünen in ihrem Antrag fest und beantragen eine externe Prüfung durch die Regierung von Oberbayern.

Benedikt Mayer verweist darauf, dass das Thema bereits seit einigen Jahren ungeklärt sei, oder wie er es formuliert: „Es wird versucht, das in der Tiefkühltruhe aufzubewahren.“ Durch einen Beschluss des Kreis- und Strategieausschusses solle die Aufklärung nun endlich vorangetrieben werden. „Seit zwei Jahren herrscht Funkstille“, kritisiert Mayer, „da ist es unsere Aufgabe, mal nachzuschauen.“ Durch ihre „Detektivarbeit“ machen sich die Grünen allerdings nicht nur Freunde, wie die Reaktion von Landrat Niedergesäß zeigt.

Auch die AfD will die Vorgänge rund um den PPP-Rechtsstreit endlich aufgeklärt haben

Derweil bekommt die Ökopartei bei ihrem jüngsten Gesuch Unterstützung aus einer ganz anderen politischen Ecke: Auch AfD-Kreisrat Manfred Schmidt hat sich am vergangenen Wochenende mit einem Antrag zum PPP-Modell an das Landratsamt gewandt. Er fordert darin, „die Verantwortlichkeit einzelner Personen und ggf. deren mögliches Maß persönlichen Verschuldens zu prüfen“. Ähnlich wie die Grünen kritisiert Schmidt, dass es in der Sache zuletzt wenig Bewegung gegeben habe, einen weiteren Verzug halte er jedenfalls „für unverantwortlich“.

Die Frage, ob die Verwaltung und damit auch Landrat Robert Niedergesäß im PPP-Rechtsstreit womöglich fahrlässig gehandelt und unnötigerweise Steuergelder verschwendet haben, dürfte sich also bald klären. Die Causa droht nach dem Fiasko mit der teuren Schulungssoftware der nächste publik gewordene Fehltritt der Behörde zu werden.

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