Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Eklat um Einstellungsstopp im Landratsamt

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Politik und Amtsleitung wollen 2022 weiterhin kräftig sparen. Doch das stößt bei den Vertretern der Fachbereiche auf heftige Kritik.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

In der Verwaltung des Landkreises zeichnet sich ein Konflikt um die Erfüllbarkeit politischer Vorgaben ab. Dies war am Montag im Kreis- und Strategieausschuss zu beobachten. Dort wurden die Budgets der einzelnen Fachbereiche der Behörde für 2022 vorberaten. Dabei machten Vertreter der Abteilungen deutlich, dass sie mit den vorgeschlagenen Summen nicht arbeiten könnten. Auch ein Einstellungsstopp, wie ihn die Amtsleitung zur Abstimmung gestellt hatte, wurde von Seiten der Fachbereiche hart kritisiert.

Hintergrund ist die angespannte Lage, die Finanzmanagerin Brigitte Keller vorstellte. Diese hat aber nicht nur mit Corona zu tun. So verzeichnete der Landkreis 2020 einen Verlust von 16,6 Millionen Euro, Ursache war eine Gewerbesteuer-Rückzahlung von 23,52 Millionen. Das Geld stammte aus dem Gewerbegebiet Seegras-Stadel, voriges Jahr sprachen die Finanzbehörden die Einnahmen aber der Stadt München zu. Zwar ist ein Gerichtsverfahren angestrengt, Zeitplan und Erfolgsaussichten sind indes unbekannt. Nach einem leichten Plus heuer zwischen 2,1 bis 3,8 Millionen Euro, wird für das kommende Jahr wieder mit einem Minus gerechnet, nach aktuellem Stand um die 2,2 Millionen.

Dabei ist die Einnahmensituation eigentlich gut, die Einkünfte aus der Kreisumlage steigen: 86,5 Millionen Euro sind es voraussichtlich heuer, kommendes Jahr könnten es durch die gestiegene Umlagekraft zwischen 13,9 und 15,1 Millionen Euro mehr werden. Inklusive gestiegener Grunderwerbsteuer und abzüglich einer eventuell höheren Bezirksumlage, geringeren Zuweisungen und einem Verlustausgleich für die Kreisklinik steht unterm Strich kommendes Jahr ein Plus zwischen 7,8 und 10,1 Millionen Euro.

Aber auch die Ausgaben steigen: Laut Landrat Robert Niedergesäß (CSU) hätten die Fachbereiche insgesamt rund 13 Prozent mehr Mittel gefordert. Die Verwaltung habe die sogenannten Eckwerte dann auf etwa acht Prozent Plus festgelegt. Insgesamt erhöhen sich die Ausgaben für die fünf Fachbereiche so von heuer 67,7 Millionen Euro auf 73,3 im kommenden Jahr. Außerdem wolle man das bereits für den aktuellen Haushalt beschlossene Ziel, die Budgets um 2,5 Prozent zu unterschreiten, beibehalten. Zudem soll der Stellenplan eingefroren werden, bei frei werdenden Stellen "ist zu prüfen, ob und an welcher Stelle eine Nachbesetzung am dringlichsten ist".

Angesichts der Tatsache, dass die Eckwerte im aktuellen Haushalt vielerorts überschritten würden, hätte er gerne die Fachbereiche gehört, so SPD-Kreisrat Albert Hingerl. Konkret wolle er wissen, "ob sie mit den Zahlen arbeiten können".

Zumindest die anwesenden Vertreter gaben als Antwort ein klares Nein. Etwa Jugendamtschef Christian Salberg, dessen Budget besonders stark wachsen wird, von 15,9 auf 18 Millionen Euro. 2,5 Prozent einzusparen sei schlicht nicht möglich, zumindest im Bereich der Pflichtaufgaben, diese machten den allergrößten Teil der 18 Millionen aus, lediglich rund 800 000 Euro seien freiwillige Leistungen.

Ähnlich sieht das auch in anderen Fachbereichen aus. Friederike Paster, Juristin der Unteren Naturschutzbehörde, erklärte, das Einzige, das sich in ihrem Fachbereich einsparen lasse, sei die zusätzliche Stelle zur Umsetzung des Windkraft-Bürgerentscheides. Toni Prietz von der Liegenschaftsabteilung verwies darauf, dass man am Unterhalt sparen, dies aber langfristig teurer werden könne. Zudem seien hier Grenzen gesetzt: Wenn der bauliche Zustand eine Gefahr für die Nutzer darstelle, müsse man handeln, Eckwert hin oder her.

Die Haushaltslage sei sicher angespannt, so Karin Stanuch vom Personalrat im Landratsamt: "Aber man macht es sich zu einfach", dies über die Personalkosten kompensieren zu wollen. Stanuch verwies auf die Mehrarbeit vieler Mitarbeiter während der Corona-Krise. Ihnen jetzt zu sagen, es gebe keine Entlastung, sei "demotivierend" und "definitiv das falsche Zeichen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit". Auch Nachbesetzungen "nach Gutdünken von Politik und Amtsleitung" seien kritisch: "Keine Führungskraft wird mehr einem Wechsel von Mitarbeitern zustimmen, wenn man befürchten muss, dass die Stelle nicht nachbesetzt wird." Margrita Schwanke-Berner vom Personalservice im Landratsamt warnte gar vor einem "Hauen und Stechen unter den Führungskräften", wenn Nachbesetzungen zur Disposition stünden. Für den Betriebsfrieden sei dies ganz sicher abträglich, so die Stellungnahme der Arbeitgeberseite - die der Landrat prompt als "Personalrat hoch zwei" kommentierte.

"Ich hoffe, dass das nicht zu irgendwelchen Verwerfungen im Landratsamt führt", sagte Hingerl, "aber ich fand es sehr informativ". Er regte an, lieber einige "teure Beschlüsse" der Vergangenheit aufzuheben - etwa die von der SPD stets abgelehnten Wasserstoff-Busse. Mehr Ausgabendisziplin forderte auch Stellvertretender Landrat Walter Brilmayer (CSU): Man müsse "alle Anträge daraufhin überprüfen, was es kostet, sowohl Geld, als auch Aufwand". Das Einfrieren des Stellenplans lehnte er nicht ab, das sei immer noch besser, als am Ende Stellen streichen zu müssen. Alexander Müller (FDP) beschwor die "dramatische Situation", er warnte, ohne Einsparungen drohe sogar eine Haushaltssperre. "Wir kommen gar nicht umhin, einen Sparhaushalt zu fahren."

Karl Schweisfurth (ÖDP) hatte einen anderen Vorschlag. Er bezog sich auf eine Berechnung der Kämmerei, wonach eine Erhöhung der Kreisumlage um zwei Punkte das Minus im kommenden Jahr in ein Plus von rund 9,7 Millionen umwandeln würde. Natürlich werde dies die Gemeinden belasten, so Schweisfurth, aber die könnten ja im Gegenzug die Grundsteuer erhöhen und so einen Teil der gestiegenen Immobilienpreise abschöpfen. Was dann allerdings auch die Mieter belasten werde, gab Landrat Niedergesäß zu bedenken. Deswegen: Eine Erhöhung der Kreisumlage "kann ich mir politisch nicht vorstellen." Das machte auch Martin Wagner (CSU) klar: "Viele Kommunen sind stark belastet, fast pleite". Auch er mahnte zur Ausgabendisziplin, einige Investitionen werde man schieben müssen - aber zuerst müsse man "den konsumptiven Bereich bremsen, auch wenn es manchmal weh tut".

Dies sah am Ende die Mehrheit im Ausschuss so, gegen die Stimmen von SPD und Grünen wurde der Einstellungsstopp beschlossen.

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Quelle:
SZ vom 21.07.2021
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