Landkreis Ebersberg:Zwei Duschen, 170 Flüchtlinge
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Von Christian Endt
Auf dem Boden des Duschraums steht eine Wasserpfütze. Einer Dusche fehlt die Haltestange für die Brause; sie liegt unter dem Waschbecken. Wände und Böden sind von einem gelben Schmutzbelag überzogen. Eine WC-Kabine hat keine Tür, das Scharnier ist kaputt, die Tür lehnt an der Wand. Eine dicke Schicht eingebrannter Speisereste bedeckt den Herd im Küchenraum.
Seit Februar 2015 leben an die 50 Asylbewerber in Zorneding. Nach einem knappen Jahr ist der Container am Bahnhof in erschreckendem Zustand. Schon mehrmals mussten die Armaturen der Duschen gewechselt werden, weil sie kaputt waren. Auch am Fahrradschuppen ist eine Tür kaputt. Immerhin eine Waschmaschine konnte der Helferkreis inzwischen repapieren.
Auch in anderen großen Asylbewerber-Unterkünften sind die Mängel zahlreich. In der Turnhalle in Kirchseeon seien über Wochen hinweg nur zwei von elf Duschen funktionsfähig gewesen, berichten Mitglieder des Helferkreises - für 170 Bewohner, Toiletten und Duschen seien stark verschmutzt. Aus den Kühlschränken krieche der Schimmel.
Zu wenig Privatssphäre
Das Landratsamt möchte den Zustand der Unterkünfte nicht bewerten. Es lasse sich "leider nicht beantworten", ob die Verschmutzung im Bereich des Erwartbaren liege, erklärt Sprecherin Evelyn Schwaiger. Man erstelle Putzpläne, weise die Flüchtlinge in die Reinigung ein und stelle eine Grundausstattung an Putzmitteln zur Verfügung. Der Rest sei Sache der Bewohner. Nur in den großen Turnhallen gebe es professionelle Reinigungskräfte.
Aber nicht nur die hygienischen Bedingungen in den Unterkünften sind ein Problem. Am meisten leiden die Bewohner unter der mangelnden Privatsphäre. In Kirchseeon leben 165 Männer in einer Zweifachturnhalle. In langen Gängen steht ein Stockbett ohne Sichtschutz neben dem anderen. Wer eines der unteren Betten erwischt, kann sich wenigstens mit Handtüchern und Laken einen privaten Bereich abhängen. Wer oben liegt, den kann die ganze Halle sehen.
Im Vergleich dazu sind die Bedingungen im Zornedinger Containerdorf gut: Dort teilen sich je zwei Flüchtlinge einen der langen, schmalen Wohncontainer. Darin ist gerade Platz für zwei Betten, Kühlschrank und Schrank. Dazu gibt es im Erd- und im Obergeschoss je einen Aufenthaltsraum à 26 Quadratmeter. Im unteren steht eine Tischtennisplatte - damit ist der Raum auch schon voll. Als der Gemeinderat den Bauplan genehmigte, waren für die Gemeinschaftsräume je 42 Quadratmeter eingezeichnet. Außerdem war ein Arbeitsraum für Hausaufgaben vorgesehen, der fehlt komplett.
Immer mehr Asylbewerber leben in Turnhallen oder Containerdörfern
Insgesamt 1487 Asylbewerber leben derzeit im Landkreis. Der Anteil derer, die in einem Containerdorf oder einer Turnhalle wohnen, wird immer größer. Das geschieht aus der Not heraus. Den Entscheidern in Kreis und Gemeinden wären kleine Unterkünfte deutlich lieber. Davon lassen sich aber nicht genug finden.
Jede Woche müssen 37 Neuzugänge untergebracht werden. Weil aber nicht entsprechend viele Asylverfahren entschieden werden, steigt die Gesamtzahl der Bewerber immer weiter. In zwei Traglufthallen in Pliening und Poing sollen demnächst jeweils bis zu 300 Asylbewerber einziehen - auch, damit die Turnhallen geräumt werden können und den Schulen und Vereinen wieder für Sport zur Verfügung stehen. Das Landratsamt versucht, die Flüchtlinge nach einiger Zeit in kleinere Unterkünfte zu verlegen.
Wenig Platz, keine Privatsphäre, eine bunte Mischung verschiedener Nationalitäten und Religionen: Konflikte sind programmiert. Schon die Verteilung einer Kiste Bananen kann heftigen Streit auslösen. In den größeren Unterkünften ist rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst aktiv. Geht es richtig rund, kapituliert aber auch der: In Kirchseeon gebe es immer wieder Schlägereien, erzählen Insider.
Die Wachleute bringen sich dann häufig selbst in Sicherheit und warten, bis die Polizei da ist. Etwas besser ist die Situation in der Ebersberger Realschul-Turnhalle: Dort sind mit Bauzäunen und Planen vier Bereiche abgetrennt - ein Minimum an Privatsphäre für je etwa zwölf Bewohner.
In der Einfachturnhalle leben etwa fünfzig Menschen, knapp ein Drittel der Menge in der Mega-Unterkunft in Kirchseeon. Zu Auseinandersetzungen kommt es hier seltener. Die meisten Probleme, um die sich die Sicherheitsdienste kümmern müssen, sind harmlos: Wachleute erzählen von Konflikten um nächtlichen Lärm, häufig in Verbindung mit Alkohol; von unerlaubtem Damenbesuch und gelegentlichen Raufereien. "Das wäre bei deutschen Jungs nicht anders", sagt einer der Wachmänner. Wer mal in einem Schullandheim war oder im Bierzelt oder im Fußballstadion, weiß wovon der Mann spricht.
In den großen Unterkünften leben fast ausschließlich junge Männer, die meisten sind zwischen 18 und Anfang 30. Es kommen viele verschiedene Nationalitäten zusammen, meist fehlt eine gemeinsame Sprache. Dazu kommen häufig Traumata, die sie aus der Heimat oder von ihrer Flucht mitbringen, lange Zeiten der Ungewissheit im Asylverfahren und fehlende Beschäftigung.
Welche kulturellen Unterschiede es gibt
Der Wachmann erzählt aber auch von kulturellen Besonderheiten vor allem der Afrikaner, die das Zusammenleben erschweren. So gebe es zwar einen Putzplan, den aber viele Bewohner nicht erfüllten, weil Putzen in ihren Gesellschaften Frauensache sei und eines Mannes unwürdig. "Wenn mal einer sauber macht, dann spät am Abend, damit ihn die anderen nicht sehen", sagt der Mann vom Sicherheitsdienst.
Kaputte Teile der Einrichtung repariert das Landratsamt angeblich bewusst nicht. Dadurch sollen die Bewohner dazu erzogen werden, besser auf ihre Unterkunft aufzupassen. So zumindest bestätigen es mehrere Quellen bei Helferkreisen und Sicherheitspersonal. Das Landratsamt dagegen erklärt, die Hausmeister würden sich um Reparaturen kümmern; man müsse dabei allerdings Prioritäten setzen.
In der Soziologie gibt es die sogenannte Broken-Windows-Theorie: Danach zieht ein zerbrochenes Fenster weitere Zerstörung an und kann zum Ausgangspunkt des Verfalls eines ganzen Hauses werden. Marc Keuschnigg von der Uni München hat die Theorie auf Ordnung und Unordnung übertragen. Seine Experimente zeigen, dass Menschen in einer bereits vermüllten Umgebung dazu neigen, selbst Abfälle auf den Boden zu werfen. "Wo Müll liegt, kommt mehr Müll dazu", sagt Keuschnigg.
Dieses Prinzip lasse sich durchaus auch auf Asylbewerberheime übertragen, in denen einzelne ihren Reinigungspflichten nicht nachkommen, so der Forscher: "Wo es schlimm ausschaut, besteht natürlich die Tendenz, dass man schlimm weitermacht." Folgt man dieser Argumentation, müssten Schäden konsequent repariert werden - und konsequent auf die Einhaltung der Putzdienste bestanden.
Wie die Bewohner zum putzen gebracht werden könnten
Prinzipiell sei es denkbar, bei Regelverstößen das Taschengeld zu kürzen, so das Landratsamt. Der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, schlägt in einem Interview mit der Welt vor, Asylbewerber für die Mithilfe bei Reinigungs- und Ordnungsdiensten mit einem zusätzlichen Taschengeld zu belohnen. Beide Varianten würden aber am fehlenden Personal für die nötigen Kontrollen scheitern.
Inzwischen denkt das Landratsamt darüber nach, in den größeren Unterkünften ein Catering einzuführen. Zumindest gäbe es dann keine Probleme mit verdreckten Küchen, ungespültem Geschirr und schimmligen Kühlschränken. Leiden würde allerdings die Selbstbestimmung der Bewohner, auch der Verwaltungsaufwand würde möglicherweise steigen.
Die Helferkreise geben sich Mühe, die Unterkünfte wohnlicher und angenehmer auszustatten, stolpern aber über eine Menge an Restriktionen: In den Containern, die das Landratsamt für vier Jahre gemietet hat, dürfen keine Nägel in die Wand geschlagen werden. In den Turnhallen gibt es kaum Tische und Stühle, aus Brandschutzgründen.
Beim Deutschkurs von Ehrenamtlichen und Schülern des Gymnasiums in der Kirchseeoner Halle, sitzen die Teilnehmer auf dem Boden. Hier laufen allerdings Gespräche, um abends Klassenräume der Schule nutzen zu können. Eine weitere positive Entwicklung: Immer mehr Asylbewerber können in Schulen und Sprachkursen untergebracht werden. So kommen sie heraus aus der Isolation und Enge der Massenunterkünfte. Vormittags herrscht dort inzwischen meistens Leere. Jetzt fehlen nur noch Arbeitsplätze für die Hausaufgaben am Nachmittag.