Energiewende im Landkreis Ebersberg:Mäßiger Aufwind für Rotoren

Brucker Windrad MIT WALD

Das Windrad in Bruck produziert seit 2016 Strom. Viel hat sich seither nicht getan - und wenn es nach dem Großteil der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister geht, wird das auch so bleiben.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In vielen Rathäusern deutet man das positive Ergebnis des Bürgerentscheids zur Windenergie im Forst als wegweisend. Beim Bau von eigenen Anlagen ist die Mehrheit der Kommunen jedoch noch zurückhaltend.

Von Karin Pill, Andreas Junkmann und Wieland Bögel

Spätestens seit dem Bürgerentscheid kommen die Bewohner des Landkreises am Thema Windkraft nicht mehr vorbei. Zwar stimmten beim Entscheid Mitte Mai nur 52,74 Prozent der Menschen im Kreis für den Bau von Windrädern im Ebersberger Forst, ein recht knappes Ergebnis also. Doch viele Gegner erklärten, sie seien nicht per se gegen Windräder, sondern nur gegen deren Bau im Landschaftsschutzgebiet.

Eine Konsequenz dieser Abstimmung für die Kommunen könnte demnach sein, den positiven Aufwind des Bürgerentscheids zu nutzen und die 10-H-Regelung eigenmächtig zu entkräften. Diese Regel, 2014 von der Bayerischen Staatsregierung beschlossen, besagt, dass Windräder zu den nächstgelegenen Wohnhäusern einen Abstand einhalten müssen, der dem Zehnfachen ihrer Höhe entspricht. Oft wird damit ein Ausweichen auf großflächige Wälder unvermeidbar - wie etwa im Ebersberger Forst.

Mithilfe eines Bebauungsplanverfahrens können Kommunen davon jedoch eine Ausnahme machen und geeignete Standorte ausweisen, die näher an Wohnhäusern liegen. Rund zwei Monate nach dem Bürgerentscheid hält sich das Bestreben, die 10-H-Regel zu kippen, jedoch in Grenzen: Die Mehrheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vermeldet, dass noch keine weiteren Pläne für Windräder in ihrer Gemeinde bestünden.

Kathrin Alte (CSU), deren Gemeinde Anzing mit den meisten Nein-Stimmen beim Bürgerentscheid votierte, sagt, dass der Gemeinderat sich mit dem Thema noch nicht befasst habe, sondern auf weitere Planungen auf Kreisebene warte.

Als "Signal, um weitermachen zu können," deutet der Aßlinger Bürgermeister Hans Fent (parteilos) das Wahlergebnis beim Bürgerentscheid. Knapp 60 Prozent der Aßlingerinnen und Aßlinger stimmten für Windräder im Ebersberger Forst. Die nächsten Schritte seien nun, in "engem Schulterschluss" mit der Ebersberger Energieagentur und den Nachbarkommunen weitere Planungen voranzutreiben, so Fent. Konkret sei aber noch nichts umgesetzt worden.

In Baiern, der Gemeinde mit den zweitmeisten Ja-Stimmen beim Bürgerentscheid, möchte man das Thema "sicher mal auf die Agenda setzen", so Bürgermeister Martin Riedl (CSU), "aber erst in etwa einem halben Jahr".

Josef Schwäbl (CSU), Bürgermeister in Bruck, gibt an, dass in seiner Gemeinde gerade kein weiteres Windrad vorgesehen sei. Seit 2016 steht in Bruck im Ortsteil Hamberg bereits das erste Windrad des Landkreises.

Für Ebersberg geht es seit Mitte Juni mit der Planung potenzieller Standorte weiter. Auf Basis des 2013 für den gesamten Landkreis erarbeiteten Konzepts wollen die Ebersberger sogenannte Potenzialflächen in ihre Flächennutzungspläne schreiben. Der zuständige Ausschuss des Stadtrates hat dies einstimmig beschlossen. Durch eine eigene Bauleitplanung kann Ebersberg die bayernweite 10-H-Regel unterlaufen, das ist allerdings mit einem gewissen Aufwand verbunden. Seitens des städtischen Bauamtes geht man von einer Verfahrensdauer "nicht unter zwei Jahren" aus.

Neben dem Bau eines Windrades im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Höhenkirchner Forst bestünden in Egmating keine weiteren Planungen, wie eine Mitarbeiterin der Gemeinde mitteilt.

In Emmering, wo knapp 66 Prozent für den Bau von Windrädern im Ebersberger Forst gestimmt haben, ist Bürgermeisterin Claudia Streu-Schütze (Freie Wähler) nach eigenen Angaben selbst erstaunt gewesen über das positive Ergebnis. Ihr zufolge könnte das am nah gelegenen Windrad in Hamberg liegen, das bei einigen Bürgern gut ankäme. Da sie aber das erste Jahr im Amt sei, "muss ich gestehen, gibt es noch keine Pläne".

Weniger Fürsprache für Windräder im Forst kam aus Forstinning. Hier stimmten beim Windkraftentscheid mehr als 65 Prozent dagegen. Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU) sagt dennoch, dass er sich noch vor der Sommerpause mit seinen Amtskollegen aus den angrenzenden Gemeinden des nördlichen Landkreises über das weitere Vorgehen beraten wolle.

In Frauenneuharting gebe es zwei Flächen, die laut der Ebersberger Energieagentur für Windräder geeignet wären, so Bürgermeister Eduard Koch (Wählergemeinschaft Frauenneuharting). Der Eigentümer einer dieser Flächen sei auch gewillt, sein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Koch zufolge wollte der Eigentümer jedoch den Ausgang des Bürgerentscheids abwarten. Nun will der Rathauschef erneut auf die Bewohner zugehen.

In Glonn, wo kreisweit die meisten Einwohner für die Windräder im Forst gestimmt haben, gebe es, so Bürgermeister Josef Oswald (CSU), keine Planungen für Windkrafträder in der Gemeinde. Es sei schwierig, den Bürgern zu vermitteln, warum die 10-H-Regel unterschritten werden solle, die Oswald zufolge zum Schutz der Bürger entwickelt wurde. Er verweist auf die für Juli geplante Bürgermeisterdienstbesprechung, bei der die Thematik mit allen Kommunen noch einmal besprochen werden solle.

Auch Christian Bauer (CSU), Bürgermeister in Grafing, sagt, es gebe noch keine direkten Planungen. Bauer "versperre" sich dem zwar nicht, "aber es muss wirtschaftlich sein".

Auch wenn die Hohenlindener mit knapp 68 Prozent recht eindeutig gegen die Windräder im Ebersberger Forst abgestimmt haben, findet Bürgermeister Ludwig Maurer (ÜWH), dass "man sich dem Thema nicht verwehren kann". Eine große Debatte über eine Umsetzung in der Gemeinde gab es bisher trotzdem noch nicht. Aufgrund der nahegelegenen Wetterstation in Schnaupping, Landkreis Erding, wäre nur ein höhenbegrenztes Windrad möglich, und das sei, so Maurer, nicht wirtschaftlich.

Jan Paeplow (CSU), Bürgermeister des Marktes Kirchseeon, zufolge steht das Thema Windräder in seiner Gemeinde ebenfalls noch nicht auf der Agenda. "Ich glaube, dass wir das im Rahmen einer allgemeinen Debatte schon noch einmal diskutieren", so Paeplow, dennoch möchte er auch die Wahlergebnisse der Kirchseeoner Bürgerentscheid nicht außerachtlassen. Mit gerade einmal 50,76 Prozent fiel das Votum der Bürger sehr knapp für Windräder im Forst aus.

Als absoluten Befürworter der Windenergie bezeichnet sich Michael Stolze (parteilos), Bürgermeister in Markt Schwaben. Im Schulterschluss mit den Nachbargemeinden wie etwa Pliening, Forstinning und Anzing möchte er daher gute Standorte ausloten und für Modelle werben, die auch für die Bürger attraktiv sind. Stolze ist sich sicher: "Eine Energiewende ohne Windkraft gibt es nicht."

"Ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht" hätten mehrere Moosacher und Brucker Bürger, so Michael Eisenschmid (CSU), Bürgermeister in Moosach. Bereits im Januar 2020 reichten Bürger einen Antrag für ein Windrad im Ortsteil Fürmoosen ein. Nun sei die Planung in der Endphase so Eisenschmid. Er rechne mit einem konkreten Antrag für den Bau im kommenden Herbst.

In Oberpframmern fokussiere man sich gerade überwiegend auf den Bau des Windrades im Rahmen der ARGE Höhenkirchner Forst, in der sich neben Oberpframmern auch die Gemeinden Egmating, Höhenkirchen-Siegertsbrunn sowie die Landkreise Ebersberg und München zusammengeschlossen haben. "Da hängt so viel Arbeit dran, dass wir uns jetzt erst einmal darauf konzentrieren", so Andreas Lutz (CSU), Bürgermeister in Oberpframmern.

Der Plieninger Bürgermeister Roland Frick (CSU) sagt, es liege zwar ein Antrag vor, dass man sich des Themas annehmen solle, aber eine konkrete Planung gebe es auch hier noch nicht. Dennoch solle sich der Gemeinderat bald damit befassen, so Frick.

Auch in Poing werde sich der Gemeinderat bei der nächsten Sitzung Ende Juli der Thematik annehmen, so Bürgermeister Thomas Stark (CSU). Er betont jedoch, dass dies ohnehin auf der Agenda gestanden habe - auch ohne das Einbringen eines Antrags seitens der Grünen-Fraktion im Gemeinderat.

Aufgrund von diversen Reglementierungen seien Windräder in Steinhöring aktuell nicht angedacht, sagt Bürgermeisterin Martina Lietsch (Freie Liste Steinhöring). Neben diversen Biotopflächen, auf denen Windkraftanlagen nicht möglich sind, zählten dazu etwa Höhenbeschränkungen wegen der Schnauppinger Wetterstation.

In Vaterstetten gebe es zwar geeignete Standorte, "aber da fehlt's noch himmelweit", sagt Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Wegen der dichten Besiedelung in seiner Gemeinde sei der Bau mit der 10-H-Regel ohnehin ausgeschlossen, "aber selbst bei 3 H wird's schon schwierig", so Spitzauer. Doch er glaube auch, dass die kreisweite Konzentrationsflächenplanung bald wieder aufgegriffen werden könnte, die dann alle Gemeinden "vorantreiben" könnte.

Mit am weitesten fortgeschritten sind die Bestrebungen in Zorneding - zumindest sind Windräder auf Gemeindegrund seit wenigen Wochen keine abstrakte Idee mehr. In einem offenen Brief haben Bürgermeister Piet Mayr (CSU) und der Gemeinderat dem örtlichen Energie-Forum Mitte Juni ihre Unterstützung beim Bau von zwei bis drei Anlagen zugesagt. Damit nimmt das Thema Windkraft am Ort konkrete Formen an. Bis sich in Zorneding aber tatsächlich die Rotoren drehen, dürfte es noch ein langer Weg werden. Zunächst muss die Gemeinde geeignete Flächen finden und die Bürger mit ins Boot holen. Bürgermeister Mayr rechnet deshalb mit "drei bis vier Jahren", bis das Verfahren abgeschlossen ist.

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