Süddeutsche Zeitung

Windkraft im Landkreis:Aufwind im Süden

26 Windräder müssen bis 2030 im Landkreis Ebersberg entstehen, wenn es mit der Energiewende klappen soll. Erste Ideen zur Verteilung der Anlagen gibt es bereits.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Viele Jahre hat sich im Landkreis Ebersberg sehr wenig getan, um die Windkraft voranzubringen. Jetzt sollen die Planungen zu dem Thema an Fahrt aufnehmen: Bis Mitte 2022 sollen alle Gemeinden eine Entscheidung treffen, ob sie bei einer gemeinsamen Teilraumplanung für Windkraftanlagen mitmachen. Danach wird ein übergreifendes Konzept erstellt, für das der Landkreis in drei Bereiche aufgeteilt werden soll. Erste Ideen, wo wie viele Windräder entstehen könnten, gibt es bereits. Das meiste Potenzial böte demnach der Südosten, hier wären neun bis zehn Windkraft-Standorte denkbar.

Das zeigt jedenfalls eine Untersuchung von Sören Schöbel, Professor für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München. Er hat auch schon den Bürgerentscheid zum Windpark im Ebersberger Forst fachlich begleitet. Basis ist die Konzentrationsflächenplanung der Gemeinden, die vor zehn Jahren freilich unter ganz anderen Vorzeichen in die Wege geleitet worden war: Damals galten Windräder als privilegierte Projekte, für deren Genehmigung es nur wenige Hürden gab. Mit der gemeinsamen Planung wollten die Gemeinden einen Wildwuchs verhindern und von sich aus Bereiche definieren, wo die Windkraftnutzung dennoch möglich sein sollte. Diese Planung war dann schlagartig obsolet, als 2014 die bayerische Staatsregierung verfügte, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer eigenen Höhe von Wohnbebauung entfernt sein sollen. Zwar hätten die Gemeinden dennoch in ihrer eigenen Bauleitplanung Ausnahmen dazu festlegen können, doch dies geschah im Landkreis Ebersberg nicht - schließlich verärgern Kommunalpolitiker ungern mögliche Wähler, die von ihren Terrassen ungern Blick auf Windräder haben.

Nun aber wird die Dringlichkeit der Energiewende deutlicher, und die Tatsache, dass sich beim Bürgerentscheid im Mai eine Mehrheit der Landkreisbürger für den Windpark im Forst ausgesprochen hat, wird als weiteres Zeichen dafür gesehen, dass es an der Zeit ist, sich wieder intensiv mit dem Thema zu befassen. Und deshalb wird eben nun wieder die Konzentrationsflächenplanung von damals aus der Schublade geholt. Diesmal geht es nicht um eine Verhinderungsplanung - sondern darum, gemeinsam zu definieren, wo man Windräder haben möchte.

Und dazu sollen sich, so der Vorschlag Schöbels, den er nun im Umweltausschuss des Ebersberger Kreistags vorstellte, benachbarte und in der Struktur ähnliche Gemeinden in Gruppen zusammentun. Geplant werden soll in drei Teilräumen: dem nördlichen, in dem Vaterstetten, Anzing, Poing, Forstinning, Markt Schwaben und Forstinning zusammenarbeiten, dem südwestlichen mit den Gemeinden Zorneding, Kirchseeon, Oberpframmern, Egmating, Glonn, Moosach, Baiern und Bruck und schließlich dem südöstlichen, bestehend aus Aßling, Grafing, Ebersberg, Frauenneuharting, Emmering, Steinhöring und Hohenlinden.

Bereits jetzt ist klar, dass nicht überall gleich viele Windradstandorte möglich sind. Denn im stark besiedelten Landkreis-Norden, wo eine Standortsuche schon deshalb schwieriger wird, lässt sich außerdem auch nur eine vergleichsweise geringe Energieausbeute durch die Windkraft erwarten. Die so genannte "Windhöffigkeit" wird hier als eher niedrig eingeschätzt. Auf dem Areal der sechs nördlichen Gemeinden, das 18 Prozent der Freiflächen des Landkreises umfasst - also Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgenommen - könnten ersten Prognosen zufolge vier bis fünf Windenergie-Standorte ausfindig gemacht werden. Der schon etwas dünner besiedelte Südwesten, der 32 Prozent der Freifläche des Landkreises umfasst, könnte Platz für sechs bis sieben Standorte bieten. Der ländlich geprägte, hügelige Südosten - 36 Prozent der Freifläche des Landkreises - bietet die besten Bedingungen und verspricht eine gute Energieausbeute. Elf bis zwölf Anlagen wären hier denkbar. Hinzu kommen natürlich noch die Windräder im Ebersberger Forst, hier ist die Zahl ja bereits durch den Bürgerentscheid auf genau fünf definiert.

Die Zusammenarbeit in den Gemeinde-Clustern soll auch dazu beitragen, dass in ähnlichen Regionen des Kreises auch ähnliche Regeln gelten - etwa, was die Entfernung der Anlagen zur Wohnbebauung betrifft. Und sie soll verhindern, dass Gemeinden im Alleingang ihre Windräder so bauen, dass die eigenen Bürgerinnen und Bürger möglichst verschont, die der Nachbargemeinden hingegen belastet werden.

Eine Diskussion gab es im Umweltausschuss darüber, inwieweit sich der Landkreis bei dieser Planung mit einbringen soll - vor allem finanziell. Klimaschutzmanagerin Lisa Rütgers hatte vorgeschlagen, dass der Kreis auch die Kosten für die Begleitung der Gemeinden durch die Energieagentur übernimmt. Gut 40 000 Euro wären das ihrer Kalkulation zufolge im kommenden Jahr. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) vertrat aber eine andere Position: "Es ist klar so, dass die Rechnung die Gemeinden zahlen", sagte er. Zwar könnten die Gemeinden die Fachleute aus der Energieagentur des Landkreises bei ihrer Arbeit einbeziehen, aber eben auf eigene Kosten. Renate Glaser (ÖDP) und Bianka Poschenrieder (SPD) sprachen sich für eine finanzielle Beteiligung durch den Landkreis aus, im Sinne der "Generationengerechtigkeit", wie Glaser sagte, und um "endlich auf den Turbogang" zu schalten, so das Argument Poschenrieders.

Widerspruch kam aus der CSU. Kreisrat und Vaterstettener Gemeindechef Leonhard Spitzauer sagte, allen Bürgermeistern sei klar, dass die Gemeinden die Kosten selbst tragen müssten. So sei das auch bei der Bürgermeister-Dienstbesprechung kommuniziert worden. Ähnlich äußerte sich Josef Oswald, der auch Glonner Bürgermeister ist. Letztlich stimmten zehn von 15 Ausschussmitgliedern gegen eine finanzielle Beteiligung des Kreises.

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SZ vom 02.08.2021
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