Druck auf Eigentümer:Vaterstetten droht mit Enteignung

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Zwischen Purfing und Baldham-Dorf gibt es derzeit keinen Radweg - und das wird wohl auch erst einmal so bleiben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit fast zwei Jahrzehnten scheitert der Radweg nach Purfing an der Grundstücksfrage, nun reicht es einigen im Gemeinderat.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Die Großgemeinde macht Ernst beim Bau des Radweges nach Purfing. In der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses wurde nicht nur ein Antrag der CSU zu intensiveren Grundstücksverhandlungen einstimmig angenommen, ebenfalls ohne Gegenstimme votierte das Gremium dafür, die Flächen notfalls per Besitzeinweisung zu akquirieren.

Es gibt einige schöne Fahrradrouten auf Vaterstettener Flur - die Strecke zwischen Baldham Dorf und Purfing zählt nicht unbedingt dazu. Was nicht an der Landschaft liegt, der Weg führt über Felder, Wiesen und auch durch ein Waldstück. Allerdings auf einer schmalen, gewundenen Straße, die an manchen Stellen ziemlich unübersichtlich ist und die sich die Radler mit den Autos teilen müssen - von denen sich nicht immer alle an das dort vorgeschriebene Tempo 60 halten. Einen Radweg gibt es entlang der Parsdorfer beziehungsweise Purfinger Straße nicht. Sämtliche Versuche, dies zu ändern, scheiterten bislang an einigen Grundstückseigentümern, die für den Radweg keine Flächen verkaufen wollten.

Seit 2005 steht der Radweg auf der Agenda

Geht es nach der CSU, ist es mal wieder an der Zeit, einen neuen Versuch zu wagen. Die Fraktion hat daher den Antrag eingebracht, dass die Verwaltung erneut mit den Eigentümern der noch benötigten Flächen in Verhandlungen treten soll. Dabei soll die Gemeinde auch Ersatzflächen anbieten, falls jemand lieber tauschen als verkaufen möchte.

Im Ausschuss erläuterte Michelino Capezzuto-Zehetmeier den Antrag seiner Fraktion: Der Ortsteil Purfing sei der einzige in der Gemeinde, der nicht durch eine Fuß- und Radwegverbindung angebunden sei. Dies sei besonders für alle, die noch keinen Führerschein haben - in Purfing leben laut Capezzuto-Zehetmeier 78 Personen unter 18 Jahre - ein Problem, Stichwort: Schulwegsicherheit. Auch vor dem Hintergrund, dass sich Vaterstetten um eine Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen bemüht, sollte man endlich den Radweg nach Purfing bauen - oder wenigstens die Teilstücke, für die die Flächen verfügbar sind. Capezzuto-Zehetmeier erinnerte auch daran, dass die Sache bereits seit 20 Jahren diskutiert werde, "immer hieß es, man ist dran", passiert sei aber nie etwas.

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:Verhandlung und Verpflichtung

Kommentar von Wieland Bögel

Ganze zwei Jahrzehnte sind es zwar noch nicht, laut Verwaltung hatte man 2005 das erste Mal Grundstücksverhandlungen zum Radweg nach Purfing geführt. Aber "das Thema ist von Haus aus schwierig", räumte Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) ein, "das haben die Bürgermeister vor mir auch schon beackert". Ganz erfolglos sei man dabei auch nicht gewesen, der Großteil der benötigten Flächen sei entweder bereits im Besitz der Gemeinde oder die Eigentümer hätten signalisiert, dass sie grundsätzlich zum Verkauf oder Tausch bereit seien.

Einen abschnittsweisen Ausbau des Radweges hält man bei der Verwaltung nicht für sinnvoll

Allerdings gebe es auch Eigentümer, die entweder einen Verkauf ausschlössen, oder "Gegen-Geschäfte vorschlagen, die jeder vernünftigen Grundlage entbehren", so Spitzauer weiter. "Wir können nicht eins zu drei tauschen oder 50 Euro pro Quadratmeter zahlen", ergänzte Bauamtsleiterin Brigitte Littke. Erschwert würden die Verhandlungen dadurch, dass die meisten der verkaufsunwilligen Eigentümer nicht in der Gemeinde wohnten und die Grundstücke auch nicht nutzten. Bei einer Fläche ist laut Verwaltung der aktuelle Besitzer nicht aufzufinden, die Adresse habe bislang nicht ermittelt werden können.

Was man nicht tun sollte, so der Bürgermeister, ist den Radweg stückchenweise bauen: "Das ist nur sinnvoll, wenn es durchgängig ist." Er werde daher wie in dem Antrag gefordert erneut mit den verkaufsunwilligen Eigentümern reden - aber nicht unbegrenzt. Wenn sich zeige, dass einige partout nicht verkaufen wollten, bleibe in letzter Konsequenz nur, dass die Gemeinde einen Straßen-Bebauungsplan aufstelle, dann wären Besitzeinweisungen möglich, die Eigentümer würden also gezwungen, zu verkaufen. "Ich bin kein Freund von sowas", sagte Spitzauer, aber wenn am Ende der Radweg ansonsten nur wegen einiger kleiner Abschnitte nicht gebaut werden könne, müsse es eben sein.

Nun soll erneut verhandelt werden - aber vor der Drohkulisse "Besitzeinweisung"

Auch andere Optionen wurden noch diskutiert, so schlug Dritter Bürgermeister Roland Meier (FW) vor, man könne die Strecke doch zur Fahrradstraße mit Pkw-Benutzung umdeklarieren, wie man es innerorts auch auf einigen Straßen getan hat und wie es die Nachbarn in Feldkirchen am Heimstettener Weiher umgesetzt haben. Josef Mittermeier (SPD) regte an, den südlich der Straße verlaufenden Waldweg zu ertüchtigen, der werde ohnehin schon von vielen zum Radeln genutzt.

Klaus Willenberg (FDP) hatte an beidem so seine Zweifel. So würden auch auf der Fahrradstraße die Schulkinder wieder zwischen dem Autoverkehr radeln. Der Waldweg habe einen Nachteil, "wenn da wer stürzt, kommt vielleicht eine Stunde lang keiner vorbei", daher würde der Weg wohl nicht von allen angenommen. Daher solle man lieber gleich in die Planung für den Fuß- und Radweg einsteigen. Das unterstützte auch David Göhler (Grüne), vielleicht ließen sich einige der Eigentümer noch umstimmen, wenn sie merkten, dass ansonsten der Zwangsverkauf folgen könne. "Die Drohkulisse ist wichtig", befand auch Florian Pöhlmann (CSU).

Ohne Gegenstimmen wurde beschlossen, erneut in Grundstücksverhandlungen einzusteigen und bei deren Scheitern einen Straßen-Bebauungsplan aufzustellen. Sollte es am Ende zu Besitzeinweisungen kommen, könnte die Sache Vaterstetten gut ebenso lange beschäftigen wie der Vorlauf zum Radweg, wie ein Beispiel vom anderen Ende der Gemeinde zeigt: Um die Entschädigung für Grundstücke, die für die Raststätte Vaterstetten besitzeingewiesen wurden, hatten die Eigentümer mit der Autobahndirektion mehr als 20 Jahre vor den Verwaltungsgerichten verhandelt.

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