Brenner-Zulauf:Gerüstet für den Planfall

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Der Lärmschutz entlang der Strecke in Vaterstetten, hier der Baldhamer Bahnhof, ist nicht übermäßig. Die Gemeinde fordert Nachbesserungen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Gemeinde Vaterstetten schließt sich den Forderungen ihrer Nachbarn an die Bahn zu mehr Lärmschutz an der Strecke an.

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Mehr als 60 Jahre ist es her, da gruselten sich Kinobesucher vor Plan 9. So - mit dem Zusatz "aus dem Weltall" - lautete der Titel eines unter Filmfreunden inzwischen legendären Horrorstreifens des Trash-Regisseurs Ed Wood. Bahnanlieger der Gegenwart blicken dagegen mit Anspannung auf etwas, das fast genauso heißt: Planfall 9. Man könnte den Zusatz "aus Frankfurt" anfügen, denn wer da plant sind keine Aliens, sondern die Bahn. Wobei, dass die Bahn wirklich den Planfall 9 plant - der neue Gleise zwischen Trudering und Grafing-Bahnhof zum Ziel hat - ist derzeit ungefähr so sicher, wie ein Besuch der Aliens aus Ed Woods Film. In Vaterstetten will man trotzdem gewappnet sein und hat sich nun einem Forderungskatalog angeschlossen - natürlich einen, der an die Bahn gerichtet ist.

Befürchtet wird ein schlechterer Nahverkehr

Vorbild sind zwei Beschlüsse des Marktgemeinderates Kirchseeon und des Bezirksausschusses in Trudering-Riem. Hintergrund ist der in den kommenden Jahren wohl stark zunehmende Bahnverkehr vom und zum Brenner, wenn der dortige Tunnel in Betrieb geht. Bereits seit gut zwei Wochen gibt es zu dem Thema im südlichen Landkreis einige Aufregung. Die Bahn hatte kürzlich vier Entwürfe für mögliche Neubaustrecken zwischen Grafing-Bahnhof und Ostermünchen präsentiert, die Bewohner der Region fordern stattdessen einen Ausbau der bestehenden Strecke.

Genau umgekehrt ist dagegen die Position der Kirchseeoner, der sich die Truderinger und nun auch die Vaterstettener angeschlossen haben: Gefordert wird "die Wiederaufnahme der Planung, gemäß des ursprünglichen Planfalls 9 (...) Neubaugleise zwischen Grafing und Trudering". Diese seien nötig, um das Nahverkehrsangebot aufrecht zu erhalten, heißt es in der Vorlage. Denn seit Jahren gibt es die Befürchtung, wenn die Bahn mehr Verkehr auf der Brennerstrecke abwickeln muss, werde sie dazu auch auf die beiden Gleise für die S-Bahn zurückgreifen müssen. Tatsächlich hat der Schienenkonzern zu dieser Frage bisher eindeutige Aussagen vermieden, was bei Gemeinden wie Landkreis die Befürchtungen nicht gerade verringert hat.

"Langfristig kann der Verkehr nicht über die bestehenden Gleise geführt werden, ohne die S-Bahn massiv einzuschränken", heißt es dazu in der Vorlage aus Kirchseeon: "Dies widerspricht dem Zweck der besonderen S-Bahngleise zur Trennung des Mischverkehrs." Die Truderinger präzisieren dies dahingehend, die Kapazität sei "auf einen sauberen 10-Minuten-Takt zwischen München-Ost und Grafing-Bahnhof auszulegen, wie es seit Jahrzehnten der Fall ist".

Die Grünen sehen einen Tunnel kritisch

Die Befürchtung vor schlechterem S-Bahn-Angebot äußerten auch einige im Vaterstettener Umwelt- und Mobilitätsausschuss: "Es ist wichtig, dass die S-Bahn-Gleise frei bleiben", sagte etwa Josef Mittermeier (SPD). Seine Fraktionskollegin, Zweite Bürgermeisterin Maria Wirnitzer, verwies auf die Gefahren für an den Bahnhöfen wartende Fahrgäste, wenn dort Güterzüge mit Tempo 160 vorbeifahren würden. Und Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) erinnerte daran, dass auch durch die Neuorganisation des S-Bahn-Verkehrs nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke in der Großgemeinde Verschlechterungen geplant seien, konkret ein 15- statt des bisherigen Zehn-Minuten-Taktes. "Wir müssen schon schauen, dass wir nicht die Verlierer sind, bei diesen großen Infrastrukturprojekten."

Gegenrede - zumindest beim Punkt Trassenneubau - kam von den Grünen. Konkret störe man sich an der Forderung, die neuen Gleise in einem Tunnel zwischen Trudering und Grafing-Bahnhof anzulegen, sagte Stefan Ruoff: "Das wird nie kommen, weil es zu teuer ist." Allen anderen Forderungen von der Liste - Lärmschutz nach Neubaustandard und die Verlagerung des Bahn-Durchgangsverkehrs über Mühldorf - könne die Grünen-Fraktion schon zustimmen, aber eben keinen unrealistischen Dingen, wie der kompletten Untertunnelung. Die außerdem auch nicht besonders gut abschneide in Fragen von Umwelt- und Klimaschutz, so Ruoff, denn für einen Tunnel werde sowohl viel mehr Beton verbaut, als für eine oberirdische Trasse und zudem müsse wohl beim Bau auch einiges an Wald gerodet werden.

"Den Tunnel halte ich auch nicht für realistisch", räumte der Bürgermeister ein, allerdings sei ja auch generell nicht sicher, ob überhaupt neue Gleise zwischen Trudering und Grafing-Bahnhof gebaut würden. Dies hält auch Klaus Willenberg (FDP) für eher unwahrscheinlich: "Die neuen Gleise werden nicht kommen, ober- oder unterirdisch." Aber für den Fall dass, solle man sich schon einmal positionieren und zwar möglichst alle betroffenen Kommunen entlang der Strecke: "Wir brauchen eine starke gemeinsame Haltung", so Willenberg, darum solle man die Vorlagen aus Trudering und Kirchseeon unterstützen. "Wir sollten mit Maximalforderungen reingehen", sagte auch Mittermeier, "was am Ende dabei rauskommt, ist eine andere Frage."

Bei den drei Gegenstimmen der Grünen wurde beschlossen, dass sich Vaterstetten dem Forderungskatalog der Nachbarn anschließt. Dem Plan 9 aus Ed Woods Film blieb übrigens letztlich der Erfolg verwehrt. Wie es mit Planfall 9 aussieht, wird sich zeigen.

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