Naturschutz:Eine Oase für Springfrosch und Co.

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Ein Frosch zwischen Wasserlinsen und Seerosen: Die Lipplacke bietet Lebensraum für die verschiedensten Arten. (Foto: Christian Endt)

Mehr als 20 Jahre ist die Lipplacke bei Kirchseeon immer weiter verlandet. In diesem Sommer wurden die Schlammmassen aus dem Biotop entfernt, um die ökologische Vielfalt zu erhalten und zu fördern.

Von Charlotte Haft, Kirchseeon

Zarter Vogelgesang wechselt sich mit gelegentlichem Froschgequake ab, blaugrün-glänzende Libellen schwirren umher und ein frischer, moosiger Geruch liegt in der Luft. Die Lipplacke bei Ilching im Markt Kirchseeon bietet ein kleines, aber feines Naturparadies für die verschiedensten Insekten-, Amphibien-, und Pflanzenarten. Wie eine Oase liegt der Weiher am Waldrand des Forstgürtels, der sich von Kirchseeon bis zum Steinsee zieht. Doch das ist erst seit kurzem wieder der Fall, denn bis Mitte August fand man hier nur ein zugewuchertes Stück Sumpf vor, mit einem kleinen übriggebliebenen Teichbereich. Um dieses ökologisch wertvolle Gewässer zu erhalten und es als Trittstein im Biotopverbundsystem zu stärken, wurden hier im August Schlammmassen aus dem Weiher entfernt, sodass nun die Artenvielfalt wieder florieren kann.

Fabian Probul vom Landschaftspflegeverband auf der Suche nach einer Libelle im Biotop der Lipplacke bei Ilching. (Foto: Charlotte Haft)

"Eigentlich heißt die Lipplacke ja Lipplack", sagt Fabian Probul, Mitarbeiter beim Landschaftspflegeverband Ebersberg. Der lokale Ausdruck komme vom bayerischen Ausdruck Lackerl, der für einen kleinen Teich oder Tümpel steht. Lediglich ein kleiner Kiesweg führt von dem 45-Seelen-Dorf Ilching zum Gewässer am Waldrand. Auf einer Wiese, die den Schotterweg umgibt, grasen Pferde, am Rand hackt ein älterer Mann sein Holz. Eine große Eiche sowie zwei Bänke zieren den Rand des Biotops. "Die Lokalbevölkerung genießt die Idylle und kommt sehr gerne zum Spazieren hierher", erzählt Probul. Dennoch findet man einige Glasscherben sowie vereinzelt Müll in der Umgebung des Teichs. Der gelernte Landschaftsgärtner würde sich wünschen, dass diejenigen, die ihre Umwelt nicht zu schätzen wissen, die Gegend um das ökologisch wertvolle Gewässer nicht betreten.

Fabian Probul hält eine Seerosenwurzel in der Hand. Die Wurzeln tragen unter anderem dazu bei, dass sich Schlamm im Biotop absetzt. (Foto: Christian Endt)

Im Wald bei Kirchseeon findet man mehrere solche Toteiskessel, also durch abgetrenntes Gletschereis entstandene Hohlformen im Boden. Manche füllten sich nach dem Schmelzen der Gletscher mit Regenwasser, wodurch dann ein Feuchtbiotop entstehen konnte. Die Lipplacke ist eines dieser Himmelswasser-Gewässer im Forstgürtel. Durch Laubeintrag und anderes organisches Material wie die großen, abgestorbenen Wurzeln von See- und Teichrosen ist das Toteiskessel-Biotop über die letzten Jahre hinweg allerdings stark verschlammt und verbuscht. Deshalb sei es nun wichtig für den Erhalt des Biotops gewesen, den Aushieb zu tätigen. "Wir haben darauf geachtet, so viel wie nötig und so wenig wie möglich einzugreifen", betont Fabian Probul. Das ökologische Gleichgewicht solle nicht durcheinandergebracht, sondern unterstützt werden.

Der Aushub soll auf Äckern verteilt werden

Um Amphibien und Insekten die Möglichkeit zu geben, zurück ins Wasser zu wandern, wurde der Aushub einige Tage am Rande des Weihers zwischengelagert. Dann wurden die 120 Kubikmeter Schlamm zirka 100 Meter weiter am Rande des Feldwegs auf einer Wiese deponiert. Sie sollen im Oktober auf einigen Äckern der Umgebung ausgefahren werden. "Der Aushub ist relativ problematisch, da es sich um viel organisches und mineralisches Material handelt. Von abgestorbenen Pflanzen und Wurzeln über Äste bis hin zu Steinen ist hier alles dabei", erklärt der Landschaftsgärtner.

Die Entschlammungsarbeiten fanden diesen Sommer statt. (Foto: privat)
Die 120 Kubikmeter Aushub werden bis Oktober am Rande eines Feldwegs zwischengelagert. (Foto: Christian Endt)

Von der Planung bis zur Fertigstellung einer solcher Maßnahme kann es mehrere Monate oder sogar Jahre dauern. Neben den bürokratischen Aspekten müssten bei einem Eingriff in die Natur auch Jahreszeiten und Wetterverhältnisse beachtet werden. "Im Winter, als wir das Gehölz entfernt haben, musste der Boden gefroren sein, sodass Bagger und andere Fahrzeuge über die anliegende Wiese überhaupt zur Lipplacke hinfahren konnten. Im Frühjahr geht sowieso gar nichts wegen der Laichzeit von Molchen, Fröschen und Kröten", so Fabian Probul, "und im Sommer, als dann der Aushieb stattfand, durfte es nicht zu heiß sein, da die Tiere, die mit ausgebaggert werden, sonst beim Zurückwandern in den Teich vertrocknen können."

Diese Ökologie-Koordination muss mit der höheren Naturschutzbehörde der Regierung Oberbayern eng abgestimmt werden, da diese das Projekt, das insgesamt etwa 25 000 Euro kostet, mit 90 Prozent fördert und einen zeitlichen Rahmen vorgibt. Bei der Lipplacke beträgt dieser von Antragstellung bis Beendigung der Maßnahme 14 Monate, sie endet im Oktober dieses Jahres. "Das wir eine 90-prozentige Förderung bekommen haben, ist wirklich super. Die Lipplacke hat einen Trittsteineffekt, vor allem für den Springfrosch", erzählt Fabian Probul. Der Springfrosch ist eine selten gewordene Froschart, die eine offene Laichfläche braucht, um sich fortzupflanzen. Dies wurde ihm durch den Aushub wieder möglich gemacht. Zudem kann er sich dank des erneuerten Biotops wieder vermehrt in Ebersberg ausbreiten, da die Lipplacke nun als ein Trittstein zwischen anderen Biotopen fungiert. Der Springfrosch kann nicht weiter als drei bis vier Kilometer zwischen Biotopen wandern.

Ein wichtiger Aspekt für die Genehmigung der Maßnahme sei auch der Nachweis eines Springfroschvorkommens in der Vergangenheit gewesen. Dies sei mit früheren Kartierungen der Naturschutzbehörde möglich, erklärt Fabian Probul. Der Landschaftspflegeverband führe zwar keine Kartierungen selbst durch, er fange aber stichprobenartig Insekten und Amphibien mit Keschern, fotografiere sie und bestimme sie anschließend im Büro mithilfe von Büchern.

Eine blaugrüne Mosaiklibelle: sehr schön, aber nicht besonders selten. (Foto: Charlotte Haft)

So auch heute, wo Fabian Probul nach kurzer Zeit Keschern eine schimmernde Libelle in den Händen hält. "Man muss wissen, wie man die Libelle greift, damit sie sich nicht die Flügel bricht oder ein Bein abreißt", erklärt Probul. Er lässt die Libelle nach dem Fotografieren ihrer Flügel und dem Augenpaar wieder frei. Im Büro wartet bereits Agrarbiologe und Geschäftsführer des Landschaftspflegeverband Ebersberg Josef Rüegg. Er holt einige Bücher heraus und nach kurzer Zeit steht fest, es handelt sich bei der heute gefangenen Art um eine blaugrüne Mosaiklibelle, sie ist nur mäßig selten. Ihr Habitat teilt sie sich mit zirka 20 weiteren Amphibien und Libellenarten wie der Ringelnatter oder der späten Adonislibelle.

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