Süddeutsche Zeitung

Eisbaden im Landkreis Ebersberg:Abtauchen im eiskalten Steinsee

Während sich die meisten daheim in die warme Decke kuscheln, gehen ein paar Wagemutige einem ganz besonderen Hobby nach: Eisbaden. Auch im Steinsee im Landkreis Ebersberg traut man sich bei null Grad ins Wasser.

Von Karlotta Hohmann, Moosach

Es hat Null Grad, der Wind zieht an der Jacke und sogar Schneeflocken fallen auf die spiegelklare Wasseroberfläche. Wo im Sommer normalerweise der Parkplatz und der Steinsee voll sind, trifft man um diese Uhrzeit nicht einmal einen Spaziergänger an. Aber: drei mutige Eisschwimmer stehen am Moosacher Bad. Die Brüder Emanuel und Matthias Fendl, sowie die dreißigjährige Miriam Boehlke trauen sich bei den eisigen Temperaturen ins Wasser. Die Brüder sind 36 und 37 Jahre alt und gehen seit 2018 eisbaden. Wie sie darauf gekommen sind? "Youtube, Wim Hof", sagt Emanuel Fendl. Damit ist alles gesagt. The Iceman, so wird Wim Hof aus den Niederlanden auch genannt, hält 26 internationale Rekorde für das Ertragen extremer Kälter. So bestieg er etwa - nur in Shorts und Schuhen bekleidet - den Kilimandscharo und hält bis heute den Rekord, in dem er eine Stunde, 52 Minuten und 42 Sekunden das längste Eisbad der Welt nahm.

Drei Minuten bleiben die Schwimmer im eiskalten Wasser

So lange wollen die drei Eisbader vom Steinsee aber nicht im Wasser ausharren. Der Timer wird auf drei Minuten gestellt - allein das wird schon eine Herausforderung werden, denn heute ist es besonders kalt. Bereits zwei Grad machen einen extremen Unterschied, noch dazu bei dem Wind. "Das letzte Mal, als ich schwimmen war, hatte das Wasser etwa sieben Grad", erzählt Emanuel Fendl. Deshalb schätze er es heute auf drei Grad. Seine Mütze lässt er auf, schließlich entweicht die meiste Wärme über den Kopf, so erklärt er. Doch lange geredet werden kann nicht, Miriam Boehlke steht bereits zitternd und splitterfasernackt am Uferrand.

Zielstrebig gehen die drei Eisbader ins Wasser. Da gibt es kein Zögern, kein Quietschen. Stattdessen wird konzentriert geatmet. Erst als sie bis zum Hals im Wasser stehen, können sie der Atmung für einen Moment freien Lauf lassen. Es ist gerade erst eine Minute vergangen, da sagt Emanuel Fendl: "Ich spüre meine Beine nicht mehr". Heute sind die Konditionen zum Eisbaden aber auch besonders schwer. "In mir sammeln sich gerade Aggressionsgedanken", lacht Miriam Boehlke und versucht, dem Bedürfnis stand zu halten, dem See und seinem eiskalten Wasser zu entfliehen. "Du darfst dich nicht wehren", so Emanuel Fendl. "Schau dir an, wie schön die Bäume mit dem Schnee vor der Sonne aussehen", versucht auch Matthias Fendl sie abzulenken. Aber nach nahezu zwei Minuten hört Miriam Boehlke lieber auf ihren Körper und steigt aus dem Wasser.

Der schönste Moment ist das Wärmeempfinden, wenn man aus dem Wasser kommt

Draußen stellt sich Miriam Boehlke schnell auf ihre Badeschuhe und wickelt sich in einen Bademantel ein. "Wenn man in den See rein geht, beginnt der ganze Körper erst einmal zu bitzeln", erklärt sie. "Die halbe Minute danach muss man einfach nur aushalten, dann wird es langsam besser". Die verbleibenden zehn Sekunden zählt sie runter und kaum klingt der Wecker, schon beginnen die Brüder wieder an Land zu schwimmen. Da stehen sie, drei glückliche Eisbader mit sehr roten, durchbluteten Körpern.

Sein Lieblingsmoment am Eisbaden sei es, danach wieder zuhause im warmen zu sein, erklärt Emanuel Fendl. "Nein, der besten Moment ist eigentlich, wenn man wieder rauskommt", wirft Matthias Fendl ein. Dann sei es draußen nämlich überhaupt nicht mehr kalt. "Ich mag den Schluss auch am liebsten", stimmt Miriam Boehlke ihm zu. "Mein Kopf ist jetzt wie nach einer Meditation ganz frei. Ich fühle mich dann immer ein bisschen high und denke - ach, die Welt ist doch schön!"

Wenn er sich im Wasser mit Schwimmen ablenke, dann würde das Eisbaden für ihn besser gehen, so Matthias Fendl. Aber sein Bruder schüttelt den Kopf. "Wenn man sich bewegt, ist es gefühlt noch kälter", meint er. "Wenn man still ist, hat man quasi einen kleinen Wärmefilm, der vom Körper ausgeht". Die beiden anderen Eisbader stimmen ihm zu, man müsse entweder ganz still sein oder den Körper durch normale Schwimmzüge warm halten.

Miriam Boehlke geht zudem nach dem Spruch "Move your ass, your mind will follow" eisbaden. Heute habe ihr Kopf ihr nämlich eigentlich gesagt, dass sie keine Lust auf das Eisbaden habe. "Aber dann dachte ich mir: Ich gehe jetzt schwimmen!" Statt auf den Kopf würde sie lieber auf den Körper vertrauen und - so wie heute - auf ihn hören, wenn er ihr das Signal geben würde, dass sie nicht weiter gehen sollte.

Nach dem Eisbaden spüren die Brüder und Miriam Boehlke ihre Zehen und Finger kaum noch. "Aber ich hab' mitgedacht", sagt Emanuel Fendl. "Ich auch", stimmt sein Bruder zu. Beide ziehen je eine Schuhzunge aus den Taschen, anders komme man sonst nämlich nicht mehr in seine Schuhe hinein, erklären sie. Kaum sind sie angezogen, setzten sich die drei Eisbader auch schon in Bewegung, um warm zu bleiben. "Zehn Minuten war das längste, das wir beim Eisbaden geschafft haben", erzählt Matthias Fendl. Aber die gesunden Effekte würden auch schon ab zwei Minuten eintreten, alles darüber hinaus sei dann nur noch freiwilliges Leiden.

Selbst wenige Minuten Eisbaden stärken nicht nur das das Immunsystem und kurbeln den Stoffwechsel an, regelmäßiges Eisbaden hilft dem Körper auch dabei, Stresssituationen besser bewältigen zu können. Und nicht nur das: Danach gehe es einem einfach besser, auch mental, so Miriam Boehlke.

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