Abfallwirtschaft:Müllsündern auf der Spur

Abfallwirtschaft: Eigentlich ist diese Tonne für Verpackungsabfälle, die Matratzenreste hätten im Sperrmüll entsorgt werden müssen.

Eigentlich ist diese Tonne für Verpackungsabfälle, die Matratzenreste hätten im Sperrmüll entsorgt werden müssen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele Leute bringen teils absurden oder gar gefährlichen Abfall zu den Wertstoffinseln. Seit 2010 lässt sie die Stadt Ebersberg deswegen mit mobilen Teams überwachen. Ein Blick durch die Überwachungskameras.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Ein bisschen voyeuristisch fühlt sich das Ganze schon an. Im Video, aufgenommen an einer der Wertstoffinseln der Stadt Ebersberg, sieht man, wie ein schwarzer Wagen vorfährt. Eine Frau um die dreißig steigt aus. "Da mache ich die erste Standaufnahme", erklärt der Mitarbeiter einer Raublinger Detektei, die für die Überwachung zuständig ist und der namentlich nicht genannt werden möchte. "Hier sieht man sowohl die Frau als auch das Nummernschild, mit der anderen Kamera kann man noch näher heranzoomen." Dank insgesamt drei Kameras kann man genau beobachten, wie die Frau erst einen Plastiksack aus dem Auto räumt und in die Container für Kunststoff schmeißt, dann einen zweiten und dann noch ein paar Sachen in die Papiertonne und die Altkleidersammlung schmeißt.

Abfallwirtschaft: An manchen Standorten kommt es besonders oft zu illegalen Ablagerungen, da hilft dann nur noch die Überwachung der Müllcontainer mit Kameras.

An manchen Standorten kommt es besonders oft zu illegalen Ablagerungen, da hilft dann nur noch die Überwachung der Müllcontainer mit Kameras.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Das ist total spannend zu sehen, weil man lernt, wie die Menschen so ticken. Diese Frau hat jetzt brav Papier und Stoff getrennt, aber wenn man den Müllsack aufmacht sieht man Brokkoli, Pommes, Fleisch und dann fragt man sich - wieso?" Der Detektiv, der seit 2016 als solcher arbeitet, zeigt die Beweisfotos, die er nach der "Tat" gemacht hat. Diese, zusammen mit den anderen Standbildern aus dem Video werden dann ans Ordnungsamt übermittelt, das dann überprüft, ob die Sache weiter verfolgt wird. "Alle Videos, die wir nicht weiterschicken, löschen wir natürlich sofort und auch die anderen verwenden wir nur für die Weiterleitung", erklärt der Chef der Detektei, Werner K., der ebenfalls anwesend ist.

Die mobile Videoüberwachung der Wertstoffinseln soll die Allgemeinheit vor unnötigen Kosten schützen

Leider hat es das Gebot "Du sollst deinen Müll richtig entsorgen!" damals nicht unter die Top 10 geschafft. Trotzdem handelt es sich dabei um ein ernsthaftes Problem. "Vor 2010 konnten die Entsorger den Müll oft nicht mitnehmen, weil zu viel falsch abgeladen wurde", erinnert sich Agnes Lang von der Umwelt- und Abfallberatung der Stadt Ebersberg. "Das verursacht natürlich auch Kosten für die Allgemeinheit, weil der Müll dann extra sortiert und weggeräumt werden muss. Die mobile Videoüberwachung soll die Bürger, die sich an die Regeln halten, vor diesen Kosten schützen."

Abfallwirtschaft: Die Stadt Ebersberg weist offen darauf hin, dass an den Wertstoffinseln gefilmt wird, hier diejenige an der Ecke Ignaz-Perner- und Abt-Williram-Straße. Nicht alle lassen sich davon indes abschrecken.

Die Stadt Ebersberg weist offen darauf hin, dass an den Wertstoffinseln gefilmt wird, hier diejenige an der Ecke Ignaz-Perner- und Abt-Williram-Straße. Nicht alle lassen sich davon indes abschrecken.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Stadt entschloss sich, die Wertstoffinseln durch eine Detektei mittels mobiler Teams überwachen zu lassen, andere Gemeinden zogen nach, zuletzt auch Poing. "Das hat hundertprozentig etwas gebracht", so Lang. "Die Frequenz und Menge falsch abgeladenen Mülls hat sich seitdem deutlich reduziert." Lang zeigt eine Grafik, auf der zu sehen ist, wie sich die Müllmenge von ihrem Höhepunkt 2009 mit 41 Tonnen bis 2020 auf 26 Tonnen reduziert hat - obwohl hier auch neu hinzugekommene Abfalleimer und Hundetoiletten mit einberechnet wurden.

Durch die Pandemie geht die Menge an falsch abgeladenen Abfällen wieder nach oben

Die Vermeidung der Kosten und die Einnahmen durch die Verwarn- und Bußgelder - zwischen 4000 und 6000 Euro im Jahr - rechtfertigen dann auch die Kosten der Überwachung, die sich auf etwa 15 000Euro im Jahr belaufen. "Wir passen die Stunden aber auch an", berichtet Lang, "je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. 2021 sind wir schon deutlich über dem Schnitt, auch die Einnahmen aus den Bußgeldern liegen schon bei 8000 Euro." Trotz Überwachung stecken die Leute also immer noch und leider wieder vermehrt ihren Müll in Tonnen, wo er nicht hingehört.

Zum Teil liegt das an der Pandemie, erklärt Lang. "Wir haben noch nie so viel Sperrmüll gehabt wie während der Lockdowns. Man merkt, dass die Leute Zeit zum entrümpeln haben." Zudem stapeln sich die Kartons aus dem Versandhandel an den Inseln. "Wir haben viel Luft in den Containern", scherzt sie.

"Die Menschen laden wirklich alles ab."

Auch der Überwacher vor Ort sieht die Pandemie im Müll widergespiegelt, vor allem an Masken und Schnelltests. "Zum Glück war noch kein positiver dabei." Trotzdem ist der Job häufig unappetitlich und manchmal auch gefährlich. "Die Menschen laden wirklich alles ab. Autoreifen, Erwachsenenwindeln überforderter Pflegekräfte (für die man übrigens eine kostengünstige extra-Tonne bei der Stadt bestellen kann, wie Agnes Lang einwirft), Spritzen und verschreibungspflichtige Medikamente." Legendär ist der Fall einer Gruppe Jugendlicher, die ein komplettes Marihuana-Labor samt vertrockneter Pflanzen und Rechnungsadressen zu einer Wertstoffinsel gebracht haben.

Abfallwirtschaft: Auch die Wertstoffinsel an der Ecke Baldestraße/Eberhardstraße wird des öfteren falsch genutzt.

Auch die Wertstoffinsel an der Ecke Baldestraße/Eberhardstraße wird des öfteren falsch genutzt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"In so einem Fall übernimmt das die Polizei, nicht das Ordnungsamt", sagt Lang und muss schmunzeln. Ansonsten flattert den nun bald ein bisschen ärmeren Sündern ein Bescheid des Ordnungsamts ins Haus. Höhe? "Zwischen fünf und 2500 Euro laut Katalog, wobei wir nie über 600 Euro gekommen sind", erläutert die Frau von der Stadt. Die Höhe berechnet sich nach der Menge des falsch abgeladenen Mülls sowie dessen Gefährlichkeit.

"Es gibt zu viel Müll."

Und danach, ob man Wiederholungstäter ist oder nicht. "Vor allem Handwerker laden oft ihren Bauschutt ab, oft auch über längere Zeiträume. Aber auch Gastronomen schmeißen häufig Lebensmittel in die Tonnen", weiß Werner K. zu berichten. Lang erinnert sich an einen Fall von diesem Sommer, in dem ein Gastronom "1200 Liter Küchenabfälle abgeladen hat." Den Geruch und die Menge an Maden mag man sich nicht vorstellen.

Was verrät das alles über uns Menschen und die Gesellschaft in der wir leben? "Wir sind sehr bequem", da sind sich alle einig. Auf die Frage, ob es zu viel Müll oder zu wenige Wertstoffinseln gäbe, antwortet Lang: "Wir versuchen, mit unseren Kapazitäten zu tun, was möglich ist. Aber natürlich, grundsätzlich gibt es zu viel Müll." Insbesondere während der Weihnachtszeit könne man die Mengen an Abfällen überhaupt nicht bewältigen. Geklagt wurde gegen die Überwachung übrigens auch schon, anfangs fast jeden Monat, mittlerweile kaum noch. "Die Gerichte haben uns immer Recht gegeben", sagt Lang.

Aufgrund all dessen plant die Stadt auch nicht, die Überwachung in absehbarer Zeit einzustellen. Also: beim nächsten Müllabladen an einer Wertstoffinsel - ob korrekt oder nicht - bitte lächeln!

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