Massai, die zwischen bewohnbaren Windrädern die kargen Böden mit ihren Herden bewirtschaften, winzige Roboter, die sich im Gebiet des einstigen Ebersberger Forstes selbständig gemacht haben, eine Stadt, die nur noch aus Autobahnen und Parkhäusern besteht oder eine, die eher einem Wald gleicht. Das sind nur einige der Visionen, von denen man seit Kurzem in der "Bibliothek der Zukünfte" lesen kann, einer Sammlung kurzer Geschichten, die vom kommenden Ebersberg erzählen.
Entstanden sind diese Werke im vergangenen Jahr im Rahmen des Kunst- und Kulturprojekts "Gemeinsam Zukunft machen". Seit dem Frühling haben sich Interessierte vor allem online getroffen und überlegt, wohin sich die Welt im Allgemeinen und die Kreisstadt im Speziellen entwickeln wird. Entstanden sind daraus 29 Geschichten von unterschiedlicher Länge, die nun in der Online-Bibliothek nachzulesen sind und in unterschiedlich weit entfernten Zeiten spielen. Die Spanne reicht von fünf bis zu 100 Jahre in die Zukunft, die meisten siedeln ihre Erzählungen in der Mitte des aktuellen Jahrhunderts an. Ebenso unterschiedlich wie die Zeitsprünge, die man beim Lesen unternehmen kann, sind auch die Settings der Geschichten.
Manche werden wie Tagebucheinträge erzählt - die natürlich erst in vielen Jahren geschrieben werden könnten. Andere sind Berichte von Ereignissen, die vielleicht einmal eintreten könnten. Nicht alle davon sind, nicht einmal auf den zweiten Blick, futuristisch, manche könnten auch im Hier und Jetzt stattfinden. Manch andere sind dagegen durchaus eskapistisch, mit Zutaten, wie man sie von Science-Fiction erwartet. Seien es Teleporter und fliegende Nahverkehrsmittel, übergriffige Computer, die ihre Schöpfer zu Haustieren degradieren oder auch das komplette Gegenteil: Eine Rückbesinnung auf Werte und Lebensweisen, die schon heute als nicht mehr zeitgemäß gelten.
Auch in der Zukunft klappt nicht alles
Einige Szenarios gleichen der Gegenwart, vielleicht etwas angereichert durch eine futuristische Kulisse. Was ja eines der klassischen Sci-Fi-Topoi ist: Die Technik mag voranschreiten, die Art und Weise des menschlichen Handelns tut es nicht unbedingt. Andere wählen den umgekehrten Ansatz, wie er spätestens seit Huxley populär ist, und entwerfen eine komplett fremdartige Gesellschaftsordnung mit ihren ganz eigenen Regeln und Normen. Was alle Geschichten eint ist die Botschaft, die Mel Brooks in dem Film Spaceballs mit dem schönen Satz ausgedrückt hat: "Even in the Future nothing works." Denn die Zukunft ist vielleicht in manchem besser, aber bei weitem nicht das Ende aller Probleme - manchmal ist sie sogar problematischer als die Gegenwart. Und auch in den weniger dystopischen Geschichten haben ihre Protagonisten zumindest Herausforderungen des künftigen Alltagslebens zu bestehen.
Was natürlich einerseits mit den Gesetzen der Dramaturgie zu tun hat: Nur Ponyhof ist halt langweilig, egal wann. Andererseits ist die Schilderung einer nicht ganz perfekten Welt der Zukunft auch ausdrücklich Anspruch des Projektes gewesen: "An den Werten, Wünschen und Ängsten kann sich aktuelles Handeln orientieren und bewertet werden", heißt es dazu auch im Vorspann der Zukunftsbibliothek. Initiiert hatten das Projekt Kerstin Gollner und Ebersbergs Dritte Bürgermeisterin Lakhena Leng, eben aus dem Grund, dass aus der Fiktion von heute Aktivitäten von morgen werden. Idealerweise ergeben sich daraus dann Lösungsansätze für aktuelle Probleme.
Ob das gelingt, soll sich im neuen Jahr zeigen, wenn das Projekt "Gemeinsam Zukunft machen" in die nächste Runde geht. Zumindest einen Erfolg hat es jetzt schon vorzuweisen: Eine kleine Bibliothek durchaus unterhaltsamer Kurzgeschichten von morgen, die gut in die Zeit der Rück- und Ausblicke rund um den Jahreswechsel passt.
Die Geschichten gibt es unter https://bibliothekderzukuenfte.de , mehr Informationen zu dem Projekt dahinter sind unter www.gemeinsam-zukunft-machen.de zu finden.