Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Ohne Not in Not

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Dass die Landkreisverwaltung ausgerechnet bei der Schulsozialarbeit mit neuen Ausschreibungsverfahren experimentiert, ist nicht nachvollziehbar und der Sache nicht angemessen.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Wer schläft, sündigt nicht, so lautet eine Redensart, die im Umkehrschluss auch bedeutet: Wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Ein solcher ist nun offenbar dem Landratsamt unterlaufen, die Ausschreibung für die Sozialarbeit an den weiterführenden Schulen war unzulässig. An sich fiele so etwas in die Kategorie: blöd gelaufen, aber halb so schlimm. In diesem Fall allerdings ist die Sache mehr als nur ein kleines Ärgernis, immerhin geht es um einen sensiblen Bereich. Dass man ausgerechnet hier offenbar mit den Ausschreibungsmethoden experimentiert hat, verwundert schon.

Nun ist es per se natürlich nicht falsch, wenn die öffentliche Hand auf eine gewisse Ausgabendisziplin achtet, zu diesem Zweck werden Leistungen ja auch ausgeschrieben und das möglichst weiträumig. Bei der Schulsozialarbeit nutzte man dazu ein europaweites Verfahren, das in anderen Bereichen üblich ist und sich auch bewährt hat. Noch dazu ist der Landkreis nicht verpflichtet, für Sozialarbeit an weiterführenden Schulen zu bezahlen, das müsste eigentlich der Freistaat tun. Da im Landesetat aber offensichtlich anderes wichtiger ist, als die Bereitstellung von Schulsozialarbeit, hatte der Kreistag vor zehn Jahren beschlossen, die Lücke auf eigene Kosten zu schließen. Und bei freiwilligen Leistungen ist der Druck auf eine Verwaltung natürlich immer besonders hoch, Methoden zu finden, wie sich Kosten drücken lassen.

Solche kommen daher auch immer mal zum Einsatz und sie sind auch nicht selten ein Risiko. Landrat Robert Niedergesäß erinnert sich bestimmt noch daran, wie er als Vaterstettener Bürgermeister mittels eines sehr speziellen Verfahrens das in seiner Gemeinde schon lange schwärende Problem der Neugestaltung des Vaterstettener Ortszentrums lösen wollte. Bekanntlich ist nichts daraus geworden, der Schaden für die Gemeinde war indes ein rein finanzieller - wenn auch kein ganz kleiner. Hier indes liegen die Dinge anders, es geht nicht um die gefällige Gestaltung des Rathausumfeldes, sondern um Unterstützung für junge Menschen im Schulalltag, unter Umständen auch in Krisensituationen.

Dass man vor so einem Hintergrund mit Vergabeverfahren experimentiert hat, offenbar ohne diese ausreichend auf ihre Zulässigkeit zu prüfen, ist daher wenig nachvollziehbar. Die Kostenfrage mag da natürlich eine Rolle gespielt haben, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der durch die Corona-Krise angespannten öffentlichen Haushalte - andererseits käme auch niemand ernsthaft auf die Idee, Feuerlöscher und Rauchmelder einzusparen. Im übertragenen Sinne sind die Schulsozialarbeiter aber genau dies: Sie sollen frühzeitig warnen, wenn einem jungen Menschen die Probleme über den Kopf zu wachsen drohen, und wenn das schon passiert ist, notfalls löschen. Sicherzustellen, dass dies auch künftig wieder möglich ist, wäre das Mindeste, was die Verwaltung nun zu tun hat.

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