Im Landkreis Ebersberg:Zu wenig Entlastung für Pflegende

Seniorenheim in der Corona-Pandemie

Im Kreis Ebersberg hat sich die Situation zuletzt zwar etwas verbessert, aber nicht ausreichend. Symbolfoto: Sina Schuldt/dpa

In den Heimen mangelt es an Kurzzeitplätzen - was viele Angehörige in eine prekäre Lage bringt. Das Problem ist die Personalnot.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Vor einiger Zeit war da diese eine Patientin an der Ebersberger Kreisklinik, sie hatte einen Termin für einen sehr wichtigen operativen Eingriff am Herzen. Eigentlich absolut klar, dass man einen solchen Termin wahrnimmt, oder? Nicht so in diesem Fall: Die Frau bat um die Verschiebung des Termins. "Weil sie keinen Kurzzeitpflegeplatz für ihre behinderte Tochter gefunden hat", so CSU-Kreisrätin Marina Matjanovski. Das Erlebnis, das die Krankenpflegerin und Bereichsleiterin des Herzkatheter-Labors an der Kreisklinik in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur (SFB) dem Gremium berichtete, hätte die Tragweite eines Problems wohl nicht besser verdeutlichen können: Im Landkreis Ebersberg gibt es zu wenig Plätze für Kurzzeit- oder Verhinderungspflege.

Es ist ein Problem, das dem Landkreis Ebersberg bewusst ist, wie der Leiter des Teams Demografie Jochen Specht in der Sitzung sagte - und das überall bestehe, nicht nur im Kreis Ebersberg oder in der Region. Versuche, so viele Plätze zu schaffen, wie den Anfragen bei stationären Einrichtungen nach eigentlich notwendig wären, scheitern jedoch bislang - hauptsächlich liegt das an mangelnden Ressourcen beim Pflegepersonal.

Das Thema Kurzzeitpflege schien allen Anwesenden am Herzen zu liegen, es war der Aspekt des vorgestellten seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes, über den am längsten diskutiert wurde. Und alle waren sich einig: Es müssen dringend mehr Plätze geschaffen werden.

Aber wo genau steht der Landkreis eigentlich? Zum Zeitpunkt der Erhebung, 2019, gab es acht feste Plätze in drei stationären Pflegeeinrichtungen und mindestens 62 weitere, nicht dauerhafte Plätze in zehn Pflegeheimen, so steht es im Konzept. Im Vergleich zu 2010, als zum ersten Mal das seniorenpolitische Konzept vorgestellt wurde, standen elf feste Plätze und in fünf Einrichtungen unregelmäßig Plätze zur Verfügung. Insgesamt betrachtet hat sich die Situation also durchaus verbessert. Aber eben nicht ausreichend.

Denn: Laut Bericht waren die Anfragen "um einiges höher als die Zahl der tatsächlich in Kurzzeitpflege betreuten Personen". Sechs Einrichtungen hätten demnach angegeben, regelmäßig entsprechende Anfragen zurückweisen zu müssen. Besonders schwierig sei die Situation für Betroffene mit keinem oder Pflegegrad 1, da kostendeckende Leistungen erst von einem Pflegegrad 2 an gezahlt würden.

"Kurzzeitpflege ist eigentlich der Schlüssel, damit Pflege durch Angehörige überhaupt funktionieren kann", sagte Christian Rindsfüßer vom Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS). Zusammen mit Sabine Wenng von der Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Altersforschung (AfA) stellte er den Ausschussmitgliedern das Konzept vor. Ottilie Eberl (Grüne) bat deshalb die Verwaltung darum, auf Ursachenforschung zu gehen: Warum sind nicht mehr Einrichtungen im Landkreis dazu bereit, solch dringend benötigte Plätze anzubieten? "Ich würde mir wünschen, dass Sie das zur Chefsache machen", sagte sie an Landrat Robert Niedergesäß (CSU) gerichtet.

Genau hier kommt das wohl eigentliche Problem zum Tragen: Die Ursachen sind längst bekannt, wie Jochen Specht klar machte. Aber sie zu beseitigen, sei kaum möglich. In vielen Gesprächen hätten er und sein Team von den Einrichtungen hauptsächlich zwei Dinge zurück gemeldet bekommen. Zum einen geht es um die Verweildauer der Betroffenen, die im Landkreis durchschnittlich je Aufenthalt 18 Tage beträgt: "Niemand ist in diesen Beruf gegangen, um jemanden ohne Möglichkeit auf einen Beziehungsaufbau zu pflegen", berichtete Specht, "das verstehe ich auch - das Problem aber bleibt." Zum anderen ist da die hinlänglich bekannte personelle Ressourcenknappheit: Bevor ein Platz belegt werden kann, müssen Gespräche mit Angehörigen geführt und viel Bürokratie für die Aufnahme erledigt werden. Also: Alle drei Wochen geht der Aufwand für jeden Platz von vorne los. Bei einem stationären Platz komme es vielleicht zwei oder drei Mal im Jahr zu diesem Prozedere.

Um die Einrichtungen dahingehend zu entlasten, unterstützt der Landkreis seit einiger Zeit das Bereitstellen weiterer fester Plätze im Rahmen eines vom Freistaat geförderten Programms (WoLeRaF) mit einem pauschalen Zuschuss von 4240 Euro. Damit soll der Mehraufwand abgedeckt werden. Tatsächlich ist es aber so, wie Specht erklärte, dass damit eine Platzfreihaltegebühr gedeckt ist, der zeitliche Mehraufwand bleibe. Wohl deshalb wird die Förderung bislang nur von einer Einrichtung für zwei Plätze angenommen. Sechs weitere geförderte Plätze wären möglich.

"Man müsste Kurzzeitpflegeplätze überfinanzieren", so Reinhard Oellerer (Grüne). Das sei die einzige Möglichkeit, wie unter den aktuellen strukturellen Bedingungen der Pflege Plätze in großer Anzahl geschaffen werden könnten. "Und das geht über unsere Möglichkeiten hinaus." Jochen Specht machte dennoch klar, weiterhin mit den Einrichtungen in Gesprächen zu bleiben.

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