Bildung im Landkreis Ebersberg:"Es darf nicht noch so ein Jahr kommen!"

Bildung im Landkreis Ebersberg: In der Pandemie haben die Volkshochschulen schnell neue Formate entwickelt, hier Yogalehrerin Elke Lorenz beim Aufzeichnen eines You-Tube Streams in ihrem Garten.

In der Pandemie haben die Volkshochschulen schnell neue Formate entwickelt, hier Yogalehrerin Elke Lorenz beim Aufzeichnen eines You-Tube Streams in ihrem Garten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Pandemie hat zwar für die Musik- und Volkshochschulen im Landkreis auch überraschend positive Entwicklungen und Erkenntnisse mit sich gebracht - dennoch bleiben die Herausforderungen groß.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

727 Kurse für etwa 4400 Personen an der Volkshochschule im Zweckverband Kommunale Bildung, 1268 Kurse, für die es 4859 Anmeldungen gab an der Volkshochschule Vaterstetten - das ist die Bilanz des Herbst-/Winter-Semesters der beiden Bildungsträger im Landkreis Ebersberg.

Was viel klingt, ist dennoch ein Rückgang von circa 30 Prozent, verglichen mit vorpandemischen Zeiten. Und was diese nüchterne Zahl wiederum nur erahnen lässt, sind die Anstrengungen, die in den zwei Institutionen und auch in den beiden Musikschulen der Region unternommen werden mussten, um in den vergangenen zwei Jahren ihrem öffentlichen Auftrag und der Verantwortung als Bildungsträger gerecht werden zu können. Zwar hat man es bisher geschafft, einigermaßen durch diese schwere Zeit zu kommen. Doch ewig wird der Atem nicht reichen.

Am offensichtlichsten sind dabei natürlich die Finanzen. In den Musikschulen musste man mit Kurzarbeit über die Runden kommen, für die VHS gab es 2020 immerhin den "Rettungsschirm Erwachsenenbildung". Laut Martina Eglauer, Geschäftsführerin der Volkshochschule im Zweckverband Kommunale Bildung "wurde der mit gut 126 000 Euro seinem Namen gerecht und war wirklich unsere Rettung". Anders 2021, da gab es "keinen Cent vom Staat - weder vom Bund noch vom Land". Bei vielen Fördermaßnahmen sei man durchs Raster gefallen und der einzig mögliche Antrag, der für die November-/Dezemberhilfe, sei abgelehnt worden. "Wegen eines Formfehlers. Man muss eine Steuernummer haben, die aber wurde gelöscht, weil wir gemeinnützig sind. Jetzt ist eine Klage anhängig, es geht immerhin um rund 100 000 Euro", ergänzt Eglauer.

2G und 2G Plus - das war eine gewaltige Hürde

Auch Helmut Ertel, Geschäftsführer der Volkshochschule Vaterstetten, macht sich im Hinblick auf die Zukunft ernste Gedanken: "Finanziell gefährdet ist die VHS nicht und war sie nie - weil wir großartige Gemeinden haben, die uns nie hängenlassen werden. Aber: Unser Geld schmilzt, es darf nicht noch so ein Jahr kommen."

"So ein Jahr", das waren die sich ständig ändernden Hygieneverordnungen mit, übergangsweise kostenpflichtigen, Tests. Vor allem die 2-G- sowie 2-G-Plus-Regelung für die Gesundheits- und Entspannungskurse vom November an führte erst zu Einbrüchen, dann zu einem de facto Lockdown und der Aussetzung dieser Angebote bis Weihnachten. Dabei wären diese gerade in Homeofficezeiten so wichtig gewesen, meint Eglauer. "So ein Jahr" war auch der Wegfall von mehr als jedem zweiten Kursplatz aufgrund der Abstandsregelungen und die dennoch erfolgte "Ungleichbehandlung im Vergleich zur Gastronomie" der kleinen und festen Gruppen, wie sie ebenfalls anmerkt.

Schließlich brachte dieses Jahr, wie schon das vorhergehende, auch die Abwanderung von Fachkräften mit sich sowie jede Menge Mehraufwand für die Verwaltungsteams und Unterrichtenden, die sich auf immer neue digitale Herausforderungen einstellen mussten, gerade wenn eine Veranstaltung gleichzeitig online und in Präsenz angeboten werden soll oder man bei Bedarf kurzfristig zwischen den Optionen wechseln will, sobald die Inzidenzen hochgehen oder jemand in Quarantäne ist.

Bildung im Landkreis Ebersberg: Bei der Jubiläumsfeier der Volkshochschule Vaterstetten konnte man sich auch digital zuschalten: Helmut Ertel und Emmanuel de la Torre im Kameramonitor.

Bei der Jubiläumsfeier der Volkshochschule Vaterstetten konnte man sich auch digital zuschalten: Helmut Ertel und Emmanuel de la Torre im Kameramonitor.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gleichzeitig kamen aber auch verborgene Talente zum Vorschein, der Austausch in den Kollegien wurde intensiviert, die Träger leisteten neben der finanziellen auch ideelle Unterstützung, es wurden Räumlichkeiten in Schulen, öffentlichen Gebäuden, Kirchen und Gemeindehäusern zur Verfügung gestellt.

Auch aus Wales schalten sich inzwischen Kursteilnehmer zu

Und wenn auch derzeit die meisten Veranstaltungen wieder in Präsenz abgehalten werden - in Ebersberg beträgt der Online-Anteil 22,3 Prozent, in Vaterstetten 30 Prozent - ist die mit einer digitalen Lösung verbundene Flexibilität natürlich auch ein ganz großer Vorteil, der wahrscheinlich auch nach dem Ende der Pandemie noch bleiben wird: Hat jemand keinen Babysitter oder sitzt krank zu Hause, lässt sich ein gestreamter Vortrag auch von daheim aus verfolgen. Rein digital angebotene Kurse, wie sie etwa die VHS Vaterstetten im Rahmen einer neuen Kooperation mit anderen VHS im Programm hat, bieten sogar noch weitere Vorteile: Das Einzugsgebiet wird auf einen Schlag größer - "wir hatten auch schon Leute aus Sachsen oder Wales dabei" - und per Zusammenschluss hätten auch Nischenkurse wie etwa Ungarisch oder Isländisch mit geringer Nachfrage vor Ort eine Chance, berichtet Ertel.

Gleichzeitig darf man nicht verhehlen, dass die virtuelle Lehre ihre Grenzen hat - für manche von den Älteren und einige Menschen mit Behinderung ist die digitale Teilhabe noch ein Problem. "Auch für Anfänger in den Deutschkursen ist die Hürde zu hoch und für die EDV-Grundlagenkurse gilt das ebenfalls: Wenn sich jemand erst fit machen will, aber es schon können sollte, um zu es zu lernen, wird die Sache schwierig", macht Eglauer deutlich.

In den Augen von Peter Pfaff, Leiter der Musikschule im Zweckverband Kommunale Bildung, kann "Bildschirm nur eine kleine Brücke sein". Er stellt gerade bei Jugendlichen eine gewisse Onlinemüdigkeit fest, wie auch Frust aufgrund fehlender Interaktion mit anderen in Ensembles, Orchestern und Bands. Ein weiterer Grund für Abmeldungen sei die Tatsache, dass es praktisch keine Möglichkeiten für öffentliche Auftritte mehr gegeben habe.

Bildung im Landkreis Ebersberg: Das Musik-Mobil in der Grundschule Steinhöring: eine von vielen kreativen Aktionen der Musikschule.

Das Musik-Mobil in der Grundschule Steinhöring: eine von vielen kreativen Aktionen der Musikschule.

(Foto: Christian Endt)

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Bernd Kölmel, Chef der Musikschule Vaterstetten, schon bald nach Ausbruch der Pandemie von Eltern und Schülern höchst positiv aufgenommene und auch qualitativ überzeugende Zoomkonzerte veranstaltet. Möglich war dies deswegen, weil man bereits 2018 "schnelles Internet ins Gebäude geholt hat". Diese richtungweisende Entscheidung zahlte sich ebenso aus, wie die vorausschauende Haltung der VHS Ebersberg, 2017 einen für digitale Fragen und Möglichkeiten zuständigen Mitarbeiter einzustellen sowie das Bestehen der dortigen Musikschule, schon vor Jahren, auf große Räumlichkeiten: "Ich wollte keine Kammerl, da für mich Musik und Bewegung zusammengehören", wie Pfaff sagt.

Die Zahlen geben ihm recht: 2600 Schülerinnen und Schüler hat er und vor allem in der Elementarstufe, also den Bereichen Eltern-Kind-Gruppe, Musikalische Früherziehung, "Musikita"-Kooperationen mit Kindergärten sowie Sing- und Bläserklassen an den Grundschulen, einen Anstieg an Anmeldungen, die er begeistert als "Plus, das über normale Schwankungen hinausgeht", bezeichnet. Ähnlich äußert sich Kölmel, der von mehr Gruppenunterricht spricht und sich derzeit über "circa 1600 Schüler und Schülerinnen von Kleinkind bis ins hohe Erwachsenenalter" freut, weswegen er "mit positivem Elan" ins neue Semester gestartet ist, in dem er alles dafür tun will, die 40. Auflage des landkreisweiten Wettbewerbs "Podium Junge Musik" nach den beiden Absagen 2020 und 2021 endlich stattfinden zu lassen, voraussichtlich im Mai.

Die Leiter der Kultur-Institutionen freuen sich über große Solidarität

Pläne für die Zukunft hat auch Peter Pfaff: Sein "Musikmobil" soll weiterhin in Schulen und Kitas Station machen und durch Mitmachaktionen die Freude an der Musik fördern. Auch denkt er über interaktive Konzertformate nach. Martina Eglauer wiederum will die VHS vor Ort als Ausbildungsstätte für Unternehmen etablieren, wie es bei bestehenden Kursen und Inhouse-Schulungen schon für Kommunen der Fall ist. Helmut Ertel hingegen hat sich gemeinsam mit Bernd Kölmel vorgenommen, in den nächsten Jahren "aus dem Gewerbegebietsgebäude einen Treffpunkt für die Vaterstettener zu machen". Ein Begegnungszentrum, in dem sich Kultur und Austausch erleben lässt.

Am Ende meint er: "Wir haben eine Wahnsinns-Solidarität erlebt! Und warum? VHS und Musikschule sind einfach typisch deutsch - und wohl deswegen für alle erhaltenswert!" Ziemlich sicher ist das der Grund, warum es über den "Corona-Soli" von zwei Euro für Einzelveranstaltungen im Lauf der Zeit gerade einmal drei Beschwerden gab - bei 8000 Anmeldungen. Und warum die Teilnehmer auf Kursrückzahlungen verzichteten - in der Musikschule Vaterstetten wie auch in der VHS Ebersberg, wo auf diese Weise mehr als 12 000 Euro als Spende eingingen.

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