1,4 Millionen Euro sind viel Geld, nicht nur für einen einzelnen Menschen, sondern auch für eine Kommune wie den Landkreis Ebersberg. Zumindest ist es eine Summe, die man nicht leichtfertig ausgibt. Am Landratsamt gibt es obendrein einen Mechanismus, der genau das verhindern soll: Will die Behörde für ein Projekt oder eine Anschaffung einen Betrag locker machen, der 75 000 Euro im Jahr übersteigt, muss der Kreistag diese Investition genehmigen. Im Fall der oben genannten 1,4 Millionen Euro hat dieser Mechanismus jedoch versagt, wie Landrat Robert Niedergesäß (CSU) jetzt selbst einräumen musste. Für diese Summe hatte der Landkreis über sieben Jahren hinweg die Lizenzen einer Lernsoftware für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erworben – und damit in dieser Zeit 200 000 Euro pro Jahr ausgegeben. Offiziell genehmigt wurden diese Zahlungen allerdings nie.
Darauf haben nun die Grünen im Ebersberger Kreistag mit einem Fragenkatalog hingewiesen, den Benedikt Mayer am Montag im Kreis- und Strategieausschuss stellvertretend für seine Fraktion vorstellte. Erst im Frühjahr 2023 hätten die Kreisräte demnach von den Zahlungen für die Nutzungslizenzen der EDV-Plattform erfahren, die immerhin schon seit 2018 im Einsatz sei. „Das verletzt nach unserer Interpretation die Geschäftsordnung des Kreistags“, so Mayer. Tatsächlich hätte das Gremium der Investition zustimmen müssen, liegt diese doch deutlich höher als die Obergrenze von 75 000 Euro, unter derer die Verwaltung nach Absprache mit dem Landrat frei über etwaige Ausgaben entscheiden darf.
Landrat Robert Niedergesäß verweist auf den hohen Arbeitsdruck in der Behörde
Auf die Frage der Grünen, wie das sein kann, antwortet die Behörde mit Verweis auf die gängige Praxis bei der jährlichen Haushaltsplanung. Maßnahmen zur Personalentwicklung sowie zur Digitalisierung und Prozessoptimierung seien einfach in das Zahlenwerk eingearbeitet worden, ohne dass diese zuvor in den zuständigen Kreisgremien besprochen wurden. „Wegen dieser jahrzehntelangen Praxis fehlte das Bewusstsein in der Verwaltung, die Kreisgremien vorab zu informieren“, schreibt das Landratsamt in einer Stellungnahme.
Dass es so natürlich nicht geht, musste nun auch der Behördenchef selbst einräumen. „Es stimmt, die Geschäftsordnung wurde hier nicht eingehalten“, sagte Landrat Niedergesäß, der sich dafür entschuldigte. „Unser Haus steht unter großem Stress. Und wenn man unter Stress steht, können Fehler passieren.“ Niedergesäß verwies in dem Zusammenhang auf die vergangenen Krisenjahre mit der Corona-Pandemie und später dem Ukraine-Krieg. Hinzu komme die ohnehin dünne Personaldecke in der Behörde, mit der man im Gegenzug immer mehr Arbeit zu bewältigen habe. Vor allem staatliche Aufgaben würden im Landratsamt viele Kapazitäten binden, so der Landrat, der etwa auf die Herausforderungen im Bereich Asyl verwies.
Wie es konkret zu dem Fehler mit den nicht genehmigten Zahlungen kommen konnte, dazu lieferte die Verwaltung eine Erklärung: Man habe sich bei der Buchung auf eine ältere Finanz-Dienstanweisung berufen, in der es noch keine Wertgrenze für die Gremienbefassung gegeben habe. Tatsächlich aber wäre die Geschäftsordnung des Kreistags heranzuziehen gewesen, da diese die „höhere Vorschrift“ sei. Nachdem der Fehler eher zufällig im Zusammenhang mit einer anderen Buchung aufgefallen war, sei die Finanz-Dienstanweisung aber umgehend angepasst worden.

Umstrittener Vorstoß:AfD will Partnerschaft für Demokratie einstampfen
Die Initiative des Kreisjugendrings entwickelt Projekte zur Sicherung, Stärkung und Gestaltung von Demokratie und Vielfalt. Das sei „völlig überflüssig“, heißt es nun allerdings von den Rechtspopulisten im Landkreis Ebersberg, die auch das Bündnis gegen Rechtsradikalismus „Bunt statt Braun“ am liebsten abschaffen würden.
Die 1,4 Millionen Euro sind jedoch trotzdem weg. Bei den Grünen hegt man durchaus Zweifel, ob diese – ganz unabhängig von der fehlenden Genehmigung – gut investiert waren. Zwar sei der Transformationsprozess und die damit verbundene Mitarbeiterentwicklung am Landratsamt zu begrüßen, wie die Ökopartei in ihrem Fragenkatalog schreibt, allerdings seien die Finanzmittel nach einer Evaluation im Jahr 2023 plötzlich deutlich gekürzt worden – was nicht unbedingt für einen Erfolg spreche.
Auch diesen Verdacht musste Landrat Niedergesäß bestätigen. Das Programm sei ursprünglich auf Wunsch der Mitarbeiter eingekauft worden. Bis dahin habe es meist nur mehrtägige Fortbildungen samt Übernachtungen für Führungskräfte gegeben. Die Forderung aus der Belegschaft sei hingegen gewesen, dass jeder Zugang zur persönlichen Weiterentwicklung bekommen soll. Deshalb habe man damals die Software eingekauft. Zu prüfen, ob die EDV-Plattform dann auch tatsächlich verwendet wird, sei aus Datenschutzgründen jedoch nicht möglich gewesen, erklärte Niedergesäß. Erst im Rahmen einer alle sechs Jahre stattfindenden Mitarbeiterbefragung konnte die Resonanz eruiert werden – und diese fiel nicht besonders gut aus.
Der Vorfall könnte für das Ebersberger Landratsamt noch ein Nachspiel haben
„Wir haben festgestellt, dass die Software nicht so gut genutzt wurde“, so der Landrat, der wiederum die für die Behörde stressigen Krisenjahre als Erklärungsversuch anführte. Womöglich hätten die Mitarbeiter in dieser Phase schlicht keine Zeit gehabt, sich neben der eigentlichen Arbeit noch persönlich fortzubilden. „Sicherlich hätten wir uns da einen höheren Zuspruch erhofft“, sagte Niedergesäß. Nach der Befragung habe man aber sofort die Verträge angepasst und viele der Lizenzen wieder gekündigt. „Wenn man einen neuen Weg beschreitet, weiß man nie, ob das zu hundert Prozent richtig ist“, so der Landrat.
Die Unmutsbekundungen vonseiten der Kreisräte über die ganze Angelegenheit ließen dennoch nicht lange auf sich warten. „Der Landkreis hat viel Lehrgeld auf Kosten der Steuerzahler gezahlt“, sagte etwa Manfred Schmidt (AfD). Das Geld für das „aufwendige Spezialcoaching“ sei nun für immer verloren. Und womöglich droht dem Landratsamt sogar noch ein Nachspiel, denn Grünen-Kreisrat Benedikt Mayer kündigte bereits an, eventuell noch einen weiteren Antrag in der Sache stellen zu wollen. In eine ähnliche Richtung äußerte sich Günter Scherzl (Freie Wähler), der zwar sagte, der Transformationsprozess am Landratsamt habe sicherlich seine Berechtigung gehabt, dennoch aber anregte, sich nochmal intern über das Thema zu unterhalten.