Ärztliche Versorgung:Zu viel ist noch zu wenig

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Bitte warten heißt es zur Zeit für viele, die einen Arzttermin ausmachen wollen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Wer einen Arzttermin braucht, benötigt viel Geduld: Oft heißt es wochenlanges Warten bis zum nächstmöglichen Termin. Dabei gibt es sogar mehr Praxen im Landkreis Ebersberg als nötig - zumindest offiziell.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Es klingt erst einmal beeindruckend: Im Landkreis Ebersberg liegt die ärztliche Versorgung bei 118 Prozent des Bedarfs. Diese Zahl nennt Marc Block, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands in Ebersberg - muss das allerdings gleich wieder relativieren. Denn die angebliche Überversorgung bedeute keinesfalls, dass seine Kolleginnen und Kollegen nur darauf warten, dass sich endlich jemand in ihr Wartezimmer verirrt. Es ist ein rein statistisch ermittelter Wert, an dessen Sinnhaftigkeit nicht nur Block so seine Zweifel hat.

Wer zur Zeit einen Arzttermin benötigt, braucht - außer es ist ein Notfall - schon etwas Geduld. Besonders bei Fachärzten kann die Wartezeit ein paar Wochen, wenn nicht sogar Monate betragen. Das bekommen im nördlichen Landkreis gerade alle zu spüren, die einen Termin beim Dermatologen ausmachen wollen. Denn eine Hautarzt-Praxis steht vor einem Arztwechsel, was zwischenzeitlich zu Verzögerungen führt. Betroffene berichten, sie hätten erst wieder einen Termin im Frühjahr angeboten bekommen.

Marc Block, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Ebersberg, kritisiert die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern als zu unpräzise. (Foto: Christian Endt)

Sehr viel eher wäre es wohl auch ohne den Wechsel nicht gegangen, sagt Block, denn gerade bei Hautärzten - genau wie bei Kinderärzten und Psychotherapeuten - sei die Wartezeit sehr hoch. Und das, obwohl es auch bei sämtlichen Facharztpraxen rein rechnerisch eine Überkapazität im Landkreis gibt. Es gebe keinen Bereich, so Block weiter, der unter 100 Prozent liege.

Was eine adäquate medizinische Versorgung ist, das legt die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) fest. Diese erstellt dazu einen Bedarfsplan, der sich im Wesentlichen an der Einwohnerzahl orientiert. Daraus leiten sich dann die nötigen niedergelassenen Ärzte der verschiedenen Bereiche ab. Bei der sogenannten "allgemeinen fachärztlichen Versorgung", das sind die Anästhesisten, Radiologen, Fachinternisten sowie Kinder-und Jugendpsychiater, werde der Bedarf "auf Stadt- und Landkreisebene beziehungsweise in Kreisregionen beplant", heißt es dazu auf der Website der KVB.

Bevölkerungswachstum und demographischer Wandel erschweren die Bedarfsplanung

Und genau diese Art der Planung sei für Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum wie der Landkreis Ebersberg, eigentlich nicht geeignet, sagt Block. Denn zum einen gebe es einen zeitlichen Verzug bei den zugrunde gelegten Einwohnerzahlen. Was dann für die stark vom Zuzug geprägten Kreise im Münchner Umland bedeutet, dass man den Bedarf für eine wesentlich geringere Einwohnerzahl ermittelt. Zum anderen sei die Planung auf Landkreisebene auch vergleichsweise unpräzise: Gerade in Ebersberg, wo der Norden und Westen deutlich mehr Einwohnerzuwachs verzeichnet als die kleineren Gemeinden des Südens.

Zudem müsse auch die Frage des Bedarfs anders gewertet werden als früher, sagt Block. So gebe es inzwischen mehr Vorsorgeuntersuchungen, was die Zahl der Arztbesuche pro Patient erhöhe. Auch der demografische Wandel mache sich bemerkbar - und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Einerseits, weil Ältere tendenziell mehr Bedarf an medizinischer Versorgung haben. Andererseits, weil in den nächsten Jahren viele Ärzte in den Ruhestand gehen - und sich vielleicht nicht für jede freie Praxisstelle jemand Neues findet.

Selbständig sein - das ist für viele Ärztinnen und Ärzte nicht sehr reizvoll

Dieses Problem ist nicht neu, seit Jahren weist etwa die Bundesärztekammer in ihrer Statistik einen Rückgang bei den niedergelassenen Medizinern aus. Im Jahr 2015 etwa um 0,7 Prozent, 2019 - das Jahr vor Corona - verzeichnet ein Minus von einem Prozent, im ersten Corona-Jahr 2020 waren es sogar 1,2 Prozent weniger und 2021 beträgt das Minus 0,35 Prozent. Gerade jüngere Ärztinnen und Ärzte entschieden sich laut den Statistikern eher für einen Arbeitsplatz in einem Krankenhaus oder einem Medizinischen Versorgungszentrum.

Das habe sicher auch mit den Arbeitsbedingungen zu tun, sagt Block - etwa der immer mehr zunehmenden Bürokratie und den finanziellen Risiken, die man als Selbständiger zu tragen hat. Aber eben auch mit der Bedarfsplanung der KVB. Block plädiert dafür, die Regeln für die Niederlassung zumindest zu lockern, wenn nicht ganz abzuschaffen. So könnten Arztpraxen dort öffnen "wo es nötig ist".

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