Süddeutsche Zeitung

Kultur im Landkreis Ebersberg:Wieder zugesperrt

Obwohl Veranstaltungen derzeit nicht verboten sind, folgt eine Absage auf die nächste. Das liegt an den verschärften Regelungen - aber nicht nur. Über eine Szene, die erneut nur von der Hoffnung lebt.

Von Anja Blum, Ebersberg

Wie sagte der große Karl Valentin so schön? "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut." So verquer dieser Ausspruch ist, so gut passt er auf die momentane Lage der Kulturszene: Veranstaltungen sind zwar nicht verboten, doch die Regeln sind dermaßen streng, dass man durchaus von einem Lockdown durch die Hintertür sprechen kann. G 2 Plus und Co. machen Konzerte, Kabarett und Theater praktisch unmöglich. Und so nimmt es nicht Wunder, dass auch im Landkreis Ebersberg eine Absage auf die nächste folgt. Und dass sich die Kulturschaffenden mal wieder irgendwo zwischen Verzweiflung, Resignation und einem letzten Fünkchen Hoffnung bewegen. Wenn selbst Bühnenchef Markus Bachmeier sagt, "so langsam schwinden die Kräfte", ist die Situation wirklich alles andere als gut. Schließlich hat gerade das Team des Ebersberger Alten Kinos die Fahne bislang immer hoch gehalten, hat den pandemischen Hindernissen mit neuen Formaten, eigenen Produktionen und einem eigens kreierten Onlineportal getrotzt.

Nun jedoch haben das Alte Kino und der Alte Speicher erneut für das Publikum geschlossen, sämtliche Veranstaltungen im November und Dezember wurden verschoben, abgesagt oder in reine Streams verwandelt. Damit hat der Verein auf die neuen Vorschriften reagiert, die nun für die bayerische Kultur gelten: 2G-Plus-Regel, durchgängige Maskenpflicht und eine reduzierte Kapazität von 25 Prozent. Bachmeiers Anspruch ist seit Beginn der Pandemie, seinen Gästen einen sicheren Raum zu bieten - und gleichzeitig einen unbeschwerten Abend. Zweiteres aber sei mit Mundschutz nur bedingt möglich, sagt er. "Die Atmosphäre leidet furchtbar." Darüber hinaus könnten die beiden Säle mit einer 25-prozentigen Auslastung nicht wirtschaftlich bespielt werden. Nun erfordern also abermalige Änderungen im Programm viel Koordination mit allen Beteiligten, was Zeit kostet und Nerven. Fest steht aber bereits, dass der Abend "Jacquelines Song" mit Gaston und Martina Eisenreich am Donnerstag, 2. Dezember, als Stream über die Bühne gehen wird.

Nur noch eine letzte Veranstaltung gibt es an diesem Samstag, 27. November, im Meta Theater: Zu erleben sind die indischen Tänzerinnen Monalisa Gosh und Rachana Kar, das Gastspiel in Moosach ist die erste Auslandsreise der beiden nach zwei Pandemiejahren, die in Indien laut Theaterchef Axel Tangerding "noch extremer waren, speziell für die Künstler". Außerdem habe 2020 der Zyklon Amphan durch umstürzende Bäume die Studiobühne der Tänzerinnen in Kolkata zerstört. "Nur dank Spenden von Freunden, auch aus Moosach, konnte sie wieder einigermaßen instandgesetzt werden." Auch im Meta Theater sind nur Besucher zugelassen, die vollständig geimpft oder genesen sind und zusätzlich einen aktuellen Test nachweisen können. Parallel wird die Veranstaltung auf Youtube zu sehen sein. Danach aber sei dann erst einmal Schluss, wie Tangerding bedauernd sagt: Der Vorstand des Theaters habe beschlossen, in diesem Jahr leider keine Präsenzveranstaltung mehr anzubieten. "Umso mehr freuen wir uns am Samstagabend über jeden Besucher."

Nicht aufgeben - das scheint das Motto der Schrottgalerie zu sein. Die kleine Musikbühne in Glonn wollte mit ihrem Herbstprogramm selbst unter erschwerten Bedingungen weitermachen. An diesem Samstag, 27. November, wollten Sebastian Schlagenhaufer und Ramon Bessel ihr Programm "Operation Heil-Kräuter" zeigen, in dem sie mutigen Kabarettisten aus der Zeit des Nationalsozialismus eine Stimme verleihen. Am Freitagmittag kam dann aber doch die Absage von der Schrottgalerie: "Wir hätten einfach etwas mehr Zuspruch bei den Reservierungen gebraucht - es ist für die Künstler schwierig, ein anspruchsvolles Kabarettprogramm vor zu wenigen Gästen zu spielen."Noch nicht ganz brach liegt die Reihe "Bach & more": Ein Orgel-Erzählkonzert für Kinder ab sechs an diesem Sonntag, 28. November, in der Baldhamer Petrikirche findet trotz 2-G-Plus-Regel statt - ein Versuchsballon. Doch ein großes Chor- und Orchesterkonzert mit Bachs "Weihnachtsoratorium" am 11. Dezember hat Intendant Matthias Gerstner bereits abgesagt.

Generell bleiben die Bühnen im Landkreis in den kommenden Wochen weitgehend leer. Denn selbst wenn manche Veranstalter weniger unter ökonomischem Druck stehen: Die Infektionszahlen und damit das Risiko von Ansteckung sind hoch wie nie, weswegen Absagen oftmals auch als eine Art moralische Verantwortung empfunden werden. "Jede Menschenansammlung, die nicht stattfindet, heizt auch das Pandemiegeschehen nicht weiter an", bringt es Bachmeier auf den Punkt. "Die Schließung von Altem Kino und Altem Speicher ist unser Beitrag dazu." Die kommenden drei Konzerte des Kulturvereins Zorneding-Baldham: abgesagt. Auch das vereinseigene Symphonieorchester hat seine beiden großen Adventskonzerte bereits gecancelt. Beim "Literarischen Herbst in Zorneding" sind der aktuellen vierten Welle bislang vier Termine zum Opfer gefallen, über einer Weihnachtslesung am 22. Dezember leuchtet noch schwach der Stern der Hoffnung. Der Weinbeisser in Anzing hat sich "schweren Herzens" dazu entschlossen, den Kabarettabend mit Zither-Manä ins kommende Jahr zu verlegen. Ein großes vorweihnachtliches Kirchenkonzert in Ebersberg soll nun an Ostern stattfinden. Auch SP-Events, ein Veranstalter aus Isen, hat umgeplant: Ein Auftritt des Kabarettisten Stefan Kröll an diesem Sonntag, 28. November, in der Alten Post in Parsdorf wurde verschoben auf Februar - im Jahr 2023.

"Aufgrund der hohen Anzahl der Infektionen in Sachen Corona sehen wir uns leider gezwungen, im Jahr 2021 keine Konzerte mehr durchzuführen", schreibt auch der Kulturverein Grafing. Die Krux an der Geschichte: Gerade der als nächstes geplante Auftritt des Münchener Bläserquintetts mit Michael Gredler hätte sich "als sehr anziehend erweisen" können, vor allem für junge Menschen, so der Vorsitzende Friedhelm Haenisch. Erfolgreiche Veranstaltungen? Volle Säle? Ein jubelndes Publikum? Derzeit leider unerwünscht. Wieder einmal.

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