Süddeutsche Zeitung

Landkreis Ebersberg:Koordinator in der Corona-Krise

Marc Block ist vom Landratsamt als Versorgungsarzt für Ebersberg installiert worden. Als solcher ist der Zornedinger Mediziner das Verbindungsglied aller Landkreis-Praxen. In diesen Tagen ist das ein Fulltime-Job

Interview von Andreas Junkmann

Zur Zeit ist es nicht ganz einfach, Marc Block ans Telefon zu bekommen. Vergangene Woche ist er von Landrat Robert Niedergesäß (CSU) zum Versorgungsarzt für den Landkreis Ebersberg ernannt worden und hat als solcher nun alle Hände voll zu tun. Der Hausarzt aus Zorneding soll die medizinische Versorgung während der Corona-Krise sicherstellen und fungiert deshalb als Koordinationsstelle für die Arztpraxen in der Region. Im Interview mit der Ebersberger SZ spricht über seinen Arbeitsalltag, den Bestand an Schutzausrüstung und wie sich der Landkreis auf eine mögliche Eskalation der Lage vorbereitet.

SZ: Herr Block, als Versorgungsarzt fällt unter anderem in Ihr Aufgabengebiet, die Arztpraxen im Landkreis mit Schutzausrüstung zu versorgen. Haben Sie denn überhaupt noch etwas, das Sie verteilen können?

Marc Block: Der Begriff Versorgungsarzt zielt in erster Linie auf die ärztliche Versorgung der Bevölkerung ab. Dabei sind viele Aufgaben zu koordinieren und in die Wege zu leiten. Auch die Verteilung von Schutzmaterial gehört dazu. Beim Material besteht weiterhin ein großer Mangel. Vom Landratsamt wird aber in einer engagierten, oft fantasievollen Art und Weise versucht, diesen Mangel zu beheben. Es werden national und international Bestände bestellt und verteilt. Darüber hinaus werden uns dankenswerterweise auch viele Sachspenden von Privatleuten und Firmen, wie selbstproduzierte Mundschutz-Masken, zur Verfügung gestellt.

Und wenn Sie dann eine Lieferung bekommen, werden die Sachen schnell in einen Safe gesperrt, damit nichts wegkommt?

Täglich eingehende Lieferungen werden in einem zentralen Lager aufgenommen. Meine Aufgabe umfasst, den Bedarf der niedergelassenen Haus-, Fach- und Zahnärzte zu sammeln, auf Plausibilität zu überprüfen und vorhandenes Schutzmaterial wöchentlich an die Kollegen ausgeben zu lassen.

Das heißt also, der Landkreis hat schon noch gewisse Vorräte?

Der Lagerbestand ändert sich täglich, manche Schutzmaterialien sind aber kaum zu bekommen. Erfreulicherweise werden gerade zunehmend FFP-2- und Mund-Nasen-Schutzmasken geliefert, die für einen gefahrlosen Patientenkontakt unabdingbar sind.

Sie sind derzeit wahrscheinlich einer der meistbeschäftigten Menschen im Landkreis. Wie sieht denn Ihr Arbeitsalltag als Versorgungsarzt aus?

Meine grundsätzliche Aufgabe besteht in der Sicherstellung der haus- und fachärztlichen sowie der zahnärztlichen Versorgung des Landkreises Ebersberg. In der Früh nehme ich an der Sitzung der Führungsgruppe Katastrophenschutz teil, dort werden dann alle relevanten Probleme und daraus resultierende Aufgaben besprochen. Anschließend konzipiere ich die ärztliche Grundversorgung in den genannten Bereichen unter Berücksichtigung aktueller Fragestellungen und Bedürfnissen.

Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Wir haben in der letzten Woche über den Landkreis verteilte hausärztliche Covid-Schwerpunktpraxen und eine zentrale Notfallpraxis eingerichtet sowie ein Netz von Facharztpraxen in die Versorgung eingebunden. Darüber hinaus wurde die Organisation der ärztlichen Versorgung in Senioren- und Pflegeheimen dahingehend geändert, dass notwendige Heimbesuche von einem dafür zuständigen Heimarzt durchgeführt werden. Die Hoheit der ärztlichen Versorgung der Heimpatienten unterliegt aber selbstverständlich weiterhin dem jeweiligen Hausarzt, der notwendige Hausbesuche durch den Heimarzt mit diesem bespricht und wenn nötig veranlasst.

Wie schaffen Sie es bei all den verschiedenen Baustellen, mit Ihren Kollegen in Kontakt zu bleiben?

Um über die vielfältigen Maßnahmen zu informieren und alle mit dem gleichen Wissensstand zu versehen, verschicke ich mehrfach in der Woche per E-Mail ein Rundschreiben, den sogenannten Ebersberger Covid-Newsletter, mit allen Neuigkeiten und Informationen.

Sie haben die Schwerpunktpraxen angesprochen, die Sie zusammen mit dem Landratsamt bestimmt haben. Was hat es damit auf sich?

Das sind insgesamt sechs Stück über den ganzen Landkreis verteilt. Die Praxen sollen in erster Linie Ansprechpartner von potenziell an Covid erkrankten Patienten sein und bei nicht mobilen Patienten gegebenenfalls Hausbesuche durchführen. Darüber hinaus übernehmen die Schwerpunktpraxen die personelle Mitbetreuung der zentralen Notfallpraxis.

Den meisten Menschen geht es mit den anfänglichen Symptomen ja noch gut genug, um selbst in die Praxis kommen zu können.

Jemand, der mobil ist, wird in die zentrale Notfallpraxis in Ebersberg überwiesen. Dort werden die Patienten untersucht und eine Grunddiagnostik durchgeführt. Die Überweisung dorthin erfolgt ausschließlich über den Hausarzt oder den Arzt einer der Schwerpunktpraxen. Wir wollen mit dieser Regelung Infizierte auf möglichst wenige Praxen konzentrieren und somit auch dem Mangel an Schutzkleidung Rechnung tragen.

Bedeutet das, dass manche Praxen sich vor Arbeit jetzt nicht mehr retten können, während andere nur ihr normales Pensum fahren?

Um die entstehende Belastung gerecht zu verteilen, haben wir ein Rotationsverfahren entwickelt, bei dem mal die eine Praxis, mal die andere Praxis diese Aufgaben übernimmt. Das gilt sowohl für die Arbeit als Schwerpunktpraxis, als auch für die Arbeit als Heimarzt. Auch die niedergelassenen Ärzte müssen durch die Corona-Krise erhebliche wirtschaftliche Belastungen hinnehmen. Um neben der Arbeitsbelastung auch diese auf möglichst vielen Schultern gerecht zu verteilen, sollen alle Kollegen Aufgaben solidarisch übernehmen. Erfreulicherweise melden sich aber viele freiwillig und bieten ihre Hilfe an.

Unterm Strich hört sich das nach ziemlich viel Organisations- und Planungsaufwand für Sie an. Bleibt da überhaupt noch Zeit für Ihre eigene Praxis in Zorneding?

In der letzten Woche hat vor allem meine Frau Stefani im Team mit unseren medizinischen Fachangestellten in der Praxis gearbeitet. Ich versuche zwar mich dort ebenfalls weiterhin einzubringen, aber überwiegend bin ich doch den gesamten Tag bis zum späten Abend mit Anfragen, Koordination und Neuorganisation als Versorgungsarzt beschäftigt.

Im Landkreis wird also offenbar viel getan, um das Virus in den Griff zu bekommen. Wie schätzen Sie die Lage in der Region Ebersberg ein?

Wir haben hier ein sehr gutes Krisenmanagement durch den Landrat und den Führungsstab. Aber auch dem professionellen Arbeiten der Pflegeheime, dem Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer, dem Roten Kreuz, dem Technischen Hilfswerk und nicht zuletzt der Arbeit in den Praxen und dem Krankenhaus ist es zu verdanken, dass wir im Vergleich zu benachbarten Landkreisen nur relativ wenig Erkrankte und Tote zu beklagen haben. Wir hoffen, dass die Lage weiterhin unter Kontrolle zu halten ist, rüsten uns aber für den Fall einer Eskalation der Erkrankungswelle. Alle Beteiligten wollen auf diese Aufgabe - den Fall der Fälle - vorbereitet sein und die medizinische Versorgung im Landkreis weiterhin gewährleisten.

Was kann man als normaler Bürger tun, damit es nicht zur angesprochenen Eskalation kommt?

Jeder von uns ist natürlich auch gefragt, in seinem persönlichen Umfeld für die Einhaltung der sinnvollen Hygiene-Maßnahmen und Abstandsregeln Sorge zu tragen.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2020
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