Neustart:Vom Moria-Filmer zum High-Tech-Farmer

Neustart: Bastian Schertel, 27, ehemals Fotograf, jetzt Produzent von High-Tech-Nahrung.

Bastian Schertel, 27, ehemals Fotograf, jetzt Produzent von High-Tech-Nahrung.

(Foto: privat/oh)

Der Eglhartinger Bastian Schertel ist durch seine heimlichen Aufnahmen aus Flüchtlingslagern bekannt geworden. Nun hat sich der 27-Jährige ein ganz anderes Projekt vorgenommen.

Interview von   Michaela Pelz, Kirchseeon

Nach seinen heimlichen Foto- und Filmaufnahmen in Moria und anderen Flüchtlingslagern vom Herbst 2020 arbeitet der Fotograf und Filmemacher Bastian Schertel, 27, aus dem Kirchseeoner Ortsteil Eglharting nun für ein Start-up zur Verbindung von Technik und gesundem Essen. Oder wie es in der Szene heißt: Food-Tec.

SZ: Herr Schertel, wo erreichen wir Sie gerade?

Bastian Schertel: In meinem Homeoffice in Eglharting.

Wir hätten Sie eher an Bord eines Rettungsboots vermutet - diesen Plan hatte Sie ja oder?

Der Plan steht auch immer noch. Jedoch musste ich aufgrund der Corona-Pandemie meine Pläne anpassen. Mittlerweile bin ich bei Organic Garden angekommen und gebe mein Bestes, auch hier die Welt ein Stück zu verbessern.

Und was machen Sie da genau, Tomaten pflanzen?

(lacht) Wenn es drauf ankommt, auch das. Nein, ernsthaft: Ich bin für den gesamten digitalen Inhalt zuständig.

Haben Sie die Stelle bekommen, weil Sie eine Kochlehre vorweisen können?

Sicher hat es etwas geholfen. Ich hatte in meiner Situation Glück, dass ein Food-Tech-Start-up aus München einen gelernten Koch gesucht hat, der auch Content-Creator ist. So kann ich zu den Themen Medien, Marketing etwas beitragen und zudem aus kulinarischer Sicht.

Was genau macht Ihr neuer Arbeitgeber?

Organic Garden hat eine Mission: Menschen von fantastisch schmeckender Ernährung begeistern, die gleichzeitig gesund für Mensch und Umwelt ist. Dafür denken wir die Ernährungskette von Anfang bis zum Ende und bauen unter anderem eigene High-Tech-Farmen. Die hier entstehenden Produkte verkaufen wir dann in unseren Markthallen, dem Online-Shop, unsere eigenen Eateries, Schulen, Kantinen und Pflegeeinrichtungen.

Was genau ist Ihre Aufgabe?

Im Moment erstelle ich zum Beispiel Product-Storys von ausgewählten Zutaten, auf denen die Rezepte von Holger Stromberg, einem unserer Gründer, basieren. Damit diese von Anfang bis Ende nachvollziehbar bleiben, verfolgen wir alles bis ins letzte Detail - zum Beispiel ab Hof des Bauern auf der Insel Reichenau, wo unser Ingwer herkommt, bis hin zu den fertigen "Juicy Ginger" Säften.

Ziemlich krasser Unterschied, ob man Gemüse, Pilze und Algen vor der Linse hat oder die Kamera auf verletzte und traumatisierte Menschen in erbärmlichen Zeltstädten richtet.

Ja und nein. Es kommt ja auch auf die Idee dahinter an. Ich will die Welt ein bisschen besser machen. Und Ernährung ist ein unfassbar großer Teil unseres Lebens. Wer Zugang zu gesunden Lebensmitteln hat, ist automatisch gesünder und kann einen besseren Lebensstil verfolgen. Darum gehört für mich die Möglichkeit, sich ohne Pestizide und Massentierhaltung ernähren zu können, zur Grundsicherung. Wie das Dach über dem Kopf.

Aktuell ist ein Crowdfunding geplant.

Ja, weil immer wieder Anfragen kamen, wie man sich an unserer Vision beteiligen kann. Und jetzt ist das möglich.

Was wird mit dem Geld finanziert?

Wir bauen gerade in Pastetten eine Produktionsstätte auf, dafür braucht es Geräte, Personal und Logistik.

Wann geht es los mit der Sammelaktion?

Ende März auf der Plattform Econeers. Mein Werbefilm dafür soll zeigen, was uns wichtig ist: Regionalität und Nachhaltigkeit. Und dass wir kein langweiliges Banker-Start-up sind, sondern ein junges, erfrischendes Do-it-yourself-Team aus künftigen Farmern mit einer guten Mission und Vision.

Aber schon anders als Ihr Filmprojekt über das Elend der Flüchtlinge. Konnte die Doku mittlerweile wie geplant auf Festivals und im Kino gezeigt werden?

Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die mitwirkenden Musiker aus Athen mussten ihr Studio komplett aufgeben. Das heißt: Die Idee gibt es noch, aber wann der Film fertig sein wird, ist noch nicht sicher.

Dann ist Ihre Dokumentarfilmer-Karriere ebenfalls vorerst auf Eis gelegt?

Die gibt es wahrscheinlich nicht mehr so wie früher. Corona hat mir gezeigt, dass ich ein zweites Standbein brauche, bei dem ich nicht von äußeren Einflüssen abhängig bin. Darum habe ich mich schweren Herzens vom Gedanken verabschiedet, mit Filmen mein Geld zu verdienen. Oder eines Tages vielleicht sogar einen Oscar zu gewinnen (lacht). In meinem Urlaub allerdings will ich schon nochmal losziehen. Vielleicht sogar aufs Meer oder in den "Dschungel" zu den Geflüchteten, die entlang der Balkanroute im Wald leben. Denn es geht mir um die gute Sache. Daran hat sich nichts geändert.

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