SZ-Serie: Orgeln im Landkreis Ebersberg:Huldigung einer Königin

Die Orgel ist eindrucksvoll, vielfältig und hat eine lange Tradition. Das Instrument des Jahres kostet aber auch sehr viel Geld. Über die Hürden bei Restaurierung oder Neuanschaffung.

Von Alexandra Leuthner

Die Orgel ist das Instrument des Jahres. "Wie passend!", möchte man rufen, unter Pandemiebedingungen sind Kirchen ja der einzige Ort, an dem man öffentlich Livemusik hören kann. Die Ebersberger SZ nimmt dies zum Anlass, in einer lockeren Serie das Thema sowie diverse Orgeln aus dem Landkreis und deren Geschichten vorzustellen. Schließlich ist keine von ihnen wie die andere, stets sind sie der Architektur, ihrer Epoche und ihrem Zweck angepasst. Sie sind klein oder groß, alt oder neu, analog oder digital, stationär oder mobil. Drei Elemente aber brauchen sie auf jeden Fall: einen Klangkörper aus Pfeifen, eine Art Blasebalg als Winderzeuger und Klaviaturen, mit denen man das Ganze dirigieren kann.

Geht es um die Orgel, geht es immer auch um Zeit. Um viel Zeit. Nicht nur, weil das größte und vielseitigste Instrument sehr, sehr alt werden kann, wenn es gut gebaut ist. Sondern auch, weil es eine lange Geschichte hat - die bis ins 3. Jahrhundert vor Christus nach Alexandria zurückreicht -, und weil es einen langen Atem braucht, wenn eine neue Orgel entstehen soll. Letzteres liegt nicht nur, aber auch daran, dass die Finanzierung keine einfache Sache ist.

SZ-Serie: Orgeln im Landkreis Ebersberg: In Markt Schwaben freut sich Stefan Krischke über seine renovierte Orgel.

In Markt Schwaben freut sich Stefan Krischke über seine renovierte Orgel.

(Foto: Christian Endt)

Insofern ist es doch erstaunlich, dass es so viele Orgeln in Deutschland gibt, etwa 50 000 sollen es sein, davon 1435 in Berlin als größter Orgelstadt des Landes. Von annähernd 300 Kirchenorgeln, die zwischen 1998 und 2016 in ihrem Bereich neu gebaut oder restauriert worden sind, berichtet die Erzdiözese München und Freising. Einige davon stehen im Landkreis Ebersberg, etwa das 2017 eingeweihte Instrument in Sankt Margaret Markt Schwaben - das es mit seinen 50 Registern sogar unter die beachtenswertesten Orgeln Oberbayerns geschafft hat. Auch die 2005 neu gebaute Orgel der Pfarrkirche Sankt Baptist in Egmating ist darunter. Die Kirchengemeinde "Zum kostbaren Blut Christi" in Vaterstetten konnte sich 2002 über neue himmlische Klänge in ihrer Kirche freuen.

Der Pfarrverband Assling dagegen hat noch eine weite Wegstrecke vor sich, bis A-moll oder Fis-Dur in Sankt Georg auch endlich wieder nach A-moll und Fis-Dur klingen, ohne dass der Spieler all zu viel tricksen muss. "Manche Pfeifen springen gar nicht mehr an", hatte Organist Christian Suttner kurz vor der Gründung eines Orgelvereins erklärt, der die Finanzierung für ein neues Instrument stemmen will. "Jetzt lasst uns mal ein paar Jahre sammeln." 2017 hat Kirchenpfleger Alois Eichner diesen Satz gesagt, seither ist "schon eine ordentliche Summe zusammen gekommen", berichtet Kassenwartin Regine Gründler. Die Pandemie allerdings hat die Asslinger Spendensammler zwischenzeitlich arg ausgebremst, Konzerte konnten nicht stattfinden, die Besichtigungen einer Reihe von Referenzorgeln musste mittendrin abgebrochen werden. Inzwischen ist die alte Orgel nicht besser geworden, und einen Kirchenmusiker hat der Pfarrverband auch nicht mehr. Ein neuer Organist ist aber weit und breit nicht zu sehen, was letztlich ebenfalls an Corona liegt. "Wer kommt schon für die zwei, drei Gottesdienste in eine Gemeinde", sagt Gründler. Zudem aber brauche es jemand, der sehr gut spiele, um mit der alten Orgel zurecht zu kommen, "aber so jemand hat gerade auf so eine Orgel keine Lust". Eine, die streikt, wenn es recht heiß ist, und bei der manche Register gar nicht mehr gezogen werden können, wenn die Begleitung der Gemeinde beim Gottesdienst noch halbwegs harmonisch klingen soll.

Asslinger Orgel - ist total kaputt

Die Asslinger Orgel pfeift aus vielen Löchern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein absolut vernichtendes Urteil hatte der vom Ordinariat beauftragte Sachverständige Friedemann Winklhofer über die Asslinger Orgel von 1956 gefällt. Zu viel Zinkblech hatte er darin gefunden, wie in so vielen Instrumenten aus den 50er Jahren. Kein gutes Jahrzehnt für den Orgelbau sei das gewesen, urteilt der Organist und langjährige Professor an der Musikhochschule München. Seit 1992 ist er einer von vier Orgelsachverständigen im Raum der Erzdiözese München und Freising und wird immer dann gerufen, wenn einem alten Instrument die Luft ausgeht und ein neues angeschafft werden soll. Zehn bis zwölf Projekte in seinem Zuständigkeitsbereich von Wasserburg und Ebersberg bis in den Chiemgau und nach Berchtesgaden stünden derzeit kurz vor dem Abschluss. Wenn man bedenkt, dass ein einziges Orgelregister, also eine Pfeifenreihe gleicher Klangfarbe, zwischen 15 und 20 000 Euro kostet, schon eine kleine Orgel aber bei zehn bis 15 Registern liegt, kann man sich die finanzielle Dimension vorstellen, die manche Kirchengemeinde mit einem Neuerwerb auf sich nimmt. Eine Renovierung dagegen, so Winklhofer, müsse längst nicht so teuer sein.

Neben der Zahl der Register, die einzeln zu- und abschaltbar den für bestimmte Orgelliteratur gewünschten "Orchestereffekt" bedingen, und je nach Zusammenstellung ihrer Klangfarben, der sogenannten Disposition, für den Klangcharakter verantwortlich sind, spielt auch das Material eine Rolle bei den Kosten. Heute verwende man hochwertige Legierungen aus Zinn und Blei, erklärt der Orgelexperte, wobei mehr Zinn für einen klareren, mehr Blei für dunkleren Klang stehe. Ist eine Orgel dagegen billig gebaut, bleibe ihm meist nicht viel mehr zu sagen als "schmeißt die Kiste weg." Viele Instrumente, die um die vorletzte Jahrhundertwende herum gebaut wurden, seien aber von gutem Material - bei qualitativ guten Orgeln, die vielleicht nur 20, 25 Jahre nicht gut gepflegt worden seien, empfehle er nur eine Restaurierung. Aber auch die kann in die Hunderttausende gehen. Auf 350 000 Euro etwa belief sich die Generalsanierung der Orgel in Markt Schwaben - jedoch kein Euro zu viel, wie unschwer herauszuhören ist, wenn man sich mit Kirchenmusiker Stefan Krischke unterhält -, auch wenn 14 Jahre lang dafür gesammelt werden musste.

Pöcking Orgel-Festkonzert

Friedemann Winklhofer ist Experte.

(Foto: Georgine Treybal)

Aus Spenden von Privatpersonen oder Firmen, auch aus dem Erlös aus Benefizveranstaltungen werden Orgelneubauten oder Sanierungen finanziert - wobei in Oberbayern den Leuten das Geld meist locker sitze, wenn es um ihre Orgel geht, sagt Winklhofer. Manchmal gebe es Zuschüsse von der Unteren Denkmalbehörde im Landratsamt, für tatsächlich historische Orgeln auch vom Denkmalamt. In Markt Schwaben und Vaterstetten hatte man zur Finanzierung unter anderem Patenschaften für Orgelpfeifen vergeben. Nach einer vor wenigen Jahren in Kraft getretenen Richtlinie unterstütze die Münchner Diözese Neuanschaffungen mit einem Zuschuss von zehn Prozent, erklärt Winklhofer, nicht aber Restaurierungen. Den dauerhaften Einbau preisgünstigerer elektronischer Orgeln lehnt das Ordinariat übrigens ab. Eine Direktive, die der Sachverständige ausdrücklich unterstützt: "Bei einer mechanischen Orgel in der heutigen Qualität brauche ich die nächsten 120, 130 Jahre nichts Großartiges mehr zu machen."

Die Größe allein ist es aber nicht, welche Investitionshöhe und Qualität bestimmt. Kirchenmusiker Krischke kann lange davon erzählen, wie er mit dem angesehenen Orgelbauer Siegfried Schmid zusammengesessen ist, der die 1928 gebaute Markt Schwabener Orgel renovierte, auch der Orgelsachverständige hatte den Allgäuer Orgelbauer favorisiert. "Da kann man an vielem sparen - oder auch nicht", sagt Krischke. So habe man sich etwa entschieden, im Zuge der Restaurierung die Schwellkästen zu erneuern und an die besondere Platzsituation einer zweiten Empore in Sankt Margaret anzupassen. Eigene Dachschweller können jetzt nach oben aufgeklappt den Klang ans Dach lenken, von wo er zurückschallt und für mehr Klangvolumen sorgt. Auch das Prinzipal - gewissermaßen das Rückgrat jeder Orgel - bedeutete für Schmid eine besondere Herausforderung: Ist es unterdimensioniert, trägt es spätestens zum gut besuchten Weihnachtsgottesdienst den Klang nicht mehr.

Asslinger Orgel - ist total kaputt

Die Asslinger Orgel ist aus den 1950er Jahren und Holzwürmer waren bereits an den Holzpfeifen am Werk.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

16 Fuß lang - also etwa 4,80 Meter - sollten die tiefsten Register in Markt Schwaben sein, was platzmäßig gar nicht ging. Um doch eine entsprechende Länge der Luftsäule zu erreichen - je länger, desto tiefer der Ton - musste Orgelbauer Schmid sechs Prinzipalpfeifen eine Art "Nasenscheidewand" verpassen, wie Krischke erklärt, für eine interne Verdopplung ihrer Luftsäule. Sparen - oder auch nicht - könne man, sagt Krischke, auch an der Intonation. Viele Orgelbauer, wie auch Schmid, arbeiten seit Jahren mit eigenem Intonateur. "Der baut keine Manuale, sondern beschäftigt sich ausschließlich mit der Intonation der Pfeifen." Und passt die Orgel dem Kirchenraum an, für den sie gebaut ist. Im Juli 2017 sollte die Markt Schwabener Orgel eingeweiht werden, im Januar begann die Intonation. Und da sind wir wieder beim Faktor Zeit. "So eine Orgel steht mehr als hundert Jahre", sagt Krischke, "da kommt es auf ein paar Monate auch nicht an".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: