Süddeutsche Zeitung

Preise für Ebersberg:Sonate per Bildschirm

"Jugend musiziert" findet wegen der Pandemie digital statt: Alle Teilnehmer müssen Videos einreichen. Dem Erfolg der Talente aus dem Landkreis Ebersberg tut dies aber keinen Abbruch.

Von Tobias Schweitzer

Wenn einem als Musiker bei einem Wettbewerb mitten während des Vorspiels ein Fehler unterläuft, hofft man darauf, dass es im günstigsten Falle niemandem auffällt. Cool bleiben, weiterspielen und sich nichts anmerken lassen, lautet dann die Devise. Ganz andere Möglichkeiten bot da die diesjährige Version des bekannten Nachwuchswettbewerbs "Jugend musiziert": Statt des üblichen Vorspiels vor der Wettbewerbsjury galt es in diesem Jahr, ein eigens dafür produziertes Video einzusenden. Und in diesem Filmchen mussten dann in Bayern - im Gegensatz zum restlichen Bundesgebiet - alle für den Wettbewerb ausgewählten Stücke präsentiert werden. Falls man dann in der letzten Minute der Aufnahme aus dem Rhythmus kam oder die falsche Taste des Instruments erwischte, hieß es: alles zurück auf Anfang.

Diese Umstellung der Wettbewerbsbedingungen hat die Erfolgsquote der Teilnehmer aus dem Landkreis Ebersberg aber kaum beeinträchtigen können. Da die üblichen Regionalwettbewerbe ausgefallen sind, wurden schon im März alle bayerischen Teilnehmer in den Altersgruppen III bis VII anhand ihrer eingesandten Videos bewertet. Ob auf der Block- oder Querflöte, an der Trompete oder am Hackbrett - der Landkreis ist von Markt Schwaben bis Grafing teilnehmerstark in den vorderen Rängen vertreten.

Für Lea Häfner aus Grasbrunn etwa erwies sich ihre erste Teilnahme bei Jugend musiziert gleich als voller Erfolg. Die 14-Jährige, die an der Musikschule Vaterstetten unterrichtet wird, schaffte es in der Kategorie Hackbrett auf den ersten Platz. Von den Tücken und Herausforderungen des diesjährigen digitalen Wettbewerbformats, kann die junge Musikerin ein Lied singen: "Einerseits war man natürlich weniger aufgeregt und hatte mehrere Chancen. Je öfter man die Aufnahme jedoch wiederholte, konnte das im Zweifel dann ganz schön aufwendig werden." Die Achtklässlerin, die von Katharina Rein aus Zorneding an der Harfe begleitet wurde, spielt schon seit mehreren Jahren Hackbrett. Ein Besuch beim Tag der Offenen Tür der Musikschule Vaterstetten brachte sie in Kontakt mit dem traditionellen Musikinstrument, das meist in der Volksmusik Verwendung findet. Doch Lea Häfner ist weit davon entfernt nur Volksmusik zu spielen - eine Sonate aus dem 18. Jahrhundert im Basso- Contino-Stil, ein zeitgenössisches Schifferlied sowie eine Jazz-Komposition von Hackbrettlehrer Günther Ebel füllten das Programm, mit dem sie bei "Jugend musiziert" brillierte.

Die Teilnehmer

Neun Talente aus dem Landkreis Ebersberg haben am Wettbewerb "Jugend Musiziert" in Bayern für die Altersgruppen III bis VII im Coronajahr 2021 teilgenommen. Über das Maximum von 25 Punkten und damit einen ersten Preis freuen dürfen sich die Querflötistin Katharina Schippan aus Kirchseeon, der Gitarrist Felix Vogt aus Forstinning sowie der Pianist Zheng Huang aus Markt Schwaben. An der Blockflöte überzeugten Amelie Sieben aus Grafing (22 Punkte / 1. Preis) und Eva Seisenberger aus Hohenlinden (21 Punkte / 1. Preis). Ebenfalls an der Gitarre zeigte Sofia Greißel aus Markt Schwaben ihr Können (22 Punkte / 1. Preis). Lea Häfner aus Grasbrunn lernt an der Musikschule Vaterstetten Hackbrett (22 Punkte / 1. Preis), sie wurde von der Harfenistin Katharina Rein aus Zorneding begleitet (21 / 1. Preis). Annika Gripp aus Markt Schwaben glänzte an der Trompete (20 / 2. Preis). sz

Ähnlich abwechslungsreich wollte Katharina Schippan aus Kirchseeon ihr Programm gestaltet wissen. Gemeinsam mit Musiklehrerin Lisa Batzer wählte die Querflötistin verschiedene Stücke quer durch alle Epochen aus. Vor allem Spaß sollte es machen, mit der Einstellung "der Weg ist das Ziel" sei sie in den Wettbewerb gestartet, erzählt die 14-Jährige. Letzen Endes blieb es dann aber nicht nur beim Spaß - auch Katharina Schippan konnte sich über einen ersten Platz freuen.

Flötenlehrerin Lisa Batzer zeigt sich beeindruckt von der Leistung ihrer Schülerin: "Mit 14 Jahren innerhalb einer kurzen Zeit unter erschwerten Probebedingungen eine solche Leistung zu erbringen: Hut ab." Dabei ist sie selbst nicht ganz unschuldig am Erfolg ihrer Schülerin: Wer Lisa Batzer länger zuhört, merkt schnell, wie ernst sie ihre Rolle als Musiklehrerin in der Begleitung ihrer Schülerin beim Wettbewerb genommen hat: "Insgesamt ist es wichtig, dass die Schüler pädagogisch und mental gut begleitet werden und auf alle Eventualitäten vorbereitet sind, sodass keine negativen Begleiterscheinungen auftauchen", erläutert die Musiklehrerin aus Ebersberg, die früher selbst an solchen Wettbewerben teilgenommen hat.

Dem kann auch Waltraud Kraxner, Trompetenlehrerin von Annika Gripp aus Markt Schwaben, nur beipflichten. Auch sie ist unglaublich stolz auf die Leistung ihrer Schülerin, die es auf den zweiten Platz schaffte. Nicht jeder Schüler sei gleichermaßen für ein solches Format geeignet, sagt Kraxner. "Wenn man Trompete spielt, muss man aber ohnehin ein gutes Selbstbewusstsein haben", erzählt sie lachend. Die Teilnahme am Wettbewerb könne das im besten Fall dann nochmal gehörig in die richtige Richtung schieben. Zum Beispiel bei ihrer Schülerin Annika Gripp.

Wenn es gut läuft, steigt natürlich auch die Motivation sich ein zweites, drittes oder gar viertes Mal bei "Jugend musiziert" zu beteiligen und zum Wiederholungstäter zu werden - wie der erst zwölfjährige Zheng Huang aus Markt Schwaben. Er spielt seit fast sieben Jahren Klavier und hat schon öfter erfolgreich an verschiedenen Varianten des Wettbewerbs teilgenommen. In diesem Jahr stand für ihn die Kategorie "Vierhändiges Klavierspiel" auf dem Programm. Und auch im Corona-Jahr gelang es ihm gemeinsam mit Spielpartnerin Yutong Sun, das Vorspiel mit Bravour über die Bühne zu bringen: gab Höchstpunktzahl. Eine Mozart-Sonate und die Habanera Arie aus George Bizets Oper "Carmen" wurden der Jury per Video präsentiert. Das neuartige Format störte Zheng Huang dabei überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: "Somit hat man die Möglichkeit sich häufiger zu verbessern", sagt der Siebtklässler.

Normalerweise sei der Landeswettbewerb immer ein freudiges Wiedersehen all derjenigen, die schon öfter teilgenommen haben, sagt Katharina Schippan, für die ihre diesjährige Teilnahme ebenfalls keine Premiere war. Heuer musste dieses Jugend-musiziert-Familientreffen pandemiebedingt natürlich ausfallen. Aber auch wenn die soziale Dimension des Wettbewerbs dadurch wohl oder übel etwas gelitten hat: Neue Erfahrungen und Eindrücke konnten alle Teilnehmer gewinnen. Sei es der Lern- und Spielfortschritt am Instrument, die Erfahrung, wie weit man mit Disziplin, Fleiß und Ausdauer gelangen kann, oder der Spaß an der Produktion einer eigenen Aufnahme. Und wer weiß, vielleicht mündet bei dem einen oder der anderen Talent die Leidenschaft irgendwann in eine berufliche Zukunft. Dass ihnen in der Musik die Türen weit offenstehen, dürfte nun jedenfalls klar geworden sein.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2021
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