Wer ko, der ko:Unterwegs mit zwei PS

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Markus Wimmer alias "Kutscher Max" auf seinem Zweispänner. Der wird vor allem für Hochzeitsfahrten gebucht. (Foto: Christian Endt)

Seit gut 30 Jahren ist Markus Wimmer aus Hohenlinden als "Kutscher Max" unterwegs. Zu seinen Fahrgästen zählen Hochzeitsgesellschaften genau wie so manche Promis - und auch bei Filmproduktionen ist er im Einsatz.

Von Vera Koschinski, Hohenlinden

Auf eine Fahrt von etwas mehr als vier Stunden hätte man sich vor 200 Jahren einstellen müssen, um die 14 Kilometer zu überwinden, die zwischen Ebersberg und dem Anwesen von Markus Wimmer, genannt Max, liegen. Mit dem Auto legt man diese Strecke heute in bequemen elf Minuten zurück. Trotzdem hat Markus Wimmer sich vor etwa 30 Jahren dazu entschlossen, ein Unternehmen namens "Kutscher Max" zu gründen. Denn auch wenn Kutschen als Fortbewegungsmittel schon lange von den Straßen verschwunden sind, hat das Kutschfahren für Markus Wimmers Fahrgäste und vor allem für ihn selbst seinen Charme nicht verloren.

Bereits im Jugendalter begeisterten ihn Pferde und das Reiten. Durch seinen Freundeskreis, mit dem er diese Leidenschaft teilte, probierte er sich auch bald im Kutschfahren aus, bis ihn schließlich der Ehrgeiz packte und er, wortwörtlich, selbst die Zügel in die Hand nehmen wollte. "Dann kam der Wunsch auf zur Beherrschung des Fahrzeugs." Vor genau 40 Jahren, 1982, schloss er dann den Basis-Fahrlehrgang zum Kutschfahren ab.

Seit gut drei Jahrzehnten gibt es die Fuhrhalterei von Markus Wimmer in Hohenlinden bereits. (Foto: Christian Endt)

Doch neben der Beherrschung des Geräts ging es ihm ebenso darum, Personen zuverlässig befördern zu können. Dabei gehe es um mehr als um das Ziehen links und rechts an zwei Leinen. Es gehe darum, eine Vertrauensbasis zwischen Mensch und Pferden zu schaffen, die auf dem täglichen Miteinander beruhe. "Mit Pferden unterwegs zu sein, ist immer spannend", sagt Markus Wimmer und spielt dabei vor allem auf den Fluchtinstinkt der Tiere an. Der könne sie unberechenbar und gefährlich machen. Ohne das Vertrauen fühle ein Pferd sich schnell verunsichert, verängstigt und gestresst in befremdlichen Situationen, wie beispielsweise dem Hupensignal eines Autos im Stadtverkehr. Dann bestehe das Risiko, dass das Pferd "durchgeht", wie man es im Fachjargon nennt, sobald der Fluchtinstinkt ein Pferd übermannt, es jegliche Anweisungen und Befehle verweigert und unkontrolliert durch die Umgebung stürmt. Dabei können, sich Passanten, Verkehrsteilnehmer und nicht zuletzt das Pferd selbst, schwere Verletzungen zuziehen.

Eine große Rolle spiele das freiwillige Vertrauen des Pferdes, da Gewalt überhaupt und vor allem in solchen Situationen keine wirksame Maßnahme sei und letzten Endes zu einem situationsverschärfenden, negativen Angstverhältnis beitrage. Befehlsgehorsam und Machtgefälle lassen sich somit in erster Linie auf das Vertrauensverhältnis zurückführen. "Verantwortlich ist schließlich nicht das Pferd, sondern ich. Natürlich muss man seine Macht dabei auch manchmal ausspielen." Seine vier Pferde schauen ihn dabei neugierig und unschuldig über den Koppelzaun hinweg an, während sie gemächlich etwas Heu aus der Futterraufe zupfen.

Ein Kutschpferd, zumal wenn es in der Stadt unterwegs ist, darf nicht schreckhaft sein

"Je mehr unsichere Komponenten, desto riskanter wird der Umgang mit Pferden", warnt Markus Wimmer als er über die unterschiedlich vielen Bespannungsmöglichkeiten der Kutschen berichtet. Auch wenn er sich dabei grundsätzlich nach den Wünschen seiner Kunden richtet, fährt er hauptsächlich im Zweiergespann. Neben Größe und Fellfarbe sei es wichtig, seine Kutschpferde entsprechend ihres Charakters auszuwählen. Markus Wimmer habe selbst einmal versucht, ein Kutschpferd heranzuzüchten, in der Hoffnung dadurch auch einen größeren Einfluss auf seine Charakterbildung nehmen zu können. Doch trotz der Erziehungsversuche, habe sich gezeigt, wie begrenzt der Einfluss sei, den man auf die Charakterformung eines Tieres nehmen könne. Durch seine Schreckhaftigkeit habe das Jungpferd schließlich nicht als Kutschpferd dienen können.

Die meisten seiner Fahrgäste wenden sich mit der Bitte um eine Kutschfahrt zu einem feierlichen Anlass an ihn. Am häufigsten kutschiere er Brautpaare entweder vor oder nach der Trauung. Die Kunden kontaktieren ihn über ein Anfrageformular, auf dem sie Datum und Zweck angeben. Der Preis variiert abhängig vom Zeitaufwand der Fahrt zwischen 150 und 650 Euro. Der Kunde habe dann seine Vorstellungen über den Ablauf und nach diesen richte sich Kutscher Max. Nicht immer sind es die Brautpaare selbst, die eine Anfrage stellen, sondern auch Freunde und Verwandte, die dem glücklichen Paar eine Freude machen möchten. Aber auch zum Anlass von Trauerfeiern, habe Markus Wimmer Kutschen und Pferde auf Wunsch bereits hergerichtet.

Bei den Filmleuten ist Wimmers Fundus an historischen Gefährten sehr gefragt

Eine Modeerscheinung der letzten Zeit seien Junggesellinnenabende, die Platz in einem von seinen geräumigeren Kutschmodellen fänden. Eine Sammlung aus mehr als 20 Kutschen, Schlitten und Wagen sind in Markus Wimmers Besitz, die sorgsam abgedeckt in Garagen, Unterstelldächern und Dachböden aufgereiht wurden. Deutlich mehr als das, was das Herz eines Brautpaares begehrt ist unter den Stücken zu finden. Denn auch größere Filmstudios wie die "Bavaria Filmstadt", sind bereits auf Markus Wimmers Leidenschaft aufmerksam geworden. Als Reiskutsche, Polizei-, Post- und Herrschaftsgespann fuhren seine Kutschen und Schlitten vor der Kamera. Unter anderem Christine Neubauer in "Löwengrube" (1989) oder "Mali" (1997), Uschi Glas und Burt Lancaster wurden in einer von Markus Wimmers Wagen kutschiert. Ebenso in Filmen wie in "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" (2021) nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann wirkte Markus Wimmer mit. Als Teil einer Szenerie im Hintergrund, als historisches Transportmittel im Mittelpunkt der Szene oder auch einfach um ein ungünstig gelegenes Straßenschild zu bedecken, sind Markus Wimmers Kutschen bei den Dreharbeiten im Einsatz.

Gerade für Filmproduktionen ist eine große Auswahl an Kutschen und Pferdeschlitten notwendig. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Aber auch auf den Straßen Münchens ist Markus Wimmer mit seinem Gespann unterwegs. Meistens kontaktieren ihn dafür großen Firmen wie BMW oder Allianz, die ihren angereisten Geschäftspartnern einen exklusiven Eindruck der Stadt bieten möchten. Darüber hinaus haben sich politische Persönlichkeiten wie der ehemalige Oberbürgermeister von München, Georg Kronawitter, sein Nachnachfolger Dieter Reiter oder Sportler wie Franz Beckenbauer eine Kutschfahrt durch München mit "Kutscher Max" nicht entgehen lassen.

Der "Kutscher Max" hat auch Schlittenfahrten im Angebot - nur fehlt immer öfter der Schnee

Da Markus Wimmers Pferde an den Großstadtverkehr gewöhnt sind, geht in diesem Fall die Gefahr von rücksichtlosen Radfahren aus, die den Pferden im Vorbeifahren auf ihr Hinterteil schlagen oder unüberlegten Fußgängern, die die Vierbeiner unbedingt berühren möchten. Vor allem am Ende der Saison, im September und Oktober, der Wiesnzeit, zeigen die Verkehrsteilnehmer unter Alkoholeinfluss besonders wenig Rücksicht. Gerade in solchen Situationen gilt für Markus Wimmer: "Man ist nichts anderes, als ein Fahrzeuglenker, der sein Fahrzeug unter Kontrolle haben muss."

Außerhalb der Hauptsaison, welche zwischen April und Oktober liegt, richtet Markus Wimmer im Auftrag von Firmen seine Schlitten her für größere Weihnachtsfeiern. Während der letzten Jahre seien die Schlitten auch hauptsächlich als Dekorationselement gedient, da Schlittenfahrten zum einen nicht wegen des Schneefalls und zum andere wegen der Salzstreue auf den Straßen nicht gefahren werden konnten.

Auch wenn das Kutschfahren auf den ersten Blick etwas wie ein aus der Mode gekommenes Reisefahrwerk scheint, so hat es als leidenschaftlich verfolgtes Hobby doch etwas zeitloses an sich.

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