Wie ernst es um den Ebersberger Kreis-Haushalt für das kommende Jahr bestellt ist, zeigt eine Debatte, die so vor nicht allzu langer Zeit kaum vorstellbar gewesen wäre: Weil in allen Abteilungen des Landratsamtes gespart werden muss, war auch das Jugendamt gezwungen, den Rotstift anzusetzen. Die Wahl fiel unter anderem auf zwei sogenannte freiwillige Leistungen, die der Landkreis seinen Bürgerinnen und Bürgern nicht zwingend anbieten muss, die irgendwann aber aus gutem Grund eingeführt worden sind. Im konkreten Fall geht es um die Schrei-Baby-Beratung für Familien und die finanzielle Unterstützung der Caritas-Jugendsuchtberatung. Beide Angebote, die bisher Menschen in schwierigen Lagen geholfen haben, sollten für das kommende Jahr ersatzlos gestrichen werden. Der Landkreis würde sich dadurch etwa 50 000 Euro sparen.
Diese Summe erscheint geradezu lächerlich gering im Vergleich zu den Beträgen, über die die Mitglieder des Kreis- und Strategieausschusses in ihrer jüngsten Sitzung beraten haben, als es um die erste Lesung des Haushalts für 2025 ging. Nur ein Beispiel: Der Schuldenstand des Landkreises wird Ende kommenden Jahres 66 Millionen Euro betragen, 2028 sollen es dann 154,9 Millionen Euro sein. Was das für den Kreis-Haushalt bedeutet, machte Kämmerin Katja Witschaß in der Sitzung deutlich. In den Jahren 2025 bis 2027 sei die dauernde Leistungsfähigkeit „als ungünstig zu beurteilen“, sagte sie. 2028 könnte dann der Super-GAU drohen. Weil in dem Jahr der nächste Defizitausgleich für die Kreisklinik fällig werde, liege für den Haushalt nach derzeitigem Stand sogar eine Unterfinanzierung vor.
Eigentlich sollte die Kreisumlage stabil bleiben, doch das klappt wohl nicht
„In so einer schwierigen Lage waren die Kommunen in Bayern schon lange nicht mehr“, sagte deshalb Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der gar nicht groß versuchte, etwas schönzureden: „Um ehrlich zu sein, die aktuelle Situation ist beschissen.“ Der Chef der Ebersberger Kreisbehörde rief deshalb bereits vor Monaten ein striktes Sparprogramm in den einzelnen Abteilungen aus. Auch neue Stellen wird es am Landratsamt im kommenden Jahr keine geben. Niedergesäß’ Ziel war es, trotz der schwierigen Finanzlage die sogenannte Kreisumlage stabil zu halten – also jene Abgabe, die die einzelnen Gemeinden jährlich an den Landkreis abtreten müssen. In den Rathäusern nämlich sind die Kassen ähnlich schlecht gefüllt, wie es im Landratsamt der Fall ist. Der Plan des Landrates wäre auch fast aufgegangen, doch dann grätschte der Bezirk Oberbayern dazwischen.
Erstmals seit 2022 soll im kommenden Jahr die Bezirksumlage steigen, die wiederum der Landkreis an den Bezirk Oberbayern zahlen muss. Es geht um eine Gesamtsumme von 54 Millionen Euro. Wie Kämmerin Witschaß erklärte, kann der Landkreis diese nicht durch Steuereinnahmen kompensieren, da sich die Umlagenerhöhung nicht durch Landkreisaufgaben begründet. Weil das Geld aber irgendwo herkommen muss, werden die Gemeinden einspringen müssen. Im Vorabentwurf des Haushalts jedenfalls rechnet die Kämmerei mit einer Erhöhung der Kreisumlage um 1,55 Prozentpunkte, was etwa 5,17 Millionen Euro entspricht. Insgesamt sollen die Rathäuser 2025 demnach 117,1 Millionen Euro an den Landkreis zahlen.

Noch ist diese Steigerung nicht beschlossen, sie soll erst bei der zweiten Haushaltslesung Anfang Dezember diskutiert werden. Dass die Debatte eine hitzige werden dürfte, kündigte sich indes bereits in der aktuellen Sitzung an. „Wir können das nicht bezahlen“, sagte CSU-Kreisrat und Grafings Rathauschef Christian Bauer, der auch Sprecher der Bürgermeister im Landkreis Ebersberg ist. Etwas anders, wenngleich ebenso deutlich, formulierte es Bauers Fraktionskollege Martin Wagner: „Die Gemeinden pfeifen zum Teil aus dem letzten Loch.“ Seine Fraktion werde dem Haushaltsentwurf zwar zunächst „zähneknirschend zustimmen“, eine Garantie, dass das auch bei den kommenden Lesungen so bleiben wird, könne er am heutigen Tag aber keine abgeben.
Derweil ist die höhere Bezirksumlage nicht der einzige Dämpfer für die Ebersberger Finanzplanung. Auch die Schlüsselzuweisungen bereiten der Kämmerei mehr Sorgen als zunächst angenommen. Diese Zahlungen fließen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs vom Freistaat Bayern an die einzelnen Landkreise. Auch Ebersberg wird bei dieser Ausschüttung bedacht, jedoch mit weniger Geld als man sich am Landratsamt erhofft hatte. Geplant hatte die Kämmerei mit 26,7 Millionen Euro, tatsächlich fließen werden jedoch rund 633 400 Euro weniger. Was zunächst verschmerzbar klingt, könnte den Landkreis auf längere Sicht aber in Schwierigkeiten bringen.
Weil kein Geld übrig ist, muss der Landkreis alle Investitionen mit Krediten bezahlen
Der Differenzbetrag sollte eigentlich angespart werden, um 2028 einen Teil des Defizitausgleichs für die Ebersberger Kreisklinik zu tilgen. Dann nämlich werden rund 12,8 Millionen Euro für das Krankenhaus fällig. Um die Kreisumlage nicht noch weiter erhöhen zu müssen, soll die Ansparung für die Klinik vorerst geringer ausfallen. Künftig sollen dann für den Defizitausgleich die Ergebnisüberschüsse aus dem Haushalt gesammelt werden, um den zweistelligen Millionenbetrag bezahlen zu können. Dass das keine optimale Lösung ist, stellte Kämmerin Katja Witschaß in der Sitzung klar: „Das bedeutet, dass in diesen Jahren 100 Prozent der Investitionen über Kredite zu finanzieren sein werden.“
Im Gremium war die Stimmung angesichts dieser Prognosen – gelinde gesagt – eher gedämpft. „Es brennt hinten und vorne“, sagte etwa der CSU-Kreisrat und Landtagsabgeordnete Thomas Huber. Alexander Müller (FDP) verwies derweil auf die allgemeine deutsche Wirtschaftslage, von der auch die Kommunen abhängig seien: „Wir müssen schauen, dass das Land wieder in Schwung kommt“, forderte er. Um Geld zu sparen, folgte der Ausschuss schließlich einem Vorschlag von Walter Brilmayer (CSU), bis zum Ende der Wahlperiode keine neuen freiwilligen Leistungen mehr zu genehmigen. Bereits bestehende sollen hingegen so gut es geht fortgeführt werden, weshalb das Gremium die angedachte Streichung der Schrei-Baby-Beratung und der Jugendsuchthilfe letztendlich doch nicht übers Herz brachte – zumindest noch nicht in diesem Jahr.