Landkreis Ebersberg:Schäden in Millionenhöhe

Vollgelaufene Keller, kaputte Dächer, zerbeulte Autos: Das Unwetter am Dienstag war kurz - aber heftig. Trotz der erheblichen Verwüstungen überwiegt die Erleichterung: Es gab keine Verletzten

Von Johannes Korsche, Ebersberg

Franz Lenz kommt gerade von einem traurigen Ausflug zurück. Wie viele Menschen aus dem Landkreis wollte er sich am Morgen danach anschauen, welche Auswirkungen das Unwetter am Dienstagabend auf das eigene Hab und Gut hatte. Franz Lenz ist Ebersberger Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, seine erste Bestandsaufnahme: Südlich von Zorneding "ist es ziemlich heftig". So einen Hagelsturm habe es schon lange nicht mehr gegeben, zuletzt 1984 vielleicht, erinnert er sich. Der Mais auf seinen südlicheren Feldern sei komplett dem Hagel zum Opfer gefallen; abgeknickte Stängel, der wächst nicht mehr. Genauso wie die Sojabohnen - "zu 100 Prozent kaputt", sagt Lenz. Wenigstens beim Getreide gab es keinen kompletten Kahlschlag, aber auch da hat es wohl mehr als die Hälfte der Pflanzen umgeworfen. Immerhin, seine Felder nördlich von Zorneding hat es nicht so schlimm zerhagelt. Er könne sich vorstellen, dass der Ernteausfall und der Schaden bei manchen Betrieben existenzielle Folgen haben könnten. Aber noch habe er nichts dergleichen gehört. Er jedenfalls sei froh, so Lenz, dass er eine Hagelversicherung habe und nicht auf dem gesamten Verlust sitzen bleibe.

Wer einen Schaden hat, meldet sich zum Beispiel bei Robert Vierlinger, Inhaber der Allianz-Regionalvertretung in Ebersberg. Sein Telefon "läutet durchgehend", seitdem das Unwetter durch den Landkreis zog. Zu sechst beantworten sie am Mittwoch Kundenanrufe, voraussichtlich um die 1000 Fälle werden es wohl sein, schätzt Vierlinger. Die Bandbreite ist dementsprechend groß: Vom Ernteausfall zum zerbeulten Autoblech, vom kaputten Hausdach zum vollgelaufenen Keller. Bisher machten beschädigte Autos den Großteil der Meldungen aus, sagt er. Insgesamt "wird der Schaden sicher in die Millionen gehen".

Der Schaden zeigt die schiere Naturgewalt, die sich innerhalb einer halben Stunde über Teilen des Landkreises entladen hat. Besonders betroffen war der nördliche Teil, "entlang der B 304", sagt Alois Mayer, stellvertretender Kreisbrandrat. Etwa 50 Feuerwehrwagen seien am Dienstag im Einsatz gewesen, "ganz grob um die 100 Mal" sei die Feuerwehr ausgerückt. Am Dienstagnachmittag ging Mayer noch davon aus, dass die letzten Einsätze gegen 20 Uhr beendet sein dürften, doch noch am Mittwochmorgen, um 8 Uhr, sei ein Alarm reingekommen: Wasser im Keller. Es blieb bei Sachschäden, Verletzte gab es nicht.

Kein Wunder, die Wetterstation Ebersberg-Halbing meldete binnen 20 Minuten eine Regenmenge, die ausreichend gewesen wäre, um in einer Stunde eine Unwetterwarnung auszulösen. Mehr als 28 Liter pro Quadratmeter prasselten dort in kürzester Zeit auf den Boden. Gullys und die Erde konnten die Wassermengen nicht aufnehmen, Straßenzüge und Felder wurden zu Flüssen und Seen. Auch weil der Hagel Laub von den Bäumen geschlagen hatte, die fortan die Abflüsse verstopften.

Ulrich Proske (parteilos), Bürgermeister von Ebersberg, filmte am Dienstagabend den Ebersberger Marienplatz. Oder besser gesagt, den Fluss, der den Platz hinunter rauschte. Das "war schon krass". In der Kreisstadt sei die Feuerwehr 15 Mal alarmiert worden, neun Mal habe sie Wasser abgepumpt, unter anderem an der Bahnunterführung der Rosenheimer Straße. "Das hat die Kanalisation nicht mehr gepackt." Er selbst sei einigermaßen verschont geblieben, der "Garten ist komplett im Eimer", aber das sei ja kein Schaden.

Proske betont, dass "wahnsinnig viele Leute mitgeholfen haben". Zum Beispiel die Schneeschaufeln entwintert und mit ihnen die Gullys freigeräumt haben. "Solidarisch" hätten sich die Ebersberger gezeigt. Die Stadtgärtnerei habe bereits am Abend nach dem Unwetter damit begonnen, aufzuräumen. Seit Mittwochmorgen, 5 Uhr, seien sie schon wieder im Einsatz, betont Proske das Engagement. Die Gullys müssten freigesaugt werden, überhaupt dürften die Aufräumarbeiten noch "die restliche Woche" andauern. Am Ende überwiegt beim Ebersberger Bürgermeister die Erleichterung: "Es gibt keine Verletzten." Trotz all der Sachschäden sei man noch einigermaßen glimpflich davon gekommen.

Landkreis Ebersberg: Der entstandene Schaden zeigt die schiere Naturgewalt, die sich innerhalb einer halben Stunde über Teilen des Landkreises entladen hat.

Der entstandene Schaden zeigt die schiere Naturgewalt, die sich innerhalb einer halben Stunde über Teilen des Landkreises entladen hat.

(Foto: Christian Endt)

Ähnlich fällt auch die Bilanz von Kirchseeons Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) aus. "Gott sei Dank blieb es bei Sachschäden." An der Wasserburger Straße stürzte ein Baum auf ein Auto und einen Motorroller, beide Fahrzeuge seien schwer beschädigt. "Nicht auszudenken, was alles passieren kann, wenn Bäume umstürzen." Kirchseeon hat das Unwetter "hart getroffen", wie der Rathauschef sagt. Etwa 20 Keller seien vollgelaufen, auch hier standen Unterführungen unter Wasser. In Kirchseeon und Eglharting hätten es trotzdem Autofahrer probiert, durch die überschwemmte Unterführung zu fahren, sie blieben stecken und mussten von der Feuerwehr befreit werden. Die Mitarbeiter des Bauhofs räumten unentwegt auf, "sicher noch den ganzen Tag", sagt er am Mittwoch. Er sei dankbar für die "Wahnsinnsarbeit der Einsatzkräfte."

Während die Aufräumarbeiten noch laufen, schaut Georg Kasberger, Leiter des Landwirtschaftsamtes, schon in die Zukunft: Zehn Tage haben Bauern nun Zeit, um ihre Schäden zu melden und gegebenenfalls neue Saat auszubringen. Die Möglichkeit, zum Beispiel eine neue Reihe Mais zu pflanzen, bestehe zwar, das Risiko sei allerdings hoch: Das Wetter müsse dann perfekt mitspielen. Trotzdem hat Landwirt Franz Lenz bereits die Befürchtung, dass das Saatgut knapp werden könnte. Ein Bekannter von ihm habe schon bestellt.

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