Klimakrise und Grundwasser:"Wird der Winter trocken, haben wir ein Problem"

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Die Berger Lacke im Sommer 2022: Risse im Boden, tote Muscheln, kaum mehr Wasser. (Foto: Christian Endt)

Der Klimawandel bedroht die Grundwasserspeicher. Eine Recherche mit "Correctiv Lokal" zeigt: Alle acht Grundwassermessstellen im Landkreis Ebersberg verzeichnen über die letzten 32 Jahre hinweg sinkende Pegel - in zwei Fällen spricht man sogar von einem starken Rückgang.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Eigentlich ist an der Messstelle Nummer 16 000 nicht viel besonders. Wie tausende ihrer Schwestern, die über das gesamte Bundesgebiet in Wäldern, Wiesen und Feldern verstreut liegen, zeigt sie an, wie hoch - oder niedrig - der Grundwasserspiegel an dieser Stelle ist. Diese Messstelle befindet sich im Ebersberger Forst, in dem sich noch zwei weitere Stationen befinden. Etwas macht 16 000 aber dann doch besonders: Sie ist die Grundwassermessstelle im Landkreis, bei der innerhalb der letzten 32 Jahre der stärkste Rückgang des Grundwassers gemessen wurde: Minus 1,01 Prozent pro Jahr.

Das geht aus Daten hervor, die die SZ gemeinsam mit dem Recherchenetzwerk Correctiv Lokal ausgewertet hat. An insgesamt acht Messstellen im Landkreis Ebersberg - und tausenden weiteren nahezu im gesamten Bundesgebiet - wurden die Grundwassermessungen der letzten 32 Jahre erhoben, um etwaige Langzeittrends festzustellen. Das Ergebnis: 16 000 ist nicht allein, an allen Stellen ist in der Tendenz ein Rückgang zu beobachten, an zwei Stellen ist er stark.

Die Messstellen befinden sich alle im Norden des Landkreises

Betrachtet man die Karte, auf der die Messstellen eingetragen sind, sieht man, dass sie sich ausschließlich im nördlichen Teil des Landkreises befinden. Deswegen und weil sich Grundwasserreservoirs nicht an Landkreisgrenzen halten, ist es nur bedingt möglich, Aussagen über "den Grundwasserpegel" im gesamten Landkreis zu treffen. Allerdings sähen die Daten für andere Messstellen der Münchner Schotterebene, des größten Grundwasserleiters Süddeutschlands, über dem sich auch Ebersberg befindet, ähnlich aus. Das weiß zumindest Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim zu berichten. Und diese Daten verheißen nichts Gutes.

Zwischen den Jahren 1990 und 2021 reduzierte sich der Grundwasserpegel an der Messstelle im Landkreis mit dem niedrigsten Rückgang um 0,60 Prozent pro Jahr. An Messstelle Nummer 16 014, der Schwester von 16 000, die auch im Ebersberger Forst liegt, beträgt der Rückgang ein Prozent pro Jahr. Bei den übrigen Messstellen sank der Pegel zwischen 0,74 und 0,88 Prozent pro Jahr. Ein Prozent Rückgang entspricht dabei einem Absinken des Grundwasserspiegels um 0,04 Meter pro Jahr. Das klingt zunächst nach nicht viel - hochgerechnet auf 32 Jahre entspricht dies jedoch einem Rückgang von 1,28 Metern.

In den 32 Jahren hat der Grundwasserstand laut der erhobenen Daten fluktuiert. Der Höchststand der Messstelle 16 000 betrug 519,8 Meter über Normal-Null und wurde 2004 gemessen. Bald darauf ging es jedoch rapide abwärts, im nächsten Jahr - also 2005 - wurde mit 515,8 Meter über Normal-Null der niedrigste Stand in diesem Zeitraum festgestellt. Im Laufe der nächsten zehn Jahre erholte sich der Grundwasserpegel wieder etwas, sinkt jedoch seit Mitte der 2010er Jahre rapide. Aktuell liegt laut Bayerischem Landesamt für Umwelt der Grundwasserstand mit 515,75 Meter über Normal-Null sogar unter dem Tiefstand von 2005.

Ebersberg gehört damit zu den 127 Landkreisen - aus den zwölf Bundesländern, für die Daten von rund 5500 Messstellen vorliegen -, in denen stark sinkende Messstände vorkommen, also ein Rückgang von weniger als einem Prozent pro Jahr. 49 Prozent der ausgewerteten Messtellen haben zudem ihren Tiefstand zwischen 2018 und 2021 erreicht.

Unscheinbar wirkt die Grundwassermessstelle 16 000 am Heilig-Kreuz-Geräumt im Ebersberger Forst. Doch in den vergangenen 32 Jahren verzeichnete sie den stärksten durchschnittlichen Rückgang des Grundwassers im Landkreis. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Thilo Kopmann, Vorstandsvorsitzender des Wasserver- und -entsorgungsdienstleisters Vemo München Ost, betreibt im Landkreis mehrere Brunnen und hat die niedrigen Wasserstände ebenfalls auf dem Schirm. "2022 war ein ausgeprägtes Trockenjahr", so Kopmann. Er sagt, dass zwar auch wieder nasse Jahre kommen würden. Allerdings sei fraglich, wie sehr diese dem langfristigen Trend entgegenhalten können.

Wieso also sinken die Pegel? Rein rechnerisch gesehen liegt die Entnahme schlicht über dem, was wieder in den Boden versickert. Große Industrien und die Landwirtschaft, Wärmekraftwerke und private Haushalte - der Durst nach Wasser ist überall groß.

Einer der Hauptggründe für das Sinken der Grundwasserpegel ist der Klimawandel

Allerdings ist der Verbrauch nicht das größte Problem. "Die Münchner Schotterebene ist nicht übernutzt", sagt Klaus Moritz. Der Grund für das Absinken sei trivial: Die vergangenen Jahre seien aufgrund der globalen Klimaerwärmung sehr trocken gewesen, weniger Niederschlag und höhere Verdunstung sorgen für weniger Grundwasserneubildung. "Seit 2003 sind die Jahre immer höchstens mittelfeucht, meist eher trocken." Daneben, so Moritz weiter, verblassten auch andere Einflussfaktoren auf das Grundwasser, wie etwa Versiegelungen und das Ableiten von Wasser aus Ackerflächen.

Zudem kommt es statt kontinuierlicher Regenfälle häufiger zu Starkregenereignissen, auch im Winter, wie Thilo Kopmann erklärt. In dieser Jahreszeit füllten sich die Grundwasserreservoirs wieder auf. "Kriegen wir wieder einen trockenen Winter, haben wir ein Problem." Wenn die Niederschlagsmenge zwar hoch, aber auf einen kurzen Zeitraum gestaut ist, bilde sich weniger Grundwasser. "80 Prozent fließt dann als Oberflächenwasser ab", so Kopmann weiter.

Die größte Stellschraube ist der Klimaschutz

Aufgrund der globalen Dimension des Grundwasserproblems gibt es nur wenige Möglichkeiten, das Absenken der Pegel zu verhindern. So kann das private und wirtschaftliche Einschränken des Wasserverbrauchs Linderung verschaffen. Ansonsten ist die größte Stellschraube der Klimaschutz, wenn es um die Bewahrung des Grundwassers geht.

"Grundwasser hat ein langes Gedächtnis. Wir bräuchten jetzt mehrere überdurchschnittlich feuchte Jahre, damit sich die Pegel erholen können", betont Klaus Moritz. Die meisten Klimamodelle gehen jedoch davon aus, dass die derzeitigen Trends so weitergehen.

Brauchen wir also tiefere Brunnen? "Das ist sehr umstritten", weiß Thilo Kopmann. Die Brunnen der Vemo liegen derzeit in einer Tiefe von 40 bis 50 Metern. "Man könnte natürlich auch auf 200 bis 250 Meter runter", so Kopmann. Aber das sei bis jetzt untersagt und zwar durchaus berechtigterweise: "Diese Grundwasserreserven sind die Daseinsvorsorge für spätere Generationen. Das müssen wir uns zweimal überlegen, ob wir das anzapfen wollen." Ausschließen, dass dieser Schritt in Zukunft notwendig wird, kann es Kopmann allerdings nicht. Laut Klaus Moritz besteht noch kein akuter Wassermangel für die lokale Wasserversorgung.

Der Wassercent könnte zu geringeren Entnahmen von Wasser führen

Eine weitere politische Maßnahme wird derzeit ebenfalls in Bayern diskutiert. Anders als in den meisten Bundesländern gibt es in Bayern kein sogenanntes Wasserentnahmeentgelt: Gebühren, die bei Entnahme von Grundwasser an das jeweilige Bundesland anfallen. Neben Bayern gibt es nur noch in Hessen und Thüringen keine solche Regelung.

In den Bundesländern, in denen es ein solches Entgelt gibt, liegt dieses zwischen 1,5 Cent pro Kubikmeter in Sachsen bis 31 Cent pro Kubikmeter in Berlin. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in seiner Regierungserklärung 2021 ebenfalls angekündigt, einen Wassercent für Bayern einzuführen, um einen Anreiz für einen geringeren Wasserverbrauch zu setzen. Bisher ist daraus allerdings nichts geworden.

Sollten der Schutz des Grundwassers nicht oder zu spät erfolgen, kommen auf die Messstelle Nummer 16 000 trockene Zeiten zu. Sie wurde 1938 eingerichtet, damals betrug der Pegel 518,18 Meter über Normal-Null. Einen historischen Tiefstand verzeichnete 16 000 im Dezember 1973 mit einem Stand von 514,97 Metern über Normal-Null. Das ist 0,78 Meter vom heutigen Wasserpegel entfernt. Geht der Trend der vergangenen drei Jahrzehnte ungebremst weiter, ist dieser Tiefstand in zwanzig Jahren unterschritten.

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation der Süddeutschen Zeitung mit Correctiv Lokal , einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt. Correctiv Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv, das sich durch Spenden finanziert. Mehr Infos unter correctiv.org .

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