Gleis und Straße:Vier große gescheiterte Verkehrsprojekte im Landkreis Ebersberg

Gleis und Straße: Hier an der B304 bei Haar hätte die A87 über Glonn nach Rosenheim beginnen sollen. Die Einfahrt dazu wurde Anfang der 1970er gebaut.

Hier an der B304 bei Haar hätte die A87 über Glonn nach Rosenheim beginnen sollen. Die Einfahrt dazu wurde Anfang der 1970er gebaut.

(Foto: Christian Endt)

Eine direkte Bahnverbindung von Kirchseeon nach Ebersberg? Hier einige Beispiele, die Ideen auf Papier geblieben sind.

Von Wieland Bögel

Im Stau zu stehen oder auf Züge zu warten, ist nicht gerade aufregend, bei manchen beflügelt es aber offenbar die Fantasie. Jüngstes Beispiel ist der Pfaffinger Freie-Wähler-Gemeinderat Klaus Wagenstetter. Der hatte sich Gedanken darüber gemacht, wie der Filzenexpress schneller werden kann. Seine Idee: ein neues Gleis zwischen Ebersberg und Kirchseeon. Die Meinungen zur Wagenstetter-Trasse sind geteilt, in der Kreisstadt kann man der Idee durchaus etwas abgewinnen, die Grafinger - die durch das neue Gleis ein wenig abgehängt wären - sind eher dagegen. Einig ist man sich aber darin, dass das Projekt wohl wenig Chancen auf eine Umsetzung hat.

Darin gleicht es anderen Verkehrsprojekten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte im und durch den Landkreis. Denn Ideen für einen großen Wurf zur Lösung diverser Verkehrsprobleme gab es einige - realisiert wurde bislang kein einziges, ganz im Gegenteil. Eine Auswahl:

Die Ringbahn

Das Problem: Das Münchner S-Bahn-Netz hat im Gegensatz zu dem anderer Großstädte eine Besonderheit. Während es etwa in Berlin, Hamburg oder Frankfurt zwischen den Außenästen Verbindungen oder Ringbahnen gibt, muss, wer beispielsweise von Markt Schwaben nach Ebersberg oder Grafing will, erst über München fahren. Was dazu führt, dass die S-Bahnen von und nach München voller Leute sind, die dort gar nicht hinwollen.

Die Lösung: Verschiedene Ansätze wurden im Laufe der Jahre quer durchs politische Spektrum ins Gespräch gebracht. Der weitreichendste wäre eine Ringbahn: entweder als große Lösung zwischen den S-Bahn-Endpunkten oder als kleinere Variante zwischen Mittelstationen wie Markt Schwaben, Zorneding und weiter Richtung Süden nach Höhenkirchen.

Warum es nichts wurde: Das größte Hindernis ist der Streckenverlauf. Egal in welcher Variante, die neuen Gleise würden durch dicht besiedeltes, intensiv landwirtschaftlich genutztes und geschütztes Gebiet führen, das im Besitz sehr vieler verschiedener Eigentümer ist. Wer schon einmal in einem Stadt- oder Gemeinderat die Debatte darüber verfolgt hat, warum es wegen Grundstücksverhandlungen mit dem neuen Radlweg wieder nichts wird, kann sich die Komplexität der Ringbahn in etwa ausmalen. Nicht zuletzt wäre sie mit erheblichen Kosten verbunden, über deren Aufteilung sich Bund, Land, Kommunen und Bahn verständigen müssten.

Die Bimmelbahn

Das Problem: ... ist bekannt (s. Ringbahn).

Die Lösung: Eine weniger aufwendige Verbindung zwischen den Außenästen der S-Bahn. Dazu hatte vor einigen Jahren der damalige Markt Schwabener Bürgermeister Bernhard Winter (SPD) eine Art Straßenbahn vorgeschlagen. Diese sollte entlang der Staatsstraße 2080 durch den Wald führen und Ebersberg mit Markt Schwaben verbinden.

Warum es nichts wurde: Auch hier scheiterte eine konkrete Planung an der Streckenführung. Für eine Bahntrasse müsste zudem einiges mehr an Forst gerodet werden als für die derzeit geplanten - und heftig umstrittenen - Vorhaben Windpark und Schwaberwegener Umgehung zusammen. Und Widerstand droht auch in Ebersberg, dort müsste das Gleis weiträumig über die Flur verlegt werden. Was, betrachtet man die aktuelle Debatte um eine Ostumfahrung, mit erheblichem Widerstand verbunden sein dürfte, von den Kosten ganz zu schweigen.

Die Super-Umgehung

Das Problem: Eigentlich eines, das die Ebersberger seit Jahrzehnten umtreibt: der Durchgangsverkehr in der Kreisstadt. Nachdem 2008 ein erster Versuch, eine Nord-Süd-Umfahrung zu planen, gescheitert war, weil sich für keine Variante eine Stadtratsmehrheit fand, wurden andere Möglichkeiten gesucht.

Die Lösung: Eine gemeinsame Umgehung für Ebersberg und seine ebenfalls vom Verkehr geplagten Nachbarkommunen. Dies hatte vor zehn Jahren der damalige CSU-Ortsvorsitzende Florian Brilmayer ins Gespräch gebracht. Demnach sollte nördlich von Ebersberg und Kirchseeon eine Entlastungsstraße für die B 304 gebaut werden. Westlich des Forstes würde die Straße auf die Zornedinger Umgehung der Wasserburger Landstraße treffen und quasi als Verlängerung der FTO nach Norden zur A 94 weitergeführt. Eine Entlastung sollte das Projekt auch für Hohenlinden und Forstinning bringen. Angedacht war eine neue Straße durch den Forst zur B 12, etwa in der Mitte der bestehenden Staatsstraßen. Diese hätten zurückgebaut werden sollen, der Verkehr von Süden auf die Autobahn wäre dann zwischen Forstinning und Hohenlinden und nicht mehr durch die Ortschaften gelaufen.

Warum es nichts wurde: Beim Super-Bypass gab es ähnliche Bedenken wie bei den Bahntrassen. Betroffen gewesen wären ein Landschafts- und ein Wasserschutzgebiet, Bannwald sowie ein Flora- Fauna-Habitat, wo ein Bau fast unmöglich ist. Neben Umweltschützern äußerten sich auch die Gemeinden Vaterstetten und Zorneding kritisch, dort gab es Befürchtungen, die neue Abkürzung würde mehr Verkehr auf den westlichen Teil der B 304 und die umliegenden Kreis- und Staatsstraßen ziehen. Nicht zuletzt sprachen auch finanzielle Aspekte gegen die Groß-Umgehung: Eine erste vorsichtige Schätzung von 2010 ergab alleine für die Baukosten 105 Millionen Euro - damals der komplette Jahresetat des Freistaates für Straßenneubau.

Die Autobahnverbindung

Das Problem: Was an Lastwagen auf den Straßen durch den südlichen Landkreis Ebersberg rollt, ist zum großen Teil Durchgangsverkehr mit dem Ziel München, beziehungsweise via Rosenheim Österreich oder der Südosten Bayerns.

Die Lösung: Eine neue Autobahn vom Kreuz München Ost über Glonn zur A 8 bei Rosenheim. In den 1960er Jahren wurde mit der Planung der vierspurigen, etwa 45 Kilometer langen Trasse begonnen. Offizieller Name war A 87, bekannt war sie auch unter "Panger Autobahn", nach dem Örtchen Pang bei Rosenheim, wo der Anschluss auf die A 8 hätte erfolgen sollen. 1971 wurde mit dem Bau begonnen, so entstand bei Haar an der Südseite der B 304 die Einfahrt zur A 87 und auch die Brücke, unter der die neue Autobahn die A 99 kreuzen sollte, wurde 1974 fertiggestellt - mehr ist allerdings nie passiert.

Warum es nichts wurde: Böse Zungen behaupten, der damals in Möschenfeld residierende Baron August von Finck habe bei seinem Busenfreund Franz Josef Strauß gegen die Panger Autobahn interveniert, da diese über die Finckschen Fluren geführt hätte. Wie viel die Abneigung des Barons gegen die A 87 - so es sie gab - zu deren Ende beigetragen hat, ist Spekulation. Tatsache ist, dass das Projekt bereits Jahre bevor Strauß Ministerpräsident wurde, zu einem Ende kam, offiziell weil es bei der Nutzen-Kosten-Rechnung durchfiel. Die Brücke stand allerdings noch jahrzehntelang einfach so da, vor zwei Jahren wurde sie wegen Baufälligkeit abgerissen - und in kleinerer Form neu gebaut. Die Wildtiere der Umgebung hatten sich schon so daran gewöhnt, unter der A 99 hindurch spazieren zu können, dass sie einen Ersatz bekamen. Auch die Zufahrt zur A 87 wird bis heute genutzt: Dort stellt sich die Polizei gerne hin, um aufzupassen, dass auf der Wasserburger Landstraße nicht gerast wird wenn es der Verkehr zulässt.

Die Realität

Tatsächlich sind im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich gar keine überregionalen oder interkommunalen Verkehrsprojekte entstanden. Zwar wird die A 94 seit den 1980er Jahren schrittweise nach Osten verlängert, 2011 eröffnete das Teilstück zwischen Forstinning und Pastetten. Allerdings ist die Autobahn keine komplett neue Verkehrsverbindung, sie ersetzt in großen Teilen die alte B 12. Noch am ehesten eine neue Straße ist die Flughafentangente FTO zwischen der A 94 bei Markt Schwaben und der A 92 nördlich von Erding, wobei auch diese hauptsächlich ein Ausbau entlang bestehender Ortsstraßen war. Dafür ist vor gut 40 Jahren eine Ortsverbindung verschwunden, die man heute angesichts steigender Bevölkerungszahlen im südlichen Landkreis gut hätte brauchen können: die Bahnverbindung von Grafing über Moosach nach Glonn. Aber vielleicht hat ja bald jemand eine Idee für einen Zug in den Süden.

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