Süddeutsche Zeitung

Gastronomie in Ebersberg:Zwischen Zuversicht und Verzweiflung

Die 3G-Plus-Regelung ist ein neuer Härtetest für Wirte. Ein Stimmungsbild aus dem Landkreis.

Von Michaela Pelz

Die Krankenhausampel zeigt rot, in der Gastronomie gilt 3G-plus - wie geht es den Wirten und Wirtinnen in der Region? Bei einem Rundruf reicht die Stimmung von optimistischer Zuversicht und heiterer Gelassenheit über Fatalismus bis hin zu Anflügen von Verzweiflung. "Seit heute früh geht das Telefon und reihenweise werden Weihnachtsfeiern abgesagt, weil die Personenanzahl nicht mehr garantiert werden kann", sagt Markus Steinberger bei einem Anruf am Montag, nachdem der Chef des Marktblick in Glonn weniger als 24 Stunden vorher noch ziemlich zuversichtlich geklungen hatte, als er von der Erweiterung seines Lokals um einen zusätzlichen Raum mit Platz für 50 Personen, separatem Eingang und eigener Toilette berichtete. Alles habe er auf eine Karte gesetzt mit diesem Umbau, der sehr gut angenommen werde für das Begehen von Versammlungen und Geburtstagen. Und nun das.

Doch so wie man den vielseitigen Wirt bisher erlebt hat, wird er sich auch durch diese Folge der aktuellen Entwicklungen, die er als "brutalen Härtetest für die Gastronomie" bezeichnet, nicht aus der Bahn werfen lassen. Als einer der ersten hatte er gleich zu Beginn der Pandemie hochwertige Trennscheiben einbauen lassen, zu denen eine "neue, teure Lüftung" hinzukam - überzeugende Argumente, auch wenn jetzt bei manchen vielleicht die Unsicherheit überwiegt.

Mit einer Situation wie vor der Pandemie, bei der sich in der Vorweihnachtszeit eine Feier an die andere reiht, rechnet auch Korbinian Kugler nicht. Aber auch nicht damit, dass nun pauschal alles entfällt. Der Chef des gleichnamigen Landguts in Ebersberg glaubt vielmehr, dass sich dieses Jahr die Menschen relativ spät entscheiden werden, zumal die Situation noch frisch sei. Einen Gästerückgang spüre er bis jetzt noch nicht, was aber auch darauf zurückzuführen sei, dass man in der Kugleralm sogar noch am vergangenen Sonntag auch den Biergarten habe nutzen können.

Wer ebenfalls vom hauseigenen Biergarten profitiert hat, ist die Landlust. Das Wirtshaus am Reitsberger Hof in Vaterstetten, sei, so Chefin Anna Link, den ganzen Sommer hindurch immer voll gewesen. "Teilweise konnten wir am Freitag keine Buchungen mehr fürs Wochenende annehmen." Auch jetzt sei die Auslastung noch gut, zumal sie für die, die lieber nicht im Gastraum Platz nehmen wollen, Alternativen hat. Zur Grillhütte, die es schon ganz lange gäbe, seien in den vergangenen Jahren vier Schäfer- beziehungsweise Zirkuswagen hinzugekommen, die man teilweise selbst umgebaut habe. Das freut nicht nur die Stammgäste, aus denen, wie Link berichtet, ihr Klientel hauptsächlich bestehe. "70 Prozent kommen bestimmt jede Woche einmal." Dass man sich kennt, ist nun ein Vorteil, denn am Eingang wird überall neben dem Impfzertifikat oder Test nun auch die Identität überprüft.

"Als wir die Ausweise noch nicht kontrollieren durften, haben wir halt geschaut, ob der Name auf dem Test zur Person passt und vor uns auch wirklich eine Maria steht und kein Josef. Außerdem kennt man sich hier auf dem Land", erzählt mit heiterer Gelassenheit Stephanie Propstmeier. Die Inhaberin des Weinbeißer in der Gemeinde Anzing sagt, dass ihre Gäste sowohl die 3-G-plus- als auch die 2-G-Regelung sehr gut finden, die bei Veranstaltungen in ihrem Lokal zur Anwendung kommt. Dennoch habe sie bemerkt, dass die Menschen zögerlicher seien beim Ausgehen, "was einerseits verständlich ist, andererseits schade für den Aufwand, den wir treiben". Ihr Personal sei im Übrigen "bis auf einen, der grade eh nicht arbeitet" vollständig durchgeimpft.

Das gilt auch für die Mitarbeiter im Grafinger Kastenwirt, wie Pächter Martin Bayerlein betont, der zuversichtlich ist, dass "unser Laden mit seiner ehrlichen, bodenständigen Küche auch weiterhin gut besucht wird." Schade nur, dass manche Leute nicht kapierten, dass es nicht die Wirte seien, die die Regelungen machen, "wir setzen sie nur durch".

Die permanenten Änderungen in dieser Hinsicht nimmt Kostantino Akrivis von der Taverna Orfeas mit Pragmatismus. Er rufe immer beim Landratsamt an, um sich zu erkundigen, fühle sich bei der zuständigen Behörde in wirklich guten Händen. Die Rückmeldung der Gäste ob der strikten Regeln sei durchweg positiv, weil sich die Leute sicher fühlten.

Das kann Maximilian Mack vom Purfinger Haberer bestätigen. Sein Haus ist voll, wovon man sich selbst überzeugen kann. Zum Lüften öffnet er regelmäßig die Türen und die großen Schiebefenster, zwischen zwei größeren Tischen hat er eine stabile Trennscheibe mit Logo einbauen lassen, die wird auch nach der Pandemie noch bleiben. Seiner Meinung nach hat die Pandemie größere Wertschätzung für die Gastronomie mit sich gebracht. Zudem habe die Nachhaltigkeit in viele Betriebe Einzug gehalten, die wie Mack für das "to go"-Geschäft das "Rebowl System" nutzen. Dabei wird das Essen in stabile und optisch ansprechende tannengrüne Gefäße gefüllt, die man gegen Pfand bekommt und bei allen teilnehmenden Gasthäusern zurückgeben kann.

Am Ende bleibt als Fazit: Die überwiegende Mehrzahl der Gäste ist offenbar geimpft, wobei die Gastronomen auch ausdrücklich Menschen mit Tests willkommen heißen. "Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft", hört man mehrmals. Allerdings bleibt die Sorge, dass es einen Rückgang bei größeren Veranstaltungen wie Familien- oder Firmenfeiern geben könnte, weil dabei nun auch Aufwand und Kosten für eventuell nötige PCR-Tests zu berücksichtigen seien. Und sollten solche Tests fürs Personal verpflichtend werden, könne man zusperren, das könne niemand zahlen, heißt es von mehreren Wirten. "Wir müssen aber mit denen arbeiten, die wir haben - gute Mitarbeiter findet man schwerer als Gäste", sagt einer der Ebersberger Gastronomen.

In einem Punkt aber herrscht große Einigkeit unter den Wirten und Wirtinnen in der Region: nur durch eine Impfung wird man sich langfristig wieder auf das Kerngeschäft besinnen können, nämlich die Gäste mit Produkten und Service glücklich zu machen, statt zur Gewährleistung maximaler Sicherheit von Gästen und Personal ständig wechselnde Regeln umzusetzen und deren Einhaltung zu überprüfen.

Ansonsten wird bei den Gesprächen ganz deutlich: Um einen Gastronomiebetrieb zu führen, braucht es Gelassenheit, Kreativität, zuweilen ein dickes Fell - vor allem aber einen gewissen Grundoptimismus. Oder, wie der Ebersberger Wirt Korbinian Kugler betont: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Gastro gut durch den Winter kommt. Wenn Gastronomen und Gäste weiterhin so vernünftig bleiben, bin ich guter Dinge."

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Quelle:
SZ vom 11.11.2021
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