Lockdownzeit ist Müllbergzeit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit scheinen in der Pandemie auf der Strecke zu bleiben. Auch im Landkreis Ebersberg sei mehr Verpackungsmüll festzustellen, sagt Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin des Landratsamtes. Das seien natürlich die Kartonagen des Versandhandels, aber auch Verpackungen vom Essen zum Mitnehmen, das für viele den Besuch der derzeit geschlossenen Gastronomie ersetzt.
Beim Landkreis, der auch für die Müllentsorgung zuständig ist, habe man darauf schon reagiert, sagt Schwaiger, und etwa häufigere Containerleerungen beauftragt. Auch will man durch Appelle an die Bevölkerung das Entsorgungsverhalten verbessern, etwa durch den Aufruf, bei überfüllten Containern den Müll nicht einfach daneben zu werfen. Noch besser wäre es aber wohl, wenn gleich gar nicht so viel Abfall anfiele, etwa durch Umstellung von Einweg auf Mehrwegverpackungen bei To-go-Essen. Und Mehrweggeschirr ist bereits in vielen Geschäften zu finden. Kaffeebecher der Firma Recup beispielsweise funktionieren mit folgendem System: Man kauft den Becher mit einem Euro Pfand, genießt sein Getränk und kann anschließend bei Partnern der Initiative Recup den Becher wieder zurückgeben.
Langjähriger Nutzer der Mehrwegbecher ist die Speisekammer in Ebersberg, und seit diesem Jahr sind dort auch Rebowl Produkte im Sortiment. Dabei handelt es sich um wiederverwendbare Schüsseln für Speisen und Gerichte, welche genauso wie die Mehrwegbecher funktionieren, nur mit fünf Euro Pfand. "Circa 60 Prozent der Ladenbesucher nutzen die Mehrweglösung", schätzt Elisabeth Wagner, Teamleiterin der Speisekammer. Vor allem die Stammkunden nähmen das Angebot dankend an. Bei Laufkunden, die sich spontan einen Kaffee holen, sei es etwas anderes. Hier ergibt sich oft das "Abgabeproblem", wie es Wagner beschreibt. Denn es sind zwar schon einige Bäckereien und ähnliche Läden Partner von Recup, doch weitaus nicht der Großteil.
So sieht es auch Matthias Korn, Chef des gleichnamigen Biomarkts in Grafing und Ebersberg. Beide Läden nutzen Recup und Rebowl seit einiger Zeit mit Erfolg. Für einen Kaffee im Einwegbecher muss man hier sogar nur 50 Cent Aufpreis zahlen. "Damit mal was vorangeht", sagt Korn. Dafür wäre es aber in seinen Augen auch sehr wünschenswert, wenn mehr Geschäfte mitmachen würden. Der Biomarkt-Chef vermutet, die Akzeptanz der Kunden wäre viel größer, wenn sie den Becher ohne große Suche und weite Wegstrecken bei der nächsten Bäckerei abgeben könnten.
Bei den Rebowls ist besagtes Problem noch viel größer, da die Option im Landkreis Ebersberg kaum vertreten und gerade erst im Kommen ist. Laut Einschätzung von Wagner ist die Nutzung der Mehrwegschüsseln in der Speisekammer zwar "in einem guten Stadium", sie müsse jedoch flächendeckender angeboten werden, um richtig gut zu funktionieren.
Die Corona-Krise mit Lockdown scheint jedoch für viele Gastronomen ein Impuls in diese Richtung gewesen zu sein. "Jetzt ist der richtiger Zeitpunkt, weil mehr als sonst auf To-Go gesetzt wird", sagt zum Beispiel Tamara Marrone vom Restaurant Aquarium in Grafing. Deswegen seien Mehrweglösungen bei mehreren Grafinger Gastronomen derzeit im Gespräch. Beim Aquarium ist es nun sicher, die Rebowls sind dieser Tage eingeführt worden.
Genau wie beim Wirtshaus Landlust am Reitsberger Hof in Vaterstetten. "Der erste Lockdown hat so viel Müll verursacht", sagt Anna Link, Chefin der Gaststätte. Sie habe daraufhin ganz offen bei den Kunden nachgefragt, welche Systeme zur Müllreduzierung in Frage kommen würden. "Das Pfandsystem hat ganz klar gewonnen." Andere Mehrwegsysteme mit Nutzung einer App zum Einscannen beispielsweise, seien vor allem für ältere Gäste der Wirtschaft nicht gut geeignet. In der Landlust jedenfalls komme das einheitliche System gut an, außerdem sei dieses viel hygienischer, als wenn Kunden selbst Behälter von daheim mitnähmen.
Schon während den ersten Tagen sei ein Erfolg bei der Nutzung zu beobachten gewesen, sagt Link. "Doch wir stehen noch am Anfang." Bei Rebowl sei im Moment die Nachfrage so groß, dass nur ein einfaches Schüsselmodell ohne Trennwand zu erhalten gewesen sei. Bei komplexeren Gerichten mit Soße und Beilagen sei aber eine Rebowl mit mehreren Fächern durchaus wünschenswert, erklärt Link. Deswegen gebe es noch nicht alle Gerichte in der Mehrwegschüssel. Das sei aber alles bloß eine Frage der Zeit. Genauso schätzt Link die Verbreitung der Rebowls ein: Während es sie es in München schon vermehrt gebe, dauere es auf dem Land eben noch etwas.
Bei der Speisekammer in Ebersberg setzt man auf wiederverwendbare Schüsseln, wie Leiterin Elisabeth Wagner hier zeigt.
Die gibt es mittlerweile auch beim Wirtshaus-Drive in der Landlust Vaterstetten von Anna Link.
Die Mehrwegschüsseln sind überdies nicht die einzige Lösung für eine umweltbewusste Handhabung des Mitnahme-Essens. Matthias Korn findet die Tatsache nachteilig, dass die Rebowls zwar wiederverwendbar, aber trotzdem aus Plastik sind. Deswegen bietet er für die Waren der Wurst- und Käsetheke im Bioladen in Ebersberg und Grafing zudem Blechdosen und Glasbehälter an.
Andreas Keipp, Besitzer des Wirtshauses Schnitzelgaudi in Markt-Schwaben, geht das Problem Verpackungsmüll ebenfalls mit einer anderen Wahl des Materials an. Bei ihm handelt es um kein Mehrweg- und Pfandsystem, sondern um recycelbare Verpackungen aus Zuckerrohr. Seit Eröffnung seines Geschäftes vor dreieinhalb Jahren nutzt er dieses Modell mit Erfolg. Das Material lasse sich im Kompost sowie als Restmüll entsorgen, erklärt Keipp. Dadurch llerdings wird Volumen im Restmüll beansprucht, was bei den Rebowls nicht der Fall ist. Insgesamt sei bei den Schachteln aus Zuckerrohr jedoch die Nachhaltigkeit und der Umweltschutz bei Herstellung, Handhabung sowie Entsorgung bestens berücksichtigt, so Keipp. Bei den Rebowls hingegen bleibe als Endprodukt das, was ja eigentlichvermieden werden sollte: Plastik. Das Problem kenne man schon von Getränkedosen mit Pfand, die trotzdem weggeworfen würden, ergänzt der Wirt seine Bedenken zum Pfandsystem.
Doch Plastikmüll lässt sich selbst durch seine Strategie nicht ganz vermeiden. "Ich bestelle Bioverpackungen, die dann im 25er Pack in Plastik verpackt geliefert werden", bedauert Keipp. Das habe hygienische Gründe. Der Chef der Schnitzelgaudi stellt also bedauernd fest, dass Nachhaltigkeit und Hygiene, jeweils im höchsten Maß, nicht vereinbar seien, irgendwo gebe es immer Einbußen. Die hat Keipp auch in finanzieller Hinsicht aufgrund von Qualitätsunterschieden bei den Verpackungsmodellen: Günstigere Exemplare aus dünnerem Material weichten bei soßenreichen Gerichten leicht auf. Hier müsse er deswegen die etwas teueren Verpackungen aus dickerem Stoff nehmen.
Für welche Verpackungsvariante auch immer sich ein Restaurant nun entscheidet: Sie scheint immer mit Vor- und Nachteilen sowie Kompromissen verbunden zu sein. Bis der idealer Weg gefunden und eine vollkommene Umstellung erfolgen kann, wird es wohl noch etwas dauern. Dennoch ist das Thema Müllvermeidung, wenn auch in den Nachrichten durch die Corona-Krise in den Hintergrund gedrängt, in der Umsetzung sehr aktuell.